Mehr Kirchenaustritte bundesweit und im Erzbistum Köln

Schmerzlicher Trend

Gemeinsam mit den anderen deutschen Bistümern hat das Erzbistum Köln heute die Kirchenstatistik für das Jahr 2013 veröffentlicht. Demnach ist die Zahl der Kirchenaustritte im vergangenen Jahr auch im mitgliederstärksten Bistum Deutschlands gestiegen.

Immer mehr Kirchenbänke bleiben leer (dpa)
Immer mehr Kirchenbänke bleiben leer / ( dpa )

Ende des Jahres 2013 lebten im Erzbistum Köln 2.056.173 Katholikinnen und Katholiken in den 529 (2012: 546) Pfarreien der 180 (182) Seelsorgebereiche. Die Austritte beliefen sich auf 17.012 (10.547), während 278 (316) Eintritte zu verzeichnen waren. "Ich bin ich als Diözesanadministrator über jeden Austritt traurig, mit dem ein Mensch seine Distanz zur Kirche und deren Sinnangeboten offen bekundet", erklärte der derzeitige Leiter des Erzbistums Stefan Heße. Als Ursache für den Anstieg der Zahlen nennt das Erzbistum unter anderem die skandalösen Vorgänge um Tebartz-van Elst. Diözesanadministrator Stefan Heße betont, das Erzbistum hätte aus dem Fall Konsequenzen gezogen:

"Ich bin ich als Diözesanadministrator über jeden Austritt traurig, mit dem ein Mensch seine Distanz zur Kirche und deren Sinnangeboten offen bekundet. Im vergangenen Jahr gab es durch den Umgang der katholischen Klinik mit einer vergewaltigten Frau in Köln und die Diskussionen über Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst in Limburg gleich zwei Anlässe, die das Vertrauen vieler Menschen in die Kirche erschüttert und manche auch zum Austritt gebracht haben.

Aus beiden Anlässe haben wir hier im Erzbistum Köln gelernt. Die Position zur "Pille danach" wurde von Joachim Kardinal Meisner überarbeitet. Im Bereich der Finanzen wurden wir noch transparenter und haben durch die Offenlegung von Zahlen schon bewiesen, dass wir Geld und Vermögen der Kirche unseren Zielen entsprechend für die Menschen einsetzen (zum Beispiel in Kindergärten, Schulen und den Gemeinden des Erzbistums). Denn der Mensch steht bei uns im Mittelpunkt. Dies waren zwei erste Schritte, um das Vertrauen der Menschen in unserem Erzbistum zurückzugewinnen.

Studien haben gezeigt, dass rund ein Drittel der Katholiken mit dem Gedanken spielt, aus der Kirche auszutreten. Im Dezember vergangenen Jahres wurde bei der Zusammenstellung der Rückmeldungen aus dem Erzbistum Köln für die außerordentliche Bischofssynode in Rom zum Beispiel deutlich, dass es eine starke Differenz zwischen kirchlicher Lehre und dem Leben der Katholiken im Bereich Familie und Sexualität gibt. Diese viel diskutierten Themen sind bekannt.

Mich macht es wirklich traurig, dass unter den Austrittswilligen viele Menschen sind (rund 90 Prozent), die sagen, dass sie in der Kirche keine Antworten auf die Frage nach dem Sinn des Lebens suchen. Für mich bietet der Glaube Antworten auf meine Sinnfragen. Die Frohe Botschaft von einem liebenden Gott trägt mich durch mein Leben. Es ist positiv, dass in der heutigen pluralistischen Gesellschaft jeder Einzelne für sich nach Antworten suchen kann. Wir als Erzbistum Köln müssen daher stärker deutlich machen, dass es bei uns interessante Antworten gibt.

Papst Franziskus und der neu ernannte Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki setzen sich besonders für Arme und Benachteiligte ein. Solch ein Engagement für den Anderen ist für mich ein sehr passender Ausdruck des eigenen Glaubens. Im Einsatz für Arme und Schwache wird unsere Botschaft vom liebenden Gott und eine Antwort auf die Frage nach Sinn sichtbar. In dieser Zeit mit vielen Änderungen und Aufbrüchen hoffe ich so möglichst viele Menschen von der Botschaft Jesu begeistern zu können."

Kirchenaustritte und Sterbeüberhang führten zu einer Verringerung der Katholikenzahl gegenüber dem Vorjahr von zusammen 12.979 Personen (2012: insgesamt 2.069.152 Katholiken). 793 (845) ausgetretene Personen wurden wieder aufgenommen. Erfreuliche Anstiege sind hingegen bei den Firmungen verzeichnet worden. Die Zahlen sind mit 10.517 (2012: 9.800) angestiegen. Die Anzahl der Gottesdienste hat sich im Vergleich zu 2012 nur leicht verändert. An den Zählsonntagen besuchten 190.818 (206.015) Gläubige die 1.498 (1.475) Gottesdienste, das entspricht einem Prozentsatz von 9,28 (9,96) Prozent. Trotz der hohen Zahl an Austritten, wollen sich mehr Menschen kirchlich bestatten lassen. 20.902 (20.199) Verstorbene wurden 2013 beerdigt. Die Taufen beliefen sich im vergangenen Jahr auf 14.082 (14.430). Im Berichtsjahr gingen zudem 16.023 (16.801) Kinder zur Erstkommunion. Die Zahl der kirchlichen Eheschließungen nahm mit 3.472 (3.683) leicht ab.

Bundesweiter Trend

Mit 24.170.754 Kirchenmitgliedern machen die Katholiken 29,9 Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus (2012: 30,3 Prozent). Aufgrund struktureller Veränderungen in den Bistümern hat sich die Zahl der Pfarreien von 11.222 auf 11.085 verringert. Insgesamt haben die Sakramentenspendungen der katholischen Kirche wie auch in den vergangenen Jahren leicht abgenommen. 2013 gab es 164.664 Taufen (2012: 167.505) und 43.728 Trauungen (2012: 47.161). Die Zahl der Eintritte in die katholische Kirche liegt bei 3.062, die Zahl der Wiederaufnahmen bei 6.980 Personen.

Kritisch ist die Zahl der Kirchenaustritte, die nach einem mehrjährigen rückläufigen Trend in 2013 auf 178.805 angestiegen ist (2012: 118.335). Der Gottesdienstbesuch ist mit 10,8 Prozent auch in 2013 rückläufig gewesen. Die Gesamtzahl der Priester in Deutschland hat sich um 146 Priester auf 14.490 Priester verringert. Die Zahl der Pastoralreferenten und -assistenten hat leicht auf 3.140 (2012: 3.119) zugenommen, die Zahl der Gemeindereferenten sank leicht auf 4.470 (2012: 4.479).

Zur Statistik erklärt der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx: "Die aktuellen Zahlen sind schmerzlich und alle in der Kirche müssen das ernst nehmen für ihr Handeln. Das zweite Halbjahr 2013 hat offensichtlich zu einem Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust geführt. Der hohen Austrittszahl müssen wir begegnen, indem wir immer wieder versuchen, auf allen Ebenen Vertrauen zu schaffen durch gute und überzeugende Arbeit. Das gilt natürlich besonders auch für uns als Bischöfe und Priester. Darüber hinaus zeigt die Statistik auch einen kontinuierlichen gesellschaftlichen Umbruch: Die Menschen sind – Gott sei Dank – frei, sich für oder gegen die Zugehörigkeit zur Kirche zu entscheiden und sie tun das auch. Aber nicht alle Ausgetretenen verlieren damit jeden Kontakt zur Kirche. Viele wollen – auf ihre eigene Art – Christen bleiben. Wir müssen das Gespräch mit ihnen suchen und deutlich machen, dass die Gemeinschaft des Glaubens für uns Christen eine wichtige Hilfe und Bereicherung ist. Die Offenheit für das Evangelium und die Suche nach Transzendenz sind ja da. Im Übrigen stelle ich fest, dass zwar der Gottesdienstbesuch im Durchschnitt abgenommen hat, aber durchaus auch zunimmt an bestimmten Tagen, wie mir Pfarrer etwa im Rückblick auf die Ostertage und Fronleichnam berichtet haben und wie ich es selbst erlebe. Wir müssen also die Entscheidungen von Menschen ernst nehmen und als Herausforderung für unsere Arbeit begreifen. Über all das werden wir sicher auch im Rahmen der Deutschen Bischofskonferenz sprechen.

Ich bin nicht entmutigt, sondern sehe die Statistik auch als hilfreichen Weckruf: Die Zahlen rütteln noch einmal auf, danach zu fragen, wie wir uns jetzt und künftig neu aufstellen müssen, damit das Evangelium weiterhin gehört und gelebt werden kann. Gerade deshalb bin ich den vielen haupt- und ehrenamtlich in der Kirche Engagierten dankbar, die zum vielfältigen Leben in unseren Gemeinden und Verbänden beitragen."

Auch Evangelische Kirche betroffen

Bereits zum elften Mal hat am Freitag auch die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihre Broschüre mit "Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben" veröffentlicht. Sie gibt Auskunft über viele Bereiche kirchlichen Handelns der 20 Landeskirchen und 14.769 evangelische Kirchengemeinden in der Bundesrepublik. Laut der 40-seitigen Broschüre gehörten von den rund 80,5 Millionen Bundesbürgern 23,35 Millionen zu den evangelischen Landeskirchen.

Die Zahl der Mitglieder im EKD-Bereich sank bei der letzten Erhebung 2012 um 263.552 Personen gegenüber dem Vorjahr. Die 270.652 evangelischen Bestattungen, 138.195 Austritte aus den evangelischen Landeskirchen sowie andere Rückgänge konnten durch 20.231 Wiederaufnahmen, 13.148 Wechsel aus anderen christlichen Kirchen, 168.048 Kinder- und 18.548 Erwachsenentaufen nicht ausgeglichen werden. 827.000 Menschen oder 3,5 Prozent der Kirchenmitglieder besuchten in Deutschland jeden Sonntag einen evangelischen Gottesdienst. Bei Erntedank würde sich die Zahl der Kirchgänger verdoppeln, und an Heiligabend gingen 8,5 Millionen Menschen zur Kirche.

Sehr beliebt seien die Angebote für Kinder und Jugendliche. Regelmässig träfen sich 311.000 Heranwachsende zu den für sie bestimmten Veranstaltungen der Gemeinden. Mit den Kinderbibelwochen erreichten die Landeskirchen rund 292.000 von ihnen. An anderen Veranstaltungen zur Kinder- und Jugendarbeit nähmen jährlich 642.000 junge Menschen teil. In der Bundesrepublik gebe es 1.134 evangelische Schulen mit 168.172 Schülerinnen und Schülern. Zudem würden im Bereich der EKD 6.269 stationäre Einrichtungen, darunter 2.570 in der Alten-, 1.495 Behinderten- und 1.152 Jugendhilfe sowie 392 Krankenhäuser mit insgesamt 329.905 Plätzen betrieben. Hinzu kämen 8.733 Kindertagesstätten. In der evangelischen Diakonie arbeiteten 449.100 Personen hauptamtlich, davon 196.000 in Voll- und 253.100 in Teilzeit. Sie würden durch etwa 700.000 freiwillig Engagierte unterstützt.


Kirchenaustritte im Erzbistum Köln (Erzbistum Köln)

Reinhard Kardinal Marx (dpa)
Reinhard Kardinal Marx / ( dpa )
Quelle: