Bibel-Projekt an Kölner Liebfrauenschule

Die eigene Schulbibel geschrieben

"Abschreiben erlaubt!" – das war Unterrichtsansage in der Liebfrauenschule in Köln. Alle sollten das tun, was sonst nie bei einer Klassenarbeit oder Klausur erlaubt ist: abschreiben. Und zwar die komplette Bibel, also 1.189 Kapitel!

Autor/in:
Katharina Geiger
"Bibel abschreiben" an der Liebfrauenschule (DR)
"Bibel abschreiben" an der Liebfrauenschule / ( DR )

Zu ihrem 100. Jubiläum hat sich die Schulgemeinschaft der Erzbischöflichen Liebfrauenschule in Köln etwas ganz Besonderes überlegt: Neben Festivitäten zu diesem Anlass wie einer Schiffsfahrt, einem Festakt in der Schule und einer Messe im Dom machten es sich alle zur Aufgabe, eine eigene Bibel zu schreiben. Nicht nur alle Schüler und Schülerinnen, sondern selbst der Hausmeister hatte ein paar Bibelverse abbekommen. Auch freiwillige Eltern, die Sekretärinnen, die Schulleiterin und das ganze Lehrerkollegium schwangen die Stifte. "Mönche brauchten zwei Jahre – wir brauchen zwei Stunden!", war ihr Motto.

Die ehemalige Lehrerin Karin Kasprowicz ist zwar seit ein paar Jahren im Ruhestand, fühlt sich der Schule aber immer noch sehr verbunden. Sie wurde wie viele andere angeheuert, die Schulgemeinschaft zu unterstützen. Dass sie auch heute immer noch lieber mit dem Füller als mit dem PC schreibt, kommt ihr da zugute. So trägt Karin Kasprowicz dazu bei, dass die Schulbibel entsteht. Mit einigen Seiten, auf denen ihre Handschrift zu lesen ist, wird sie Teil des Ganzen.

Eine "größenwahnsinnige" Idee

Lehrer Christoph Lengsholz hat die Aktion angestoßen. Seine Idee war es, zum 100-jährigen Jubiläum der christlichen Schule "auch etwas mit der Bibel zu machen". Obwohl es eine verrückte Idee ist, die komplette Bibel abzuschreiben – immerhin besteht sie aus 839.451 Wörtern – ist er von seinem Versuch nach wie vor begeistert. Handschriftlich zu schreiben, sei zwar "oldschool", aber gerade deswegen faszinierend. Lehrer Lengsholz streckte seinen Kopf neugierig zur offen stehenden Tür des einen oder anderen Klassenzimmers herein: "Die Schüler sind wirklich ganz engagiert bei der Sache. Besonders die Jungs, die eigentlich eine sehr schlechte Handschrift haben. Aber da sind die alle hoch konzentriert und schreiben super. Man kann keinen Unterschied mehr erkennen, ob Junge oder Mädchen – was man sonst immer sofort erkennen kann. Und das zeigt, dass die also auch Lust haben, mal etwas Schönes abzuschreiben, auch ein bisschen mit Gestaltung."

Der Schüler Falko Giesen gehört zu den Schülern, deren Handschrift Lehrer Lengsholz an diesem Tag kaum wiedererkennt. Falko hat seinen Bibel-Abschnitt schon abgeliefert. Das Ergebnis ist eine fein säuberlich beschriebene linierte DIN-A4 Seite auf beigefarbenem Papier. Aber er geht davon aus, dass sich alle Mühe gegeben haben. Er sei nicht der einzige, der besonders ordentlich geschrieben hat, obwohl er ansonsten keine schöne Handschrift habe.

Zwei Stunden Arbeit

Jede einzelne und individuelle Handschrift wird gebraucht – sonst fehlt ein Stück Bibeltext, weiß auch Stella Buttkus. Die Schülerin sieht mit ihrem bunten T-Shirt zwar nicht aus wie ein Mönch, aber das, was sie macht, war früher typisch für Mönche: Bibelabschreiben. Zwei Jahre für diese Arbeit zu brauchen wie die Mönche damals im Mittelalter, lässt der Lehrplan nicht zu. Aber nach zwei Stunden haben es Stella und alle anderen an der Liebfrauenschule geschafft. Die komplette Bibel-Abschrift wird jetzt gebunden und in sieben oder acht Bänden im Foyer der Liebfrauenschule Köln ausgestellt. In Zukunft soll von den handschriftlich gestalteten Buchseiten auch in den Schulgottesdiensten gelesen werden.

Stella hat an dem Projekt vor allem gefallen, dass es etwas war, "das die ganze Schulgemeinschaft zusammen gemacht" hat. Es gab das eine gemeinsame Ziel: Jedes der 1.189 Kapitel in die eigene Handschrift zu bringen. Jede Klasse hat dabei ihre ganz eigene Atmosphäre mit Kerzenschein und Musik geschaffen. Aus einem Klassenraum drang heller, klarer Gesang. Es war keine Musik von Band, sondern die Schüler sangen selbst. Während sie abschrieben, sangen sie gemeinsam lateinische Texte vor sich hin. Und sorgten für Verblüffung, dass sie beides zeitgleich konnten, ohne sich zu verschreiben. Die Lieder kennen sie aus der Domsingschule, verrieten sie später.


Quelle:
DR