Pfarrer bietet zur Marktzeit Gespräche in der Fußgängerzone

Plausch auf dem blauen Sofa

Jeden Donnerstag von 11.00 bis 12.00 Uhr steht es auf dem Marktplatz in Bensberg: ein blaues Sofa. Was merkwürdig anmutet, ist die Idee des örtlichen Pfarrers Andreas Süß. Er lädt dort zum Plausch über Gott, Kirche und Alltag ein.

Pfarrer Andreas Süß beim "Sofa-Talk" / © Beatrice Tomasetti (Pfarrei St. Nikolaus und St. Joseph)

domradio.de: Das wirkt skurril: ein Sofa auf dem Marktplatz als Anlaufstelle für ein Seelsorgegespräch oder einfach nur für einen kurzen Plausch mit dem Pfarrer. Aber wie kommt man denn auf so eine Idee?

Pfarrer Andreas Süß (Pfarreiengemeinschaft St. Nikolaus und St. Josef in Bensberg und Moitzfeld): Die Idee ist eigentlich ziemlich einfach. Ich bin erst seit August letzten Jahres als Pfarrer hier in Bensberg und Moitzfeld. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie ich mich eigentlich der Gemeinde vorstelle und zeige, dass ich offen für die Erfahrungen sowie Fragen und Sorgen der Menschen vor Ort bin. Es besteht natürlich immer die Möglichkeit, mich auf verschiedenen Terminen bei den Leuten anzusprechen, wenn ich unterwegs bin. Aber ich dachte, es sei gut, nicht nur eine Sprechstunde im Pfarrbüro zu haben, sondern auch auf dem Markt zu sein und zu zeigen, dass ich offen für die Menschen bin und mich freue, sie kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich möchte sie fragen, wie ihre Erfahrungen mit der Kirche aussehen und wie ich mithelfen kann, einen guten Weg einzuschlagen. Ich möchte zeigen, dass wir offen für ihre Ideen sind.

domradio.de: Und dann sitzen Sie da also, mitten auf dem Marktplatz auf einem Sofa. Kann man da einfach vorbei kommen oder muss man sich vorher anmelden?

Süß: Das ist vollkommen frei. Jeder kann kommen. Es gibt ein bisschen Gebäck, Tee oder Kaffee und man kann einfach ganz in Ruhe miteinander ins Gespräch kommen. Das wird sehr gut angenommen. Es gibt da eine rege Beteiligung und die Leute freuen sich, dass die Kirche ein offenes Gesicht zeigt.

domradio.de: Sprechen Sie dann nur über kirchliche Themen oder kommen die Menschen auch mit persönlichen Anliegen zu Ihnen?

Süß: Das ist ganz unterschiedlich. Manche Leute haben Anregungen. Andere haben theologische Fragen. Da gibt es das ganze Spektrum. Ich glaube, das sind Menschen, die ich auf konventionellem Weg nicht erreichen würde. Wenn ich sagen würde, dass sie sich doch bitte im Pfarrbüro nach Termin anmelden, dann würden einige das vielleicht nicht tun. Dies ist eine leichte Möglichkeit, ins Gespräch zu kommen. Wir haben auch noch eine Fahne "offene Kirche" dabei, die wir zu Beginn der Aktion aufgestellt haben, um zu zeigen, dass nicht nur unsere Türen offen stehen, sondern wir auch offen gegenüber Menschen sind, die vielleicht eine andere Einstellung haben oder die vielleicht schwierige Erfahrungen mit der Kirche gemacht haben. Auch mit diesen Menschen in den Dialog zu kommen, ist mit ein Ziel. Unser Papst lädt dazu ja auch ein, an die Ränder zu gehen und auf die zuzugehen, die bisher noch keine Idee hatten, mit Kirche in Kontakt zu treten. Ich finde es spannend, die 90 Prozent der Leute zu sehen und zu erreichen, die sonntags nicht zur Kirche kommen. Das ist ein neues pastorales Konzept, das wir jetzt angehen wollen. Wir sagen, wir möchten allen Menschen die Möglichkeit geben, teilzunehmen und sich mit ihren Ideen, Fähigkeiten und Begabungen einzubringen.

domradio.de: Das alles findet unter einem ganz bestimmten Motto statt und zwar "Offene Kirche". Was bedeutet das?

Süß: Wir haben im Pfarrgemeinderat gemeinsam überlegt, wie wir die Pfarrei von Morgen gestalten wollen und was es dazu braucht, um hier vor Ort auch in den nächsten zehn Jahren eine lebendige Kirche zu sein und auch die jungen Menschen erreichen. Wir haben festgestellt, es braucht auch einen Blick nach Außen. Wir schauen, was für Menschen bei uns leben. Wie können wir für sie da sein, wie können wir ihnen Räume und Möglichkeiten schaffen, dass sie sich bei uns aktiv mit einbringen? Dazu sollen sie nicht direkt mit unseren Vorstellungen konfrontiert werden, sondern wir wollen erst einmal hören, was sie für Ideen mitbringen. Wir wollen zunächst eine "hörende Kirche" sein.

domradio.de: Wie läuft das ab? In Form von Befragungen?

Süß: Wir sind jetzt einen mutigen Schritt mit allen 5.000 Pfarrbriefen, die an katholische Haushalte verteilt werden, gegangen. In diese Pfarrbriefe haben wir einen Fragebogen eingelegt und da können verschiedene Fragen beantwortet werden. Wie stellen Sie sich die Zukunft der Kirche vor? Was müsste geschehen, damit Sie sich einbringen? Was brauchen Sie vielleicht auch an Räumlichkeiten? Wir können in absehbarer Zeit damit beginnen, ein Gemeindezentrum renovieren. Das Erzbistum Köln hat uns eingeladen, zu überlegen, was wir denn überhaupt für Räume brauchen. Wie wird es denn in Zukunft möglich sein, Menschen anzusprechen? Dafür wollen wir allen Menschen die Möglichkeit geben, sich einzubringen. Wir haben die Fragebögen auch nicht nur in den Pfarrbriefen liegen, sondern auch in den Geschäften in Bensberg und Moitzfeld ausgelegt, um ein möglichst breites Meinungsbild zu bekommen, was den Menschen wichtig ist und was sie sich von Gemeinde und Kirche wünschen und wie wir da mithelfen können, gemeinsam auf den Weg zu kommen. Wir werden das bei einem Gemeindeforum im Herbst noch weiter vertiefen. Dort werden wir schauen, wie wir vor Ort aufgestellt sind und was den Menschen hier wichtig ist.

Das Interview führte Milena Furman.

 

Quelle:
DR