In der Karl-Rahner-Akademie wird über Kirchenreformen diskutiert

Ein Stuhl blieb leer

Zehn Pfarrer aus dem Erzbistum Köln haben den Initiatoren der österreichischen Pfarrerinitiative ihre Unterstützung zugesagt und sich damit dem Schritt in die Öffentlichkeit angeschlossen. Am Dienstagabend fand in der Kölner Karl-Rahner-Akademie eine Diskussionsrunde zu den Forderungen statt. domradio.de-Redakteur Johannes Schröer war dabei.

 (DR)

Stickige Luft. Erhitzte Gemüter in der Karl-Rahner Akademie. Der Veranstaltungsraum ist überfüllt, die Diskussion wird in einen zweiten Raum übertragen. Einige hundert Katholiken aus dem Erzbistum Köln sind gekommen um die Informationen der rebellierenden Pfarrerinitiative aus erster Hand zu bekommen, aber auch um ihren Dampf abzulassen, ihren Unmut über die innerkirchlichen Strukturen und Umgangsformen los zu werden. Ein Stuhl auf dem Podium bleibt leer. "Wir haben einen Vertreter des Erzbistums eingeladen. Ich habe mich intensiv darum bemüht", sagt Pfarrer Franz Decker, langjähriger Caritasvorsitzender des Kölner Caritasverbandes. Dann zählt er auf, wen er alles angeschrieben und angesprochen hat. "Es gab nur Absagen. Alle hatten keine Zeit heute Abend. Aber der Stuhl auf dem Podium soll nicht leer bleiben: "Wer aus dem Publikum möchte die Seite des Erzbistums vertreten? Wer möchte sich zu uns auf die Bühne setzen?". Schweigen. Schließlich meldet sich jemand, der zunächst viel anerkennenden Applaus bekommt. In der Diskussion bemüht er sich ins Gespräch zu kommen, bleibt aber leise und in seinen seltenen Argumenten wenig überzeugend. --
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"Wir wollen uns mit den Pfarrern in Österreich solidarisieren", sagt Pfarrer Decker und fragt weiter: "Was ist denn Gehorsam? Zum Gehorsam gehört auch das Horchen auf Gottes Geist. Gegenseitiges Horchen von Bischof, Pastor und Gemeinde aufeinander und sich im Gespräch darüber austauschen. Das verpflichtet dann auch".  

Von einer "horizontalen Kirchenspaltung" ist die Rede. Die praktizierenden Katholiken würden doch schon lange einen anderen Glauben und eine andere Moral leben, als die Bischöfe und der Papst predigen. "80 Prozent aller Katholiken halten sich nicht an die Sexualmoral, die im Katechismus vorgeschrieben ist", sagt ein Pfarrer. --
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30 Pfarrer im Publikum --
Heute sind nicht nur die Priester gekommen, die sich in Köln bereits der Pfarrerinitiative angeschlossen haben - im Publikum sitzen über 30 weitere Pfarrer aus dem Erzbistum Köln. Sie alle spielen mit dem Gedanken, sich der Initiative anzuschließen. Im Laufe der Diskussion steht ein Pfarrer auf und verspricht das ganz spontan und unter Beifall. --
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"Was wäre denn, wenn alle deutschen Bischöfe nach Rom ziehen und sagen würden: "Wir geben nach gewissenhafter Prüfung auch wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion. Würden die Bischöfe dann alle entlassen?" fragt Pfarrer Decker. Auch wird gefordert, dass ergebnisoffen über die Möglichkeit diskutiert werde, Frauen zu katholischen Priesterinnen zu weihen. Viel Applaus für die Forderungen von Pfarrer Decker, Applaus besonders von den Frauen. --
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Erfahrungen mit dem Kardinal --
Und über allem schwebt das große Thema: Wie konfliktfähig ist der Kölner Erzbischof Kardinal Meisner? In einzelnen Statements tragen Teilnehmer ihre Erlebnisse mit dem Kardinal vor, Erlebnisse, die sie enttäuscht und auch tief verletzt haben. Diskussionsleiter Joachim Frank weist darauf hin, dass man nicht weiter komme, in dem man den "Klein-Klein-Konflikt" pflege. So verhindert er, dass der Abend zu einem Jammer-Abend über den Erzbischof von Köln wird. Es geht hier um mehr, es geht darum, wie denn die Seelsorgepraxis in den Gemeinden im Gegensatz zu den offiziellen Anordnungen aussieht.--
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Wie geht es weiter in den Gemeinden? Diese Frage treibt die engagierten Anwesenden um, die Priester und die Laien. Wie sieht die Zukunft der katholischen Kirche aus? Sie sorgen sich, sie sind aber auch wütend. Ihre Energie ist spürbar - und das obwohl die Anwesenden fast alle pensioniert sind, und ihr jugendlicher Elan nicht dem äußeren Bild des Publikums entspricht. --
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Die Teilnehmer des Diskussionsabends sind sich durchaus bewusst, dass nur ältere Gläubige, die Ü-60er, in die Karl-Rahner-Akademie gekommen sind. "Wo sind die jungen Leute? Warum kommen sie nicht hierher, um über die Zukunft der Gemeinden zu reden?", fragt einer. Eine Frage, die unbeantwortet bleibt. Früher gab es auch unter den Jungen heftige Proteste und Diskussionen - man denke nur an den Essener Katholikentag in den 60er Jahren. Unter den Geistlichen, die sich bislang der Kölner Pfarrerinitiative angeschlossen haben, gibt es keinen jungen Priester. "Wir sind doch Dinosaurier", meint ein pensionierter Priester. Er habe kürzlich mit einem Kaplan gesprochen, der ihm gesagt habe: "Eure theologischen Dispute interessieren uns nicht. Wir haben die Bibel und den Katechismus". --
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Gesprächsangebot des Erzbistums --
Am Ende sind sich alle einig: Es müsse etwas passieren. "Wir freuen uns über ihre Unterstützung und Solidarität", sagt Pfarrer Decker. Ein Pfarrer im Publikum verspricht, weitere Kollegen in Köln anzusprechen.

Das Erzbistum Köln meldet fast zeitgleich, dass es den Dialog nicht scheut. Am Freitag soll es ein Gespräch mit dem neuen Personalchef des Erzbistums und dem Sekretär des Priesterrates geben. Zunächst hinter verschlossen Türen und ohne die Medien und die Öffentlichkeit. Genügend Gesprächsstoff, der eben so viel Zündstoff birgt, ist ohne Frage vorhanden - das hat der Diskussionsabend in der Karl Rahner Akademie gezeigt.