Theologe und Brauchtumsforscher zur Tradition des Christbaums

Baum nicht als Jahreszeitenanzeiger benutzen

Wann sollte der Weihnachts- oder Christbaum aufgestellt werden? Viele machen es Tage oder Wochen vor Heiligabend, andere erst am 24. Dezember. Was ist richtig und was ist falsch? Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti gibt Antworten.

Heiligabend unterm Christbaum / © Matthias Greve (KNA)
Heiligabend unterm Christbaum / © Matthias Greve ( KNA )

DOMRADIO.DE: Das Baumaufstellen - wie macht man es denn richtig?

Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti (Theologe und Brauchtumsforscher): Der Tradition nach steht der Christbaum zur Bescherung geschmückt im Zimmer. Das heißt, man sollte ihn nicht vor dem 24., sondern kurz vor der Bescherung aufstellen, sodass er dann seine Funktion erfüllen kann.

DOMRADIO.DE: Was ist denn die Funktion des Baumes?

Becker-Huberti: Seine Funktion an diesem Tag ist, die Bescherung zu illuminieren. Der Gedanke, der dahinter steht ist der: Gott ist derjenige, der in die Dunkelheit kam. Er war das Licht, das in die Dunkelheit kam. Und dieses Licht wird durch die Kerzen am Baum symbolisiert. Ursprünglich hatte der Baum aber eine ganz andere Funktion. Das erkennt man noch an den Weihnachtsbaumkugeln. Die Kugeln stellen die Früchte dar, die mal an diesem Baum hingen. Er stand ursprünglich beim Paradiesspiel in der Kirche. Das wurde vor dem Krippenspiel aufgeführt. Adam und Eva sind diejenigen, die die Schuld in die Welt gebracht haben. Ihrer gedenkt man an diesem einen Tag, dem 24. Dezember, dem Fast- und Abstinenztag. Und der 25. erinnert an die Geburt des Erlösers.

In der Kirche wurde das für die Menschen, die nicht lesen und schreiben konnten, in spielerischer Form vorgestellt. Erst das Paradiesspiel: Eva nimmt eine Frucht vom "Baum der Erkenntnis" und reicht sie ihrem Adam, der hineinbeißt. Damit ist die Sünde in der Welt. Deshalb wurden rote Äpfel an den Baum gehangen. Dieser Baum blieb beim anschließenden Krippenspiel stehen - also bei der Christgeburt.

Die ersten, die außerhalb der Kirche Weihnachten feierten, waren die Innungen und die Zünfte. Sie nahmen den Baum mit und machten ihn zum Geschenkebaum, hingen kleine Geschenke und Plätzchen daran. Die Kinder der Innungsmitglieder durften sich dann die Geschenke vom Baum holen.

DOMRADIO.DE: In den letzten Jahrzehnten hat sich der Baum sehr verändert. Jedes Jahr gibt es einen neue Trend: neue Designer-Kugeln, neue Beleuchtungstechniken. Was halten Sie vom Weihnachtsbaum als Designobjekt?

Becker-Huberti: Ich plädiere immer dafür, dass man den Baum nicht als Jahreszeitenanzeiger benutzt. Man sollte nicht Weihnachtsbaum sagen, sondern Christbaum. Damit ist die Funktion geklärt, dass der Baum zur Christgeburt gehört. Man kann mit Moden gehen, sollte das aber im Bezug auf den Christbaum etwas vorsichtiger machen. Es wird verrückt, wenn es etwa violette Kugeln mit grünen Streifen sein müssen und der Baum jedes Jahr anders aussehen soll. Er ist eben ein Zeichen für etwas, das überhaupt nicht der Mode unterliegt. Christus ist einmal geboren und wir erinnern jedes Jahr daran. Das muss man nicht in einer Form machen, die von der Geschäftemacherei abhängig ist. Insofern plädiere ich für das einfache, zurückhaltende und diskrete Umgehen damit. Dazu gehört auch, dass man Weihnachten an Weihnachten feiert und nicht schon vor dem ersten Advent.

DOMKRADIO.DE: Wie sieht der Weihnachtsbaum bei Ihnen zu Hause aus?

Becker-Huberti: In diesem Jahr ist der Baum etwas kleiner, weil die Enkel schon wieder etwas größer sind. Wir haben traditionell elektrische Kerzen am Baum. Wir haben goldene Kugeln dran, dazu kommt Spielzeug aus Berchtesgaden, das an diesem Baum hängt und das die Enkel immer sehr interessiert.

Das Interview führte Verena Tröster.


Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti / © privat (DR)
Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti / © privat ( DR )
Quelle:
DR