Erzbistum Köln setzt neues kirchliches Arbeitsrecht ein

"Kein Paradigmenwechsel"

Im Erzbistum Köln gilt ab August die von der Bischofskonferenz beschlossene neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse". Dr. Martin Böckel, Leiter der Hauptabteilung Verwaltung im Erzbistum Köln, erklärt die Neuerungen.

Erzbistum Köln setzt neues kirchliches Arbeitsrecht ein (dpa)
Erzbistum Köln setzt neues kirchliches Arbeitsrecht ein / ( dpa )

domradio.de: Am 1. Juli stehen die Änderungen im Amtsblatt des Erbistums. Ab dem 1. August sollen sie greifen. Was ändert sich konkret?

Dr. Martin Böckel: Die Bischöfe haben im April eine Änderung der Grundordnung beschlossen, die vor allem behutsame Fortschritte im Loyalitätsrecht bringt. Die Bischöfe wollten damit zum Ausdruck bringen, dass sie zwar nach wie vor daran festhalten, dass die Kirche Mitarbeiter braucht, die überzeugt und überzeugend katholisch sind, dass sie aber auch mit Brüchen in deren persönlichen Lebensverhältnissen rechnen und sie dann auch im Arbeitsverhältnis ertragen. Deswegen hat man sich dazu entschlossen, bestimme Dinge aus dem privaten Umfeld, die bisher in der Regel zu einer Kündigung geführt haben, nicht mehr als Kündigungsgrund - jedenfalls nicht mehr als ausschließlichen Kündigungsgrund - zu betrachten. Das sind insbesondere: Das Eingehen einer zweiten Zivilehe und das Eingehen einer Lebenspartnerschaft. Das sind künftig keine zwingenden Kündigungsgründe mehr für kirchliche Mitarbeiter.

domradio.de: Es gibt dann keinen Kündigungsautomatismus mehr, heißt es. Was gibt es stattdessen?

Böckel: Es ist ein verbreiteter Irrtum, dass Loyalitätsobliegenheiten künftig keine Rolle mehr spielen. Das ist keineswegs so. Es hat sich insbesondere für die pastoralen, katechetischen Mitarbeiter im Grunde an den hohen Anforderungen nichts geändert. Für alle anderen Mitarbeiter, insbesondere für leitende und erzieherisch tätige Mitarbeiter, gilt aber künftig eine Einzelfallprüfung. Die ist dann davon abhängig, ob mit dem Loyalitätsverstoß auch bestimmte weitere schwerwiegende Umstände verbunden sind. Zum Beispiel, dass dieser Verstoß - die Grundordnung nennt es so - zu einem Ärgernis in der Dienstgemeinschaft oder in der Öffentlichkeit führt.

domradio.de: Was ist zum Beispiel, wenn jemand aus der Kirche austritt?

Böckel: Der Austritt aus der Kirche ist immer ein nahezu unbedingter Kündigungsgrund. Das ist in der Katholischen Kirche genauso wie in der Evangelischen Kirche. Wer sich aktiv gegen die kirchliche Überzeugung wendet, kann nicht Mitarbeiter bleiben.

domradio.de: Können denn jetzt auch evangelische Christen oder Muslime bei der Katholischen Kirche arbeiten?

Böckel: Das war immer schon so. Auch nach Geltung der alten Grundordnung kannte die Kirche nicht-katholische und vor allem auch nicht-christliche Mitarbeiter. Das ist in einzelnen Fällen sogar unabdingbar, wenn sie an das Kindertagesstättenwesen denken, wenn sie an evangelische Religionslehrer an katholischen Schulen denken - diese Möglichkeiten gab es immer. Sie ist jetzt für weitere Mitarbeitergruppen leichter möglich. Die Grundordnung erwartet von allen Mitarbeitern das Bekenntnis zu unserer Glaubens- und Sittenlehre, aber sie erwartet nicht in jedem Fall das eigene Lebenszeugnis.

domradio.de: Was heißt das konkret?

Böckel: Das bedeutet, dass wir in der Personalauswahl mehr Freiheit haben, uns auch für Mitarbeiter zu entscheiden, die zum Beispiel evangelisch oder nicht-christlich sind. Wir haben unter den Bestandsmitarbeitern nun die Möglichkeit, auch Loyalitätsverstöße, die bisher aufgegriffen werden mussten, hinzunehmen. "Die Grundordnung fordert zwar, dass die Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst sich zur Glaubens- und Sittenlehre bekennen, aber sie will in ihrer neuen Fassung auch, dass wir akzeptieren, dass nicht alle unsere Mitarbeiter unseren Vorstellungen von unserer Glaubens- und Sittenlehre immer und in jeder Hinsicht entsprechen können. Auch das muss eine Dienstgemeinschaft aushalten."

domradio.de: Wir haben jetzt über Änderungen im individuellen Arbeitsrecht gesprochen. Welche Änderungen gibt es im kollektiven Arbeitsrecht?

Böckel: Es gab im vorletzten Jahr eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes, die hat es notwendig gemacht, dass wir die Gewerkschaften in unser System der Arbeitsrechtsfindung integrieren. Das nennen wir den Dritten Weg. Das bedeutet, die Grundordnung musste jetzt vorsehen, dass bestimmte Plätze in unseren unabhängigen Kommissionen, die unser kirchliches Arbeitsrecht schaffen, für Gewerkschaften reserviert werden.

domradio.de: Bleibt das Streikverbot?

Böckel: Das Streikverbot bleibt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes erhalten.

domradio.de: Zusammenfassend gibt es kleine entscheidende Änderungen ab dem 1. Juli, aber die grundsätzliche Linie bleibt. Richtig?

Böckel: Einen Paradigmenwechsel stellt die neue Grundordnung nicht dar: Im Individualarbeitsecht bleibt die grundsätzliche Linie, dass die Kirche von ihren Mitarbeitern die Glaubens- und Sittenlehre erwartet, erhalten. Im kollektiven Arbeitsrecht bleiben wir beim kircheneigenen System der Arbeitsrechtsfindung, das ist der Dritte Weg.

Das Interview führte Susanne Becker-Huberti.


Quelle:
DR