Woelki kritisiert Grenzschließungen

"Obdachlosen ein Zuhause geben"

Vor dem Hintergrund der Flüchtlingskrise hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki die Grenzschließungen in Europa scharf kritisiert. Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr forderte unterdessen mehr Engagement gegen die Fluchtursachen.

Ein bisschen spielen. Kardinal Woelki besucht im November eine Flüchtlingsunterkunft in Köln. / © Rolf Vennenbernd (dpa)
Ein bisschen spielen. Kardinal Woelki besucht im November eine Flüchtlingsunterkunft in Köln. / © Rolf Vennenbernd ( dpa )

Zur "Überlebenshilfe" für Flüchtlinge hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki aufgerufen. Das christliche Abendland sei nicht zu retten, indem die Grenzen dicht gemacht würden, sondern indem Obdachlosen ein Zuhause und Hungernden zu essen gegeben werde, sagte Woelki am Donnerstagabend in Mainz.

Beim Sankt-Martins-Jahresempfang des Mainzer Katholischen Büros trat der Kardinal Ansichten entgegen, wonach nicht genug für alle da sei, nicht genug etwa, um Familien zusammenzuführen. Unter Verweis darauf, dass diese "Irrmeinungen" zu Gewaltausbrüchen geführt hätten, betonte Woelki, es sei christliche Aufgabe, "barmherzig und entschieden" einzuschreiten, wenn Menschen in Deutschland bedroht und gefährdet würden. Es gelte, "Mauern in den Herzen und Köpfen so vieler Menschen in unserem Land" zu überwinden. Diese Mauern hießen "Begrenzung des Familiennachzugs, Mittelmeer, sichere Herkunftsstaaten, Dublin-Abkommen, Abschottung, aber auch Gewalt gegen Flüchtlinge, Rufmord und ideologisch motivierte Hetze".

Scharfe Kritik an Waffenexport 

Woelki, der wiederholt auf den heiligen Martin verwies, der der Legende nach seinen Mantel mit einem frierenden Bettler teilte, übte zudem scharfe Kritik an deutschen Waffenexporten. Viele der Flüchtlinge seien auf der Flucht vor Terror und Gewalt in ihren Herkunftsländern. Beides werde auch durch deutsche Waffenexporte ermöglicht.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) versicherte, die Landesregierung wolle eine humane Flüchtlingspolitik gestalten. Eine ausdrückliche Absage erteilte Dreyer einer Einschränkung des Familiennachzugs für syrische Flüchtlinge. An dem Martins-Empfang nahmen rund 200 Gäste aus Politik, Kirche und Gesellschaft teil. Das einladende Katholische Büro vertritt die rheinland-pfälzischen Bischöfe bei den politischen Stellen in der Landeshauptstadt.

Neymeyr fordert mehr Einmischung in Herkunftsländern

Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr hat die Bundesregierung mit Blick auf die Flüchtlingskrise zu einem stärkeren internationalen Engagement aufgerufen. "Ist die Tatsache, dass Deutschland jetzt eine solche Verantwortung für flüchtende Menschen übernimmt, nicht auch der Auftrag und die Berechtigung, entschiedener aufzutreten beim Kampf gegen Ursachen der Flucht?", fragte er am Donnerstagabend in Erfurt. Er äußerte sich vor rund 150 Gästen beim traditionellen Elisabeth-Empfang des Bistums Erfurt für Thüringer Politiker.

Neymeyr führte aus, Deutschland könne in Ländern wie den Balkanstaaten eine verbindliche und einklagbare Rechtsordnung einfordern, damit etwa Korruption wirkungsvoll bekämpft werde. Die Bundesrepublik könne zudem "restriktivere Regeln für den Rüstungsexport durchsetzen - auch im eigenen Land", so der Bischof. Außerdem könne Deutschland, das selbst so viele Muslime aufnehme, von ihnen stärker Toleranz gegenüber anderen Religionen einfordern - auch in mehrheitlich muslimischen Ländern.

Moralische Verpflichtung auf Asyl 

Der Bischof betonte, Deutschland habe wegen seiner Geschichte eine besondere moralische Verpflichtung, Menschen Asyl zu gewähren, deren Leben in der Heimat bedroht sei. Zugleich verwies er darauf, dass der Zustrom der vielen Flüchtlinge aus unterschiedlichen Kulturen «Probleme für die innere Sicherheit und die soziale Sicherung» bedeute. "Die Probleme, die es hierzulande im Zusammenleben gibt und geben wird, müssen benannt werden, und es muss nach Lösungen gerungen werden, aber immer im Bewusstsein des Verantwortungsgefühls für unsere Mitmenschen", mahnte Neymeyr. Er plädierte für wechselseitige Begegnungen: "Wer Flüchtlinge persönlich kennengelernt hat, diskutiert nicht ohne Mitgefühl."

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und Landtagspräsident Christian Carius dankten Neymeyr für das Engagement der katholischen Kirche in der Flüchtlingskrise. "Die Kirche nimmt heute mehr denn je eine wichtige Funktion in unserer Zivilgesellschaft wahr", so Ramelow, der wie Neymeyr seit knapp einem Jahr im Amt ist. Zugleich plädierte der Ministerpräsident dafür, stärker die Ängste der Bevölkerung angesichts des Flüchtlingszustroms in den Blick zu nehmen: "Niemand darf sich abgehängt und abgerutscht fühlen." Deutlich verurteilte Ramelow jede Form der Gewalt gegen Flüchtlinge und Flüchtlingshelfer.


Rainer Maria Kardinal Woelki (DR)
Rainer Maria Kardinal Woelki / ( DR )
Quelle:
KNA