Wie können wir Geflüchtete besser in den Arbeitsmarkt integrieren?

Aus der Statistik, aus dem Sinn?

Die Arbeitslosenquote erreicht im Juli seinen niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. Doch mit der Integration von Geflüchteten auf dem Arbeitsmarkt tut sich Deutschland noch schwer. Das hat seine Gründe, meint Andrea Raab von der Caritas im Erzbistum Köln.

Arbeitslosigkeit (dpa)
Arbeitslosigkeit / ( dpa )

domradio.de: Gesamtdeutsch sehen die Arbeitslosenzahlen gut aus. Aber vor allem in NRW drängen Geflüchtete zunehmend auf den Arbeitsmarkt - wie hat sich das im letzten Jahr entwickelt? 

Andrea Raab (Leiterin der Abteilung Europa und Arbeitsmarktpolitik beim Kölner Diözesan-Caritasverband): Tatsächlich werden jetzt Menschen aus den zuzugsstärksten Asylbewerberherkunftsländern verstärkt in der Statistik sichtbar. Das sind die Länder Syrien, Afghanistan, Irak, Iran, Nigeria, Somalia und Eritrea. In der Gruppe dieser Länder sind mehr Menschen arbeitslos und auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen. 38 Prozent der Menschen aus dieser Gruppe waren im letzten Jahr arbeitslos gemeldet. Wegen des deutlichen Anstiegs kann man ziemlich sicher sagen: Das liegt an der Fluchtzuwanderung.

domradio.de: Seit einem Jahr haben Asylbewerber leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt - gerade den Wegfall der sogenannten Vorrangprüfung wertet Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles als Erfolg. Sie sagt: "Durch die Neuregelung konnten bislang mehr als 7.000 Flüchtlinge eine Arbeit aufnehmen, die sonst zur Untätigkeit verdammt gewesen wären." Wie sehen Sie das?

Raab: Ich will die positiven Entwicklungen nennen. Da hat die Bundesarbeitsministerin sicher recht. Es ist ein richtiger Schritt, dass diese Vorrangprüfung weitgehend abgeschafft ist. Im Erzbistum Köln gibt es sie tatsächlich nirgendwo mehr. Es gibt sie schon noch in NRW, sie ist nicht ganz weg. Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist unter den Geflüchteten um 44 Prozent erheblich gestiegen. Es gibt Erfolge, aber es genügt nicht, die Vorrangprüfung abzuschaffen. Die Menschen brauchen Begleitung, Sprachförderung, die Möglichkeit, Schulabschlüsse oder Berufsausbildungen zu machen oder nachzuholen. Solche Qualifizierungen müssen auch berufsbegleitend möglich sein. Das ist jetzt sehr, sehr wichtig.

domradio.de: Man kann ja generell sagen: Wenn jemand weniger gut ausgebildet ist, dann wäre es gut, diese Person in einen Job zu vermitteln, der keine so hohe Qualifizierung benötigt. Ist das nicht eigentlich gut?

Raab: Handwerkliche, praktische Tätigkeiten an sich sind etwas sehr wertvolles und gerade als katholische Christin schätze ich das hoch. Aber man muss realistisch sehen, solche Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit gibt es in Deutschland immer weniger. Das sind die Arbeitsplätze, die am schnellsten von Maschinen verdrängt werden. Und hinzu kommt, dass viele dieser Arbeitsverhältnisse prekär sind. Das heißt, da hat man kein existenzsicherndes Einkommen, da hat man häufig nur befristete Arbeitsverträge und da ist die Wahrscheinlichkeit, dass man bei Langzeiterkrankung endgültig aus dem Beruf draußen ist, sehr viel höher. Deswegen ist es keine wirkliche Perspektive bei so vielen geflüchteten Menschen zu sagen: "Gut, die sind jetzt in Helfertätigkeiten - aus der Statistik, aus dem Sinn." Sondern wir müssen darauf setzen, die Menschen zu begleiten und ihnen das Nachholen von Qualifizierungen zu erleichtern.

domradio.de: Sie plädieren also dafür, der Qualifizierung Vorrang vor einer raschen Erwerbsintegration in prekärer Beschäftigung zu geben. Das heißt in der Konsequenz: Was gibt es zu tun?

Raab: Das heißt vor allen Dingen, auf die Beratung und Begleitung der Geflüchteten zu setzen. Noch mehr tun, damit das Nachholen von Schulabschlüssen möglich wird, damit Teilzeitberufsausbildung möglich wird, auch für junge geflüchtete Frauen, weil dort die Kinderbetreuung oft ein Problem ist. Das heißt auch, Berufsausbildungen verlängern, damit gleichzeitig eine Sprachförderung möglich ist. Und dann noch einmal kreativ nachdenken, wie gute Qualifizierungslösungen für diese Zielgruppe aussehen könnten.

Das Gespräch führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR