Die Position der katholischen Kirche im Streit um wiederverheiratete Geschiedene

"Es geht nicht ums Ausschließen"

Seit Monaten hält die öffentliche Debatte um wiederverheiratete Geschiedene in der katholischen Kirche an. Im domradio.de-Interview erklärt Raimund Lülsdorff, Diakon und Leiter der Stabsstelle Glaubensfragen und Ökumene im Erzbistum Köln, die Position der Kirche.

 (DR)

domradio.de: Wiederverheiratet Geschiedene dürfen nicht nur nicht zur Kommunion gehen, sie dürfen auch nicht beichten und nicht die Krankensalbung empfangen. So ein Ausschluss von mehreren Sakramenten wird von den Betroffenen wie eine Exkommunikation empfunden. Gibt es hier überhaupt noch einen Unterschied?

Lülsdorff: In der Tat: Es ist keine Exkommunikation. Und wenn man sich die kirchlichen Dokumente ansieht, stellt man im Gegenteil fest: Es wird darauf gedrungen, dass die wiederverheiratete Geschiedenen nicht den Eindruck haben sollen, ausgeschlossen zu sein. Man soll sie in das Gebets- und Gemeindeleben einbeziehen. Es ist nur eben so, dass die Sakramente in ganz besonders dichter Weise Begegnungen mit Christus sind. Und dieser Christus, der gesagt hat "Barmherzigkeit will ich - und nicht Opfer", hat auch sehr deutlich gesagt: Wer eine Frau entlässt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch. Umgekehrt gilt das auch.



domradio.de: Manchmal leben die Betroffenen in ihrer zweiten Ehe glücklicher als in ihrer ersten. Den Weg der Annullierung - also der Erklärung der ersten Ehe für nichtig - wollen aber viele nicht gehen, weil sie zu  diesem Bruch in ihrem Lebenslauf stehen wollen. Ist das nicht ein ehrlicherer Umgang mit sich selbst?

Lülsdorff: Doch - wenn die Ehrlichkeit so weit geht zu sagen: Ich habe einmal eine Entscheidung für mein Leben getroffen, ich habe diese Entscheidung nicht einhalten können und kann deswegen nicht zu den Sakramenten gehen.



domradio.de: Sie sind als Diakon selbst in der Seelsorge tätig. Wie begegnen Sie Menschen, die bereits eine gescheiterte Ehe hinter sich haben und sich dennoch in der Kirche engagieren wollen?

Lülsdorff: Einem Engagement werde ich keine Grenzen setzen - es sei denn es geht um besagte exponierte Positionen, wo beispielsweise besonders der Glaube vermittelt wird. An der Kommunionbank werde ich zunächst einmal selbstverständlich die Kommunion geben. Das ist aber kein Sonderweg von mir, sondern auch das steht in den einschlägigen kirchlichen Dokumenten: dass der Skandal, das Anstoß nehmen an der Kommunionbank vermieden werden soll. Aber auch der anderen Seite werde ich diese Menschen natürlich anschließend ansprechen, wenn es mir möglich ist, bzw. dem verantwortlichen Pfarrer berichten. Denn diese Menschen gebrauchen hier die kirchliche Gastfreundschaft nicht in richtiger Weise.



Das Gespräch führte Anna Kohn.