132. Cartellversammlung endet mit Festgottesdienst im Kölner Dom

Sozialkompetenz und Studium generale

Sie wirken anachronistisch: Männer, die mit ihren Bändern, Mützen, dem Zipfelbund oder im Wichs Messe im Kölner Dom feiern. Doch ihr Anliegen ist zeitlos, der Nachwuchs garantiert.

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
Pontifikalamt für Cartellversammlung der katholischen Studentenverbindungen / © Beatrice Tomasetti  (DR)
Pontifikalamt für Cartellversammlung der katholischen Studentenverbindungen / © Beatrice Tomasetti ( DR )

So bunt ist es selten im Kölner Dom. Aber wenn 126 Studentenverbindungen ihre Farben tragen und eine solche sprichwörtlich auch bekennen, dann schillert es grün, pink oder orange, auch gelb, bordeaux oder knallblau. Heute dominierten die phantasievollen Uniformen den Chor der Kölner Kathedrale, wo die Fahnenträger und Chargierten mit ernster Miene und in akkurater Aufstellung hintereinander den knapp zweistündigen Abschlussgottesdienst mit Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki verfolgten. Vor allem aber füllten fast 2000 "Alte Herren", die in ihrer Studentenzeit ehemals dieselben Uniformen getragen haben mögen, die Bankreihen des Gotteshauses bis auf den letzten Platz – über dem Hemd mit Krawatte das zwei- oder dreifarbige Band, das ihre Zugehörigkeit zu einer der vielen in Deutschland ansässigen Verbindungen belegt.

In seiner Predigt geht Kardinal Woelki auf das leuchtend-farbenprächtige Bild ein, das in diesen Tagen, in denen sich die Verbandsmitglieder aus allen Teilen Deutschlands in der Rheinmetropole zur 132. Cartellversammlung der katholischen Studentenverbindungen treffen, die Stadt geprägt habe, wie er sagt. Und er zielt darauf ab, dass ein solcher Gottesdienst eines Akademikerverbandes nahe legt, an den in der benachbarten Kirche St. Andreas begrabenen Albertus Magnus, den großen Universalgelehrten des Mittelalters, zu denken, dem es – ähnlich wie den Studentenverbindungen – um den Austausch aller Lehrenden gegangen sei, der auf den unterschiedlichsten Gebieten Kompetenzen besaß, aber nicht einfach nur ein Viel-Wissender gewesen sei, sondern die Gelehrsamkeit als ein "doctor universalis" zu einer Synthese zusammengeführt habe.

Eine Universalität entstehe erst dann, wenn im Gespräch mit vielen nach der Wahrheit gesucht werde. Denn sie leuchte erst auf im Licht des Ganzen, sagt der Kardinal. Universalität müsse den Blick aufs Ganze schärfen. Das sei ein Bedürfnis, das heute wieder sehr wichtig sei. Und von daher käme auch Studentenverbindungen in diesem Kontext eine hohe Bedeutung zu; sie träten in einen Austausch miteinander und machten sich auf die Suche nach dem, was der Mensch sei. Und schließlich führe erst diese Suche nach der Wahrheit am Ende auch zu Jesus Christus.

Ein großes Wiedersehen

Katholischer Glaube als Basis – das ist auch das, was Christian Behlert aus München und Christoph Hagemann aus Bergisch Gladbach-Bensberg wichtig ist. Einst waren sie Klassenkameraden, heute arbeiten beide als Rechtsanwälte und treffen sich nun hier in Köln nach vielen Jahren wieder. Während Hagemann der Cheruscia Münster angehört, ist Behlert Mitglied bei der Novesia Bonn, zu der einst schon Kardinal Schulte als Bundesbruder gezählt habe, wie der Jurist nicht ohne Stolz betont. Ansonsten gelte in seiner Verbindung das Prinzip "Frohsinn", erzählt er lachend und ergänzt, dass jeder innerhalb des Cartellverbandes Teil einer "einzigen großen Familie" sei.

Praktisch bedeutet das, dass man untereinander, aber auch mit anderen Verbindungen schnell Kontakte knüpft und diesbezüglich auf ein großes Netzwerk zurückgreifen kann. "Sozialkompetenz auf der Basis des katholischen Glaubens" und ein "Studium generale" – das seien für ihn ganz wesentliche Kriterien, einer Verbindung anzugehören. "Im Dialog miteinander verknüpfen wir Erkenntnisse über den eigenen Fachbereich hinaus." Angesichts der bestehenden Bildungspolitik sei ihm das nach wie vor ein großes Anliegen, so Behlert.

Das brüderliche "Du"

"In jeder Stadt gibt es eigentlich jemanden, bei dem man schon mal schnell unterkommen kann. Überall sind wir Freunde; es gilt das cartellbrüderliche ‚Du’. Auch beruflich können sich diese Formen der Vernetzung mitunter förderlich auswirken", erklärt Hagemann. Ihn habe damals gereizt, dass es in einer Verbindung ein interessantes Semesterprogramm gibt, dass Feste gefeiert werden und man auch schon mal vor vielen Leuten eine Rede halten muss. Man lerne einfach neben dem Studium vieles, was einen im Leben weiterbringt, ist der 47-Jährige überzeugt. "Und wir wachsen immer noch. Mit der Gründung neuer Studienorte gibt es nicht nur in den bestehenden Verbindungen Nachwuchs, es gründen sich sogar auch noch immer wieder neue Verbindungen."

Die Cartellversammlung (CV), die in jedem Jahr in einer anderen Universitätsstadt stattfindet, ist das oberste willensbildende und beschlussfassende Organ des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen, auf der die Delegierten der Studierenden und der Altherrenschaften die Belange des Gesamtverbandes erörtern und über sie befinden. Eingebettet werden diese Sitzungen jeweils in ein hochwertiges Rahmenprogramm, zu dem immer ein Eröffnungsgottesdienst, eine Gesellschaftsabend und ein Festkommers gehören. Bis zum ersten Weltkrieg fanden die Cartellversammlungen überwiegend am Ort und zum Zeitpunkt der Katholikentage statt, die damals als Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands galten. Die erste CV fand 1863 in Frankfurt statt. Vor 20 Jahren hatte es zuletzt eine Cartellversammlung in Köln gegeben. Mittlerweile ist der Cartellverband auf 126 Studentverbindungen in acht Ländern sowie 250 Ortsvereinigungen mit insgesamt etwa 4.000 Studenten bzw. 26.000 "Alten Herren" angewachsen.


Quelle:
DR