Bundesfreiwilligendienst auch im Erzbistum Köln mit Startproblemen

Regierung muss "ihre Hausaufgaben machen"

Auch im Erzbistum Köln haben sich noch nicht viele junge Leute für den neuen Bundesfreiwilligendienst gemeldet. Pfarrer Dirk Bingener ist Vorsitzender des Vereins Freiwillige Soziale Dienste im Erzbistum Köln. Im Interview mit domradio.de schildert er den Stand der Dinge und wirft der Bundesregierung handwerkliche Fehler vor.

 (DR)

domradio.de: Bisher haben sich nur wenige Menschen für den Bundesfreiwilligendienst gemeldet. Wie sieht Ihre Erfahrung hier im Erzbistum aus ?

Pfarrer Bingener: Wir organisieren hier ja FSJ, das freiwillige soziale Jahr, und BFD, den Bundesfreiwilligendienst. Da stellen wir fest, dass die Zahlen im Hinblick auf die vermittelten Personen insgesamt etwas höher liegen als im vergangenen Jahr. Wir hätten schon erwartet, dass sich etwas mehr junge Leute sich zum BFD melden würden, aber es ist natürlich auch noch ein junger Dienst, der noch nicht wirklich bekannt ist. Ich glaube, es gibt da verschiedene Ursachen, warum der BFD jetzt noch nicht so gut angelaufen ist.



domradio.de: Woran liegt das denn, dass sich bis jetzt so wenige für diesen Dienst gemeldet haben?

Bingener: Einmal an klaren handwerklichen Fehlern der Bundesregierung, z.B. die Werbekampagne für den BFD hat erst vor drei Wochen begonnen, bei uns ist es aber so, dass sich Freiwillige im Januar, Februar, März, April entscheiden und dann schon wissen wollen, was sie mit dem Rest des Jahres oder nach dem Abitur oder nach der Berufsausbildung machen sollen. Das heißt, man hätte viel früher mit der Werbung beginnen müssen. Und das zweite ist: Die Rahmenbedingungen sind bis jetzt nicht klar, also was soll zum Beispiel eine Einsatzstelle ein Krankenhaus oder ein Altenheim kosten, was kostet denn überhaupt der BFD diese Einrichtungen. Also diese handwerklichen Fehler sind gemacht worden, weil das Gesetz mit heißer Nadel gestrickt wurde und man hatte eben auch den Eindruck, es geht gar nicht so sehr darum, diesen BFD gut zu installieren, sondern es geht darum, die alten Zivildienststrukturen zu retten, also das Bundesamt für Zivildienst. Und dadurch sind viele Fehler begangen worden, das ist das eine. Das andere ist: Ich bin deswegen gelassen, weil wir seit 30 Jahren das FSJ organisieren, und dieser Freiwilligendienst braucht wie alle Freiwilligendienste eine gewisse Zeit, bis er bei den Jugendlichen, bei der Bevölkerung angekommen ist. Dass jetzt auch über 27-jährige auf einmal einen Freiwilligendienst machen können, ist ja etwas sehr Positives, nur es braucht eine gewisse Zeit und man muss denen, die eine große Erfahrung haben, auch Zeit zur Installation des Dienstes geben. Und es müssen Anreize geschaffen werden.



domradio.de: Aber nun ist es ja so, dass der BFD nach der Abschaffung der Wehrpflicht den Zivildienst ersetzen soll, das schreiben zumindest die Agenturen. Und das tut er ja definitiv nicht, das heißt viele Stellen fallen derzeit weg oder bleiben unbesetzt. Wie verhält es sich damit?

Bingener: Man muss sagen: Der BFD kann nicht alleine die Zivildienststellen ersetzen. Der Zivildienst war ja ein Zwangsdienst und wir haben immer damit gerechnet - und ich glaube, jeder der ehrlich ist, auch in den Krankenhäusern, Altenheim usw., hat das gedacht  , dass der BFD nur ein Mosaikstein sein kann, um den Zivildienst zu ersetzen. Es braucht jetzt ein Bündel von Maßnahmen, um den Zivildienst zu ersetzen. Und ein Mosaikstein ist der BFD. Und worum es jetzt geht ist, wir müssen Werbung dafür machen, es braucht Anreize. Wenn ich keinen Zivildienst mehr machen muss, dann brauche ich Anreize, also man muss sagen: Wenn Du bei uns hier den Fahrdienst übernimmst, dann zahlen wir Dir natürlich den Führerschein. Oder: Wenn Du hier in unsere Dienststelle hineinschnupperst, dann ist vielleicht später ein Ausbildungsplatz für Dich drin. Oder man muss sagen: Es gibt natürlich wieder eine einheitliche Fahrkarte für alle Bundesfreiwilligendienste. Oder jemand, der einen BFD geleistet hat, der muss anschließend schnell einen Studienplatz bekommen, weil er etwas für die Gesellschaft getan hat. Also man muss eine Kultur entwickeln, in der diese Freiwilligkeit im Grunde genommen auch ein Stück weit belohnt wird. Das sind alles Fragen die noch vollkommen offen sind, die sind noch nicht geklärt und da müssen wir gemeinsam dran arbeiten. Und dann glaube ich auch, dass das mit ein bisschen Geduld auch etwas werden wird mit dem BFD.



domradio.de: Der BFD ist ja ohne Beschränkung, das heißt es können auch Menschen über 27 Jahren teilnehmen. Bisher endete das FSJ an dieser Altersgrenze. Gibt es überhaupt schon diese älteren Freiwilligen?

Bingener: Wir haben zwei, drei, vier Anfragen, und da entwickeln wir zur Zeit mit Trägern, die in der Erwachsenbildung sowieso tätig sind, Konzepte, wie man da diese Bildungsarbeit bewerkstelligen kann. Aber das muss sich erst noch entwickeln. Wenn wir in einem Jahr miteinander telefonieren werden, dann kann ich Ihnen schon Antworten darauf geben, wie es aussieht. Was hat denn jemand, der nach dem Berufsleben einen BFD macht, also jemand der ja in einer ganz anderen Situation steckt als ein junger Mensch, für Anforderungen an die Bildungsarbeit, also: Was ist dem wichtig, noch einmal neu zu lernen, oder welche Erfahrungen, die er im Krankenhaus gemacht hat, will er noch einmal neu reflektieren. Aber damit werden wir erst noch Erfahrungen machen müssen.

domradio.de: In einem Jahr können wir auf jeden Fall wieder telefonieren, Herr Bingener. Für Sie ist das aber alles kein Grund zur Panik, wenn ich Sie richtig verstehe?

Bingener: Nun, ich beklage schon ganz klar, dass die die Regierung ihre Hausaufgaben machen muss. Und da hätte man jetzt schon andere Zahlen im BFD haben können. Und das ist wirklich traurig, das muss ich klar sagen. Auf der anderen Seite braucht so etwas einfach Zeit und es braucht ein Bündel von Maßnahmen, um den Zivildienst aufzufangen. Man kann da nicht nur auf den BFD schauen. Das war von Anfang an auch nicht unsere Erwartung.