Entrüstung über Meisners Verbot multireligiöser Schulfeiern

"Neben- und nacheinander beten"

Der Erlass wirkt wie aus heiterem Himmel: An katholischen Schulen im Erzbistum Köln soll es nach dem Willen von Kardinal Joachim Meisner keine multireligiösen Feiern mehr geben. Wieso, weshalb, warum? Nicht nur die Suche nach dem Grund für dieses Verbot treibt Journalisten, Pädagogen und Politiker um. Auch die Frage, welche Feiern genau dem Erzbischof ein Dorn im Auge sind, zwingen dessen Presseamt zu Klarstellungen: Gegen Brauchtumsfeiern wie ein Adventssingen unter Beteiligung etwa muslimischer Kinder gibt es nichts einzuwenden. Was anderes ist es, wenn zu einem multireligiösen Schulgottesdienst geladen wird.

 (DR)

Von KNA-Redakteur Andreas Otto

Der Kontext des bischöflichen Vorgehens liegt in der Entwicklung Deutschlands zur einer multireligiösen Gesellschaft. In den Klassenzimmern sitzen eben nicht mehr nur Christine und Michael, sondern auch Achemd und Aische. Für manchen Schulleiter liegt es da nahe, seine Schulgemeinde nicht nur zum katholischen, evangelischen oder ökumenischen Gottesdienst zu laden, sondern zu einer religiösen Feier, die auch die Gläubigen anderer Religionen wie Muslime einbezieht. Dies bietet sich etwa dann an, wenn ein Jahrgang entlassen wird. Meisners Vorstoß hat vor allem - nicht nur - mit der Advents- und Weihnachtszeit zu tun. Nach Eindruck des Erzbistums kommt es gerade in diesen Wochen besonders oft zu multireligiösen Feiern, bei denen "manches durcheinandergeht".

Das Verbot hat einen breiten Sturm der Entrüstung ausgelöst:
Pfarrer und Religionslehrer verwahren sich gegen die Einmischung von oben, Politiker sprechen von einem kardinalen Schlag gegen die Integration und der Diskriminierung von Muslimen. Dabei hat die katholische Kirche generell nichts gegen multireligiöse Feiern. Das Modell dazu lieferte kein geringerer als der verstorbene Papst Johannes Paul II., der in geradezu revolutionärer Weise auf Weltebene ein solches Treffen initiierte. Am 27. Oktober 1986 versammelte er Vertreter völlig verschiedener Religionen in Assisi, die dort für den Frieden beteten. Dem Beobachter bot sich ein buntes Bild: Buddhisten mit orangen Gewändern, Indianer mit stattlichem Federschmuck, schwarze, violette oder purpurfarbene Talare christlicher Würdenträger - und der Papst in Weiß. Seine Vision: eine Weltgebetsbewegung für den Frieden ins Rollen zu bringen.

Dieses multirelgiöse Beten war keinesfalls unumstritten; Kritiker warnten vor "Religionsmengerei". Diesen Vorwurf des Synkretismus wies der Vatikan zurück: "Man kommt zusammen, um zu beten, aber nicht, um zusammen zu beten." Diese wie ein Wortspiel anmutende Formel markiert die engen Grenzen des gemeinsamen Betens. Nicht nur aus christlicher Sicht sind dazu ganz bestimmte Regeln zu beachten. Vor allem: Keinesfalls sprechen alle gemeinsam einen Gebetstext. Dieses "interreligiöse" Beten verbietet sich wegen der unterschiedlichen Gottesbilder und des damit unklaren Gebetsadressaten. Entsprechend kamen in Assisi die Religionsvertreter nacheinander zu Wort und äußerten sich gemäß ihrer Tradition.

Feiern und nicht Gottesdienste

Damit in der Praxis der Unterschied zwischen "interreligiösen"
und "multireligiösen" Feiern gewahrt bleibt, hat die Deutsche Bischofskonferenz 2003 Leitlinien herausgegeben. Die unter Meisners Federführung entstandene Handreichung schärft den Grundsatz ein, dass wie in Assisi auf gemeinsame Gebetstexte verzichtet wird. Es wird auch nicht von Gottesdiensten gesprochen, sondern nur von Feiern. Die gleiche Intention verfolgt das jüngst von der Evangelischen Kirche in Deutschland
(EKD) veröffentlichte Dokument "Klarheit und gute Nachbarschaft.
Christen und Muslime in Deutschland". Es warnt auch davor, dass christlich-muslimische Feiern als ökumenische Gottesdienste falsch verstanden werden. Es können aber Anlässe wie die Woche des christlich-islamischen Dialogs oder Unglücke geben, um gemeinsam "nebeneinander beziehunsgweise nacheinander" zu beten.

Im übrigen verweist die evangelische Kirche in ihrem Papier auf die Gefahr eines weiteren Missverständnisses: "Eine Situation, in der nebeneinander oder nacheinander gebetet wird, kann leicht als interreligiöses Beten wahrgenommen und gedeutet werden, bei dem die bestehenden grundlegenden Unterschiede nicht respektiert werden." Diese Befürchtung teilt der Kölner Kardinal mit Blick auf Kinder und Jugendliche - von daher sein neue Richtlinie. Die jungen Menschen überfordere es, "wenn sie in einer multireligiösen Feier etwa zwischen den unterschiedlichen Gottesbildern differenzieren müssen". Zunächst müssten sie in ihrer eigenen Religion "Halt und Heimat" finden. Damit nehme er auch die Muslime ernst und diskriminiere sie keinesfalls.

Meisner verteidigt sein Vorgehen als "Präzisierung" der Bischofskonferenz-Leitlinien; andere wie die Kirchenbeauftragte der Bundestags-Unionsfraktion, Ingrid Fischbach (CDU), betonen, die Schrift sehe multireligiöse Feiern an Schulen ausdrücklich vor. In der Handreichung wird allgemein festgestellt, dass sich multireligiöse Feiern zwar immer häufiger ergeben, aber "nach wie vor Ausnahmecharakter besitzen". Speziell mit Blick auf Schulen hält das Papier fest: "Die Schule stellt in mancher Hinsicht einen Sonderbereich dar, insofern das multikulturelle Zusammenleben und -arbeiten zum Alltag gehört, den es gemeinsam zu gestalten gilt." Das solle aber nicht "automatisch zu ausschließlich multireligiösen Feiern" führen, die nur als Werkzeug der Integration dienen sollten.

Auch die Bischofskonferenz sieht inzwischen Handlungsbedarf, wie eine Sprecherin auf Anfrage erklärte. Dort ist nicht verborgen geblieben, dass Weihnachtsgottesdienste mit Muslimen gefeiert werden, obwohl sie die Geburt Jesu als Gottessohn gar nicht mittragen können. Eine Arbeitsgruppe der Bischofskonferenz arbeitet deshalb derzeit an einer Neuauflage der Handreichung, die inzwischen gemachte Erfahrungen berücksichtigen und an einigen Stellen konkreter sein soll. Im nächsten Jahr soll die Neufassung erscheinen.