Flüchtlingskoordinator über die Integrationsarbeit des Erzbistums

Erst die Sprache, dann die Arbeit

Deutsch lernen und einen Job finden: Das wünschen sich Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen. Klaus Hagedorn organisiert die Flüchtlingsarbeit im Erzbistum Köln. Im domradio.de-Interview erzählt er von der Hilfe für die neuen Mitbürger.

Sprachkurs für Flüchtlinge / © Oliver Berg (dpa)
Sprachkurs für Flüchtlinge / © Oliver Berg ( dpa )

domradio.de: Wenn Menschen aus den verschiedensten Gründen und mit den verschiedensten Hintergründen hier zu uns in unser Erzbistum kommen, ein neues Zuhause suchen und finden, was sind dann oft die ersten Hürden?

Klaus Hagedorn (Koordinator der Flüchtlingsarbeit im Erzbistum Köln): Für Flüchtlinge sind die ersten Hürden: Wie komme ich in einen Sprachkurs? Wie kann ich mich sprachlich hier integrieren? Ein zweites Problem ist hier sicher die Wohnraumversorgung. Sie wissen, dass beispielsweise in Köln Wohnraum knapp ist, nicht nur für Flüchtlinge sondern auch für andere Personengruppen. Ein drittes Problem ist sicherlich die Integration in den Arbeitsmarkt. Diese drei Felder sind nicht nur für Flüchtlinge, sondern auch für andere Migranten ein Problem.

domradio.de: In Berlin ging es heute beim Integrationsgipfel der Bundesregierung um beispielhafte Integrationsprojekte. Was für Angebote gibt es bei uns im Erzbistum Köln? Welche Projekte gibt es, die eine Integration wirklich fördern?

Hagedorn: Da gilt es in erster Linie die vielen Sprachkursangebote zu nennen, die wir für Flüchtlinge anbieten. Das sind zum einen die, die von Hauptamtlichen in den Bildungswerken offeriert werden. Dort haben wir im letzten Jahr schon über 700 Sprachkurse gemacht. Das zweite sind die Sprachkurse, die in den Gemeinden und den Flüchtlingsinitiativen auf ehrenamtlicher Basis laufen. Auch die werden von uns unterstützt und das ist dann ein ganz wichtiges Element, um sich wirklich schnell hier zu integrieren. Daneben gibt es den Punkt der Arbeitsaufnahme. Hier fördern wir Projekte und haben auch Projekte initiiert, wo es zum Beispiel darum geht, FSJ-Stellen, also Stellen für ein Freiwilliges-Soziales-Jahr, oder BFD-Stellen, also Stellen für den Bundesfreiwilligendienst, für Flüchtlinge anzubieten. Wir haben verschiedene Arbeitsmarktprojekte, wo es um Jobpatenschaften geht oder um die Einrichtung von zusätzlichen Ausbildungs- und Arbeitsstellen in katholischen Einrichtungen.

domradio.de: Einen guten oder zufriedenstellenden Job zu finden, ist das A und O für ganz viele der Menschen, die hier her kommen. Um die Chancengleichheit in Bildung und Beruf zu verbessern, wurde heute in Berlin ein Vorschlag ins Spiel gebracht, der auch schon etwas älterer ist, nämlich ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren. Ist das ein gutes Mittel, um faire Bedingungen zu schaffen?

Hagedorn: Kann sein, ganz genau weiß ich das gar nicht. Ich habe nur mal darüber gelesen, dass es schon dazu führt, dass Menschen bessere oder gleiche Chancen bei der Auswahl haben, einfach ohne Nennung ihres Namens, ihres Geschlechts, ihres Alters. Insofern glaube ich, muss man das einfach ausprobieren und sollte das nicht lassen.

domradio.de: Damit der Arbeitgeber nicht liest: Oh, das ist aber ein komplizierter Name, der kommt aus Syrien, der kann bestimmt kein Deutsch, sondern, dass er ihn erstmal einlädt und kennenlernt?

Hagedorn: Genau. Um Leuten einfach erst einmal eine Chance zu geben, die ansonsten keine Chance hätten. Das ist bestimmt ein gutes Instrument. Was ich noch erwähnen möchte ist, dass viele Firmen und auch wir selber im Generalvikariat sowie anderen Einrichtungen in der katholischen Kirche zusätzliche Ausbildungs- und Arbeitsplätze geschaffen haben, um ganz speziell Flüchtlingen eine Chance zu geben, die ansonsten keine Chance haben.

domradio.de: In welchen Bereichen werden die zum Beispiel bei Ihnen im Generalvikariat eingesetzt?

Hagedorn: Wir bilden drei Flüchtlinge im Bereich Büromanagement aus, die im Übrigen einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben. 

domradio.de: Ihre Aufgabe im Erzbistum Köln ist die Koordination der Flüchtlingshilfe, das heißt Sie kriegen da wirklich so ziemlich alles mit. Wie funktioniert denn beispielsweise die Integration von jungen Syrern? Was läuft schon gut und wo müsste oder könnte noch mehr getan werden?

Hagedorn: Ich würde die Syrer jetzt nicht unbedingt herausnehmen im Gegensatz zu anderen Gruppen, wie Afghanen oder Menschen aus dem Irak oder dem Iran. Es läuft an vielen Stellen gut und kann immer noch weiter verbessert werden. Es gibt zum Beispiel viele Angebote speziell für junge Männer hier im Erzbistum Köln. Das sind Freizeitangebote, Sport- und Kreativangebote. Es gibt bereits jetzt schon zahlreiche Patenschaften, wo Jugendliche begleitet werden, auf ihrem schulischen Weg oder dem Weg in den Beruf und viele Angebote mehr. Ich könnte zahlreiche Beispiele aufzählen. Was ich erwähnen möchte bei den syrischen Menschen ist, dass ein großes Integrationshemmnis die Verhinderung der Familienzusammenführung ist - durch gesetzliche Regelungen. Viele Syrer bekommen nur noch den sogenannten subsidiären Schutz und können ihre Familien dadurch erst nach frühestens drei Jahren nachholen. Das ist ein Integrationshemmnis, insbesondere für syrische Flüchtlinge.

domradio.de: Was hat das für Folgen für die Betroffenen?

Hagedorn: Viele Syrer, auch gerade junge Männer, reisen hier ein mit dem klaren Wunsch mit ihrer Familie vereint zu sein. Die Bemühungen gehen dann sehr stark in die Richtung: Wie kann ich meine Familie nachholen? Alles Geld wird zusammengekratzt, es wird geschaut, wo man Hilfe bekommen kann, um diesen Prozess zu unterstützen. Das verhindert Integrationsschritte hier in Deutschland. Wenn sie merken, dass sie ihre Familien nicht so schnell hier nach Deutschland bekommen wie sie wollen, überlegen viele Syrer ernsthaft, in ihre zerschossene und zerbombte Heimat zurückzukehren. Das ist das Gegenteil von Integration.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR