Vor 175 Jahren wurde Kunstsammler Alexander Schnütgen geboren

Ein rheinisches Schlitzohr

​Die Suche nach Kunst hat Alexander Schnütgen auf Dachböden und in Keller getrieben. Doch die Sammelleidenschaft des katholischen Geistlichen hat ihn auch in Konflikte gebracht. Vor 175 Jahren wurde Schnütgen geboren.

Autor/in:
Andreas Otto
Alexander Schnütgen, Kunstsammler und Gründer des Museums Schnütgen, Marmorbüste von Ferdinand Seeböck, datiert 1911 / © Jörg Loeffke (KNA)
Alexander Schnütgen, Kunstsammler und Gründer des Museums Schnütgen, Marmorbüste von Ferdinand Seeböck, datiert 1911 / © Jörg Loeffke ( KNA )

Auf das Bronzekästchen hat nur Alexander Schnütgen ein Auge geworfen. Die paar Groschen bei der Versteigerung investiert er gerne. Auf die Frage eines Mitbieters, was das denn für ein sonderbares Objekt sei, antwortet er: "eine Mausefalle". Der katholische Geistliche weiß es aber besser: Denn es handelt sich um einen wertvollen Reliquienbehälter - in Form einer Kirche aus dem 11. Jahrhundert.

Schnütgen macht keinen Hehl aus seiner kindlichen Freude, mit rheinischer Schlitzohrigkeit eine Antiquität günstig erstanden zu haben. Der Kölner Priester ist ein leidenschaftlicher Sammler mittelalterlicher Kirchenkunst: Madonnenfiguren, Kreuze, Kelche, Monstranzen, Weihrauchfässer, Glas- und Tafelmalerei... "Sammelt die Stücklein, damit sie nicht zugrunde gehen", lautet sein Motto. Seine Sammlung schenkt er im hohen Alter der Stadt Köln - Grundstock für das Schnütgen-Museum. Vor 175 Jahren - am 22. Februar 1843 - wird er geboren.

Späte Berührung mit Kunst

Der älteste Sohn eines Kaufmanns aus Steele, heute ein Stadtteil von Essen, hat zunächst wenig Ahnung von Kunst. Als Gymnasiast in Essen zeigt er viel Interesse für Deutsch, indem er nach Worten seines Biografen Armin Spiller "Aufsätze mit fast übertriebenem Umfang" vorlegt. Mit Kunst kommt er erst nach Theologiestudium und Priesterweihe als Domvikar in Köln in Berührung. Er bewundert den Dom, versteht aber die Kunstwerke darin nicht.

Es beginnt - so Schnütgen über Schnütgen - "eine Sturm- und Drangzeit", in der er sich autodidaktisch fortbildet. Über Literaturstudium und Auktionen als "erste Bezugsquellen und Lernstätten" wird er immer mehr Profi auf dem Gebiet der Kirchenkunst. Eine besondere Rolle spielt auch der Kölner Weihbischof Johannes Baudri, den Schnütgen auf dessen Visitationsreisen begleitet. Bei den Übernachtungen in den Pfarrhäusern entdeckt der Sammler auf Dachböden und in Kellern zahlreiche Schätze, die er preiswert ersteht oder geschenkt bekommt.

Einkäufe im "Tagebuch" festgehalten

Mitunter kommt der 1887 zum Domkapitular ernannte Geistliche mit seiner Sammelleidenschaft auch in Konflikte. So muss er sich beim Kirchenvorstand der Attendorner Sankt Johanneskirche entschuldigen, nachdem er ein um 1300 entstandenes Kaselkreuz und andere Sachen mitgenommen hat. Die Olpener Schwestern hätten bei ihm den Eindruck hinterlassen, dass "der Herr Pfarrer sie nicht zurückerwarte" und der Kirchenvorstand mit der Überlassung einverstanden sei, rechtfertigt er sich.

Bei allem geht es Schnütgen darum, eine Lehrsammlung mit beispielhaften sakralen Objekten und Typrenreihen aufzubauen. Mit diesem Sammelprinzip unterscheidet er sich von anderen Kunstliebhabern seiner Zeit, so Spiller. Der Geistliche führt ein "Tagebuch über die vieltausendfältigen Ankäufe". Bis 1910 umfasst das verschollene Verzeichnis mehr als 12.000 Objekte.

Trotz aller Kaufaktivität ist der Geistliche ein Sparfuchs. Der beliebte wie beleibte Seelsorger gönnt sich zwar einen leckeren Tropfen, nutzt aber verwendete Briefumschläge ein zweites Mal und trägt einen Priesterrock, der wie seine Kunstwerke mit einer gewissen Patina versehen ist und spöttische Bemerkungen provoziert.

Erzbistum lehnt Schenkung ab

Die Kunstobjekte bringt Schnütgen im Laufe von 40 Jahren in seiner Wohnung unter. Wegen Platzproblemen wechselt er mehrfach die Bleibe. Beim letzten Umzug finden auf spektakuläre Weise zwölf Prozessionsesel in einer langen Reihe ihren Weg ins neue Domizil.

1906 will Schnütgen seine Sammlung dem Erzbistum Köln schenken. Doch der damalige Kardinal Anton Fischer lehnt aus Sorge um die Folgekosten ab. Schnütgen reagiert enttäuscht, stößt aber bei der Stadt Köln auf offene Ohren. Diese errichtet am Kunstgewerbemuseum eigens einen Anbau. Inzwischen befindet sich das Museum Schnütgen in der romanischen Kirche Sankt Cäcilien.

Eine besondere Beziehung hat Schnütgen zur sauerländischen Heimat seines Vaters gepflegt. Dort, in Listernohl, verbringt er seine letzten Lebensjahre. 1914 meldet die "Kölnische Zeitung" fälschlicherweise seinen Tod. Schnütgen stirbt vier Jahre später. Am 23. November 1918 bricht er im Hausflur zusammen und ruft dabei die Worte "Mein Gott, mein Gott".


Die Cäcilienkirche mit Anbau / © Jörg Loeffke (KNA)
Die Cäcilienkirche mit Anbau / © Jörg Loeffke ( KNA )

Das Museum Schnütgen beherbergt in einer der ältesten Kirchen Kölns eine kostbare Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke.  / © Jörg Loeffke (KNA)
Das Museum Schnütgen beherbergt in einer der ältesten Kirchen Kölns eine kostbare Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke. / © Jörg Loeffke ( KNA )
Quelle:
KNA