Wie die Kirchenmusik nicht verloren geht

"Die Menschen gehen da hin, wo es Spaß macht"

Der Nachwuchs will nicht singen. Die meisten Kirchenchöre leiden darunter, keine neuen Mitglieder zu finden. Wie Kirchenchöre es trotzdem schaffen können, erklärt Monsignore Markus Bosbach im Interview.

Mädchen des B-Chores im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti (DR)
Mädchen des B-Chores im Kölner Dom / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Was macht die Kirchenmusik im Erzbistum Köln aus?

Monsignore Markus Bosbach (Leiter der Hauptabteilung Seelsorgebereiche im Generalvikariat Köln und stellvertretender Generalvikar): Wir musizieren bereits mit den Kindern in der Kita und in den letzten Jahren haben wir auch ausgebaut, mit Senioren Kirchenmusik zu machen. Mit den Angeboten gehen wir etwa mit anderen Probenzeiten auf die dritte Lebensphase ein und wir nehmen Rücksicht auf bestimmte Anforderungen des Alters. Neben Angeboten für Jung und Alt haben wir auch verschiedene Leistungsniveaus. Unsere Kirchenmusik macht also eine Bandbreite in der Qualität und im Niveau und in allen Altersstufen aus.

DOMRADIO.DE: Sprechen wir mal über den Nachwuchs: Also manche Kirchenchöre finden ganz einfach Nachwuchs und andere haben es tatsächlich schwer. Woran liegt das?

Bosbach: Ich bin davon überzeugt, dass Menschen - auch junge Menschen da gerne hingehen und singen, wo es ihnen einfach Spaß macht. Oder wo sie andere Menschen finden, bei denen sie spüren, die wollen das Gleiche. Das beobachten wir zum Beispiel an unseren größeren Kirchenmusik-Standorten. Dort haben sich auch Chor-Schulen etabliert. Ich war vor einigen Jahren Pfarrer in Mettmann bei Düsseldorf, und von dort weiß ich, dass es dort auch immer wieder gemeinsame Konzerte gibt, wo auch die Jugendlichen aus dem Jugendchor riesig Freude daran haben, mal ein großes Oratorium mitzusingen. Genauso wie heute viele Kirchen-Chöre Spaß daran haben, ein jugendlich modernes Repertoire zu singen. Da werden die Grenzen fließender.

DOMRADIO.DE: Was raten Sie denn den anderen Chören, wo es weniger Mitglieder werden?

Bosbach: Natürlich haben wir auch viele Kirchen-Chöre, die merken, dass sie langsam eben immer weniger werden. Da kann man jetzt auch keine Zukunft erzwingen sozusagen - also wenn das abreist, dann ist es schwierig, Anschluss zu finden. Aber auch da gibt es Möglichkeiten, sich im Repertoire zu ändern, damit man auch noch gerne zufrieden singt und nicht nur im Jammern ist, sondern einfach mit viel Freude auch weiter mit den Möglichkeiten, die dann vielleicht ein bisschen eingeschränkter sind, Musik macht.

DOMRADIO.DE: Kirchenmusik begleitet Sie schon durch Ihr ganzes Leben. Inwiefern waren Sie auch als Pfarrer in Mettmann im Chor und haben fleißig immer mitgesungen?

Bosbach: Also ich hätte gerne gesungen. Ich habe als junger Mensch gesungen, in der Choralschola, im Kirchenchor im Kammerchor mit meiner Heimatgemeinde in Wipperfürth und ich habe es später immer wieder vermisst - als Kaplan hatte ich mal für ganz kurze Zeit die Gelegenheit, in einem Kammerchor in Wuppertal mitzusingen. Aber das hat sich dann leider wieder zerschlagen. Aber ich singe gerne und bin froh, dass es ja doch eine wesentliche Aufgabe des Priesters ist, die Feier des Gottesdienstes und der Vorsitz in der Eucharistiefeier. Und da kann man ja auch viel singen.

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie das denn? Schafft Singen auch Gemeinschaft und die Chance wieder Menschen in die Kirche zu holen? Oder ist das jetzt nicht unbedingt angesagt?

Bosbach: Das sollte jetzt nicht der erste Zweck sein. Wir merken natürlich, dass wir im übrigen auch Thema eines Symposiums in dieser Woche, das wir in Düsseldorf veranstaltet haben. Wir merken, dass über die Musik Menschen sich zu einem bestimmten Gottesdienst zugehörig fühlen. Gerade auch in den Innenstädten ist Musik ein ganz wichtiger Identifikationsfaktor.

DOMRADIO.DE: Zum Beispiel?

Bosbach: Wenn ich hier nach Köln schaue, dann sehen wir eben die Kunststation Sankt Peter zum Beispiel und die kennzeichnet ja nicht nur, dass sie ein Ort des Dialogs mit der zeitgenössischen Kunst ist, sondern auch mit der zeitgenössischen Musik. Ganz wenig weiter finden wir die Basilika Sankt Aposteln, wo auf einem sehr hohen Niveau der gregorianischen Choral, also diese uralte Musikform der Kirche gepflegt wird und auch eine klassische Chor- und Vokal-Tradition. Und da gehen Menschen eben ganz gezielt dahin. Die fahren sogar extra dahin, weil sie dort eben nicht wohnen.

Da merkt man, Musik ist ein starker Identifikationsfaktor. Da fühle ich mich zugehörig, da will ich hin. Das bringt in mir zum Klingen, das mich da gerne sein lässt.

DOMRADIO.DE: Sie haben ja auch selber am neuen Gotteslob mitgearbeitet. Viele Gottesdienstbesucher - sie haben es gerade selber gesagt - gehen eben auch in den Gottesdienst, um fleißig mitzusingen. Gehört das für Sie auch mit zur Kirchenmusik?

Bosbach: Unbedingt. Das ist, wenn man so will, die eigentliche Kirchenmusik, die wir alle machen, die eben auch nicht irgendwie immer nur eine Zutat ist, sondern Kirchenmusik ist selbst Teil des Gottesdienstes und der Liturgie. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir immer wieder versuchen; wie können wir das nochmal fördern. Das wird nicht leichter, weil heute oft in Kindergärten und Schulen immer weniger gesungen wird. Deshalb ist es gut, dass wir auch das Repertoire der Gemeinde-Gesänge erweitern, so dass wir auch viele Formen haben, wo wir dann entdecken können, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene gerne mitsingen. Ich nenne mal als Beispiel: das ist ja im neuen Gotteslob auch sehr prominent platziert. Die Gesänge aus dem französischen Ort Taizé, die eben auch bei uns sehr populär sind inzwischen und die vielen ermöglichen auch mitzusingen.

Das Interview führte Jann-Jakob Loos.


Domkapitular Markus Bosbach / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domkapitular Markus Bosbach / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR