Jahresrückblick: Katholische Kirche in Deutschland im Jahr 2017

Roter Faden Ökumene

An Luther kam niemand vorbei. Das Reformationsgedenken zog sich wie ein roter Faden durch das Jahr - und sorgte für meist positive Gefühle. Die "Ehe für alle" und das Verhältnis zur AfD erwiesen sich als härtere Nüsse.

Autor/in:
Christoph Arens
Kardinal Marx und Bischof Bedford-Strohm / © Maurizio Gambarini (KNA)
Kardinal Marx und Bischof Bedford-Strohm / © Maurizio Gambarini ( KNA )

Das war's. Mit einem bundesweiten Feiertag und einem Festakt in Wittenberg endete am 31. Oktober das Gedenkjahr zum 500. Jahrestag des "Thesenanschlags" Martin Luthers. Das Reformationsgedenken war das prägende kirchliche Ereignis des Jahres - auch für Katholiken.

In Hildesheim feierten Katholiken und Protestanten im März einen gemeinsamen Buß- und Versöhnungsgottesdienst in Anwesenheit von Bundespräsident Joachim Gauck und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bedauerten als oberste Repräsentanten ihrer Kirchen die "Last unserer Entzweiung und Trennung".

Kritische Töne von Kardinal Woelki

Die Bilanz der katholischen Kirche war fast durchweg positiv: Die Sorge vor einem protestantischen Triumphalismus habe sich als unbegründet erwiesen, bilanzierte Marx. Der katholische Ökumenebischof Gerhard Feige sprach von einem "wirklichen Durchbruch" für das Miteinander. Auf beiden Seiten ist offenbar auch viel persönliches Vertrauen gewachsen. Kritische Töne kamen allerdings vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki. Kurz vor dem Höhepunkt der Feiern plädierte für mehr "Ehrlichkeit in der Ökumene" und warnte vor vorschnellen Erwartungen hinsichtlich eines gemeinsamen Abendmahls.

Deutliche Unterschiede zwischen den Kirchen gab es bei der Bewertung der Bundestagsentscheidung für die "Ehe für alle". Während die Protestanten erklärten, dass die Bedeutung der Ehe zwischen Mann und Frau nicht geschmälert werde, lehnen die katholischen Bischöfe die Neuerung einhellig ab. Der Gesetzgeber habe wesentliche Inhalte des Ehebegriffs aufgegeben, kritisieren sie. Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, erklärte, das Grundgesetz und auch das Bundesverfassungsgericht hätten die Ehe als eine Verbindung von einem Mann und einer Frau definiert.

Verhältnis der Kirchen zur AfD

Unklar bleibt, wie sich das Verhältnis der Kirchen zur AfD nach dem Einzug der Partei in den Bundestag entwickeln wird. Es gebe seitens der Bischöfe «keine generelle Gesprächsverweigerung», sagte Marx. Zugleich zeigte er sich besorgt über den rechtsradikalen Populismus in Europa. Nach dem Evangelium habe jeder Mensch vor Gott den gleichen Wert. Umgekehrt hielt AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen den Kirchen vor, sich zu stark in die Politik einzumischen. Bundesvorstandsmitglied Armin Paul Hampel rief gar zum Kirchenaustritt auf.

Schwierig gestaltet sich das Verhältnis zum Islam. Die Bischöfe bekannten sich dazu, den Dialog nicht abreißen zu lassen. Sorgen bereiteten aber fundamentalistische Strömungen, sagte der für interreligiösen Dialog zuständige Limburger Bischof Georg Bätzing. Besonders problematisch ist der Kontakt zum großen Moscheeverband Ditib, der eng mit der türkischen Regierung zusammenarbeitet. Die Bischöfe seien "irritiert" über ein von der türkischen Religionsbehörde Diyanet veröffentlichtes Gutachten zur Gülen-Bewegung, das den christlich-muslimischen Dialog infrage stelle.

Kirchenaustritte bleiben Thema

Unterdessen ging die Zahl der Kirchenaustritte leicht zurück, blieb aber hoch. 162.093 Katholiken kehrten 2016 ihrer Kirche den Rücken, 11 Prozent weniger als 2015. Zugleich sprudeln die Kirchensteuern weiter kräftig: Die 27 Bistümer nahmen die Rekordsumme von 6,146 Milliarden Euro ein. Trotzdem stellt sich die Kirche auf mittelfristig zurückgehende Einnahmen ein. Kürzungspläne gibt es etwa für bundesweite Aktivitäten, etwa bei Verbänden und Auslandsgemeinden. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) forderte deshalb mehr Beteiligung von Laien und mehr Transparenz sowie eine Stärkung der bundesweiten Aktivitäten.

Im Streit um den Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene sprachen sich die Bischöfe für eine größere Öffnung in begründeten Einzelfällen aus. In dem mit Spannung erwarteten Bischofswort zum Papstschreiben "Amoris laetitia" vom Februar betonen sie allerdings auch, dass es keinen "Automatismus" in Richtung einer Zulassung gebe. Notwendig sei ein von einem Seelsorger begleiteter geistlicher Prozess.

Kritischer Brief von vier Kardinälen

Seit der Veröffentlichung von "Amoris laetitia" im April 2016 gibt es heftige Debatten darüber. Besondere Aufmerksamkeit erregte ein kritischer Brief von vier Kardinälen, darunter die Deutschen Joachim Meisner und Walter Brandmüller. Die Autoren forderten den Papst auf, sich eindeutig zu äußern.

Unklar bleibt, ob auch das Ende der Amtszeit von Kardinal Gerhard Ludwig Müller (69 - ab 31.12.: 70) als Präfekt der Römischen Glaubenskongregation mit diesem Konflikt zu tun hat. Im Juli wurde bekannt, dass Papst Franziskus die Amtszeit des früheren Regensburger Bischofs nicht verlängert. Müller nahm das Kirchenoberhaupt seitdem mehrfach gegen Häresievorwürfe in Schutz. Er sprach sich aber zugleich für eine Antwort des Papstes an seine konservativen Kritiker aus und äußerte sich kritisch zu seiner eigenen Absetzung.

Tod des Kölner Kardinals Joachim Meisner

Eine Ära ging mit dem Tod des Kölner Kardinals Joachim Meisner zu Ende. Er starb Anfang Juli mit 83 Jahren. Der gebürtige Breslauer galt als wortgewaltiger Vertreter der Konservativen in der Kirche. Der Generationenwechsel auf deutschen Bischofsstühlen setzte sich 2017 fort. Der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle und sein Würzburger Amtsbruder Friedhelm Hofmann gingen in den Ruhestand. In Mainz wurde Peter Kohlgraf als Nachfolger von Kardinal Karl Lehmann zum Bischof geweiht.

Und ganz zum Schluss des Jahres begann noch eine neue, ganz unerwartete Debatte - angestoßen von Papst Franziskus persönlich: Muss der Text des Vaterunser geändert werden, des bekanntesten Gebets überhaupt? Die Bitte "und führe uns nicht in Versuchung" sei "keine gute Übersetzung", sagte Franziskus in einem Interview, denn nicht Gott, sondern der Satan führe in Versuchung. In Deutschland gab es aber wenig Unterstützung für die vom Papst bevorzugte Neuübersetzung aus Frankreich: "Lass uns nicht in die Versuchung eintreten."


Nacht der Lichter in Wittenberg / © dr (DR)
Nacht der Lichter in Wittenberg / © dr ( DR )

Kardinal Woelki (DR)
Kardinal Woelki / ( DR )

Papst Franziskus an Weihnachten 2017 / © Paul Haring (KNA)
Papst Franziskus an Weihnachten 2017 / © Paul Haring ( KNA )

"Unser Kreuz hat keine Haken" - kirchlicher Protest gegen Hass und Ausgrenzung / © Jann-Jakob Loos (DR)
"Unser Kreuz hat keine Haken" - kirchlicher Protest gegen Hass und Ausgrenzung / © Jann-Jakob Loos ( DR )

Ehe für alle / © Jörg Sarbach (dpa)
Ehe für alle / © Jörg Sarbach ( dpa )
Quelle:
KNA