Eine aufregende Reise in Kölns Partnerdiözese Tokio

Wie Kardinal Frings Oberbonze wurde

Bei Weltreisen über die Datumsgrenze konnte ein Kardinal Ende der 50er Jahre durchaus noch mit seinem Brevier in die Bredouille kommen. Überhaupt erlebte Kölns Erzbischof Frings 1957 beim Abenteuer in Japan so einiges.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Kardinal Josef Frings während seines Japanbesuches im Mai 1957 / © N.N. (KNA)
Kardinal Josef Frings während seines Japanbesuches im Mai 1957 / © N.N. ( KNA )

Der Kölner Kardinal Josef Frings (1887-1978) hat in seinem Bischofsleben eine Menge außergewöhnlicher Situationen absolviert. Davon zeugen nicht zuletzt seine so humorvollen wie plastischen Lebenserinnerungen. Frings' Japan-Reise 1957, mit der er den Grundstein für die inzwischen bereits seit über 60 Jahren dauernde Bistumspartnerschaft zwischen den deutschen und den japanischen Kriegsverlierern Köln und Tokio legte, gehört sicher zu den eindrücklichsten.

Kardinal Frings besucht Tokio im Mai 1957

Frings' Grundidee war, etwas von der Hilfe, die die Deutschen nach der Kriegskatastrophe erfahren hatten, mit dem einsetzenden Wirtschaftswunder an andere Völker in Not zurückzugeben. Der Blick fiel zunächst auf Indien - doch gerade die angepeilte Diözese schien einem der Berater des Erzbischofs vergleichsweise wenig geeignet. So war dann Tokio die Wahl - ein Bistum mit extrem kleinem Katholikenanteil. Der dortige Erzbischof Peter Doi reagierte sehr positiv, und so entwickelten sich die Dinge rasch. Im Mai 1957 trat Kardinal Frings eine Reise an, die damals mit 30 Stunden Dauer noch deutlich unkommoder war als heute.

Beschwerliche Reise

Probleme bekam der Kardinal bereits vor dem Start. Die vorgesehene Maschine habe in Stockholm einen Schaden erlitten und werde dort repariert, hieß es; die Passagiere sollten sich dort einfinden. "Das war nicht gerade ermutigend", so Frings trocken. Zum Zwischenstopp in Alaska war der Bischof von Fairbanks gekommen - "sonst gab es dort nicht viel Sehenswertes". Sehr schwierig, so Frings, sei die Zeitbestimmung gewesen - zumal man auch noch die Datumsgrenze überflog. "Sogar beim Brevierbeten wusste man nicht, was denn nun eigentlich zu beten war." Wenn man über den Pol fliege, höre "überhaupt jede zeitliche Orientierung auf".

Auf dem Flughafen Tokio war, wie der ebenso volkstümliche wie standesbewusste Kardinal bemerkte, ein Roter Teppich ausgelegt, wie es in Japan "nur für souveräne Herrscher üblich ist". Auch weiterhin zeigte sich Frings sehr angetan von der japanischen Art des Sozial-Checks. Der Jesuit Joseph Roggendorf stellte den Erzbischof seinen japanischen Gesprächspartnern als "Großbonzen" vor - der Bezeichnung für einen buddhistischen Obermönch oder Hohepriester. Als solcher wurde er sowohl dem Tenno, dem legendären japanischen Ex-Gottkaiser Hirohito (1901-1989) in seinem Nachkriegs-Behelfspalast vorgestellt als auch dem bereits über 90-jährigen Oberhaupt der japanischen Zen-Buddhisten in Yokohama.

Kulturelles Beschnuppern

Es waren wohl Wochen intensiven interkulturellen Lernens. So nahm Frings zwar bereitwillig die Übung an, am Eingang eines Hauses die Schuhe auszuziehen und "auf Strümpfen in den Raum hineinzugehen". Er konnte sich freilich nicht die Anmerkung verkneifen, dass die Japaner "sehr ehrlich" seien. Es komme "eigentlich nie vor", dass Schuhe gestohlen würden - ein Tatbestand, den er seinen eigenen Landsleuten offenbar zutraute.

Einen weiteren Beleg der ausgesprochenen Wahrheitsliebe der Japaner - den er später stets zitierte - erlebte der Kardinal, als ihm bei einer Feier Jungen und Mädchen aus jeder einzelnen Tokioter Pfarrei einen Zettel mit der Summe von Gebeten und kleiner Opfer für die Partnerdiözese überreichten. Dieses Bild habe ihn tief ergriffen.

Lieber frischen Fisch als konservierten

Einen unfreiwillig komischen Einblick in die deutsche Lebensmittelkultur der 50er Jahre gab Frings in der Beschreibung des japanischen Kaisers als Kenner der heimischen Fauna und Flora. Es sei, so der rheinische Kardinal, in Japan keineswegs unangenehm, alle Tage Fisch zu essen. Diese seien nämlich stets frisch - anders als zu Hause, wo sie "immer ein paar Tage alt und deshalb künstlich konserviert" seien.

Seine Strümpfe verfolgten Frings in Japan - nur nicht an einem Tag. Vor einem Binnenflug - der Kardinal hatte einen Mittagschlaf und sein Generalvikar sich bereits mit dem Gepäck zum Flughafen aufgemacht - erwachte er ohne Socken. "Das hätte bedeutet, dass ich mein Gesicht verloren hätte - und zwar an den Füßen." Doch der örtliche Bischof half ihm aus. "Meine Schwester hat allerdings immer behauptet, sie seien gar nicht schwarz gewesen, sondern dunkelblau."

Frings' Rückkehr aus Japan verursachte am Düsseldorfer Flughafen einen Menschenauflauf. Am meisten aber, so der Erzbischof, habe er den Reportern mit der Bemerkung imponiert: "Jetzt muss ich zuerst eine Zigarette haben. In Japan hat man uns daran gewöhnt."


Quelle:
KNA