Warum Frauen Verliererinnen der Coronavirus-Pandemie sind

Schlecht ausgebildet und zu wenig Durchsetzungskraft

Corona und alte Rollenbilder scheinen beste Freunde zu sein: Frauen kümmern sich um Haushalt und Homeschooling, während Männer an der Karriere basteln. Eine katholische Unternehmerin und Personalberaterin blickt auf dieses Klischee.

Gestresste Mutter im Homeoffice / © FamVeld (shutterstock)
Gestresste Mutter im Homeoffice / © FamVeld ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Im Berufsleben gelten die Frauen als Verlierer. Sie sind oft in Kurzarbeit und Minijobs zu finden. Oder trotz Homeoffice leisten sie den Großteil der Familienarbeit. In den Führungsetagen behaupten sich dagegen weiter die Männer. In Deutschland geht man von einer Lohnlücke von 18 Prozent zwischen Männer und Frauen aus. Sie sagen, es liegt an der schlechten Ausbildung. Aber es gibt doch gut ausgebildete Frauen. Zum Beispiel liegt der Anteil der Frauen bei Hochschulabsolventen und -absolventinnen bei über 50 Prozent.

Maria Fischer (Geschäftsführende Gesellschafterin der Fischer Personalberatung und Mitglied im Bund katholischer Unternehmer): Richtig, aber nicht in den Top-Führungsetagen. Viele Ärztinnen heißt noch nicht viele Chefärztinnen. Das heißt, nach oben wird es immer noch eng. Das sind die beiden Bereiche, wo man hingucken muss.

Das eine sind, was Sie gerade gesagt haben, die top ausgebildeten Leute. Das andere sind die Bereiche, in denen weniger gut ausgebildete Leute tätig sind. Das sind zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Zum einen gibt es zunehmend Akademikerinnen, aber nach oben in den Führungsebenen gibt es davon nicht mehr so viele. Es gibt leider zu wenig Frauen, die sich für die sogenannten MINT-Fächer entscheiden. Also den gesamten naturwissenschaftlichen Bereich.

Dann gibt es wiederum die Bereiche, in denen Menschen tätig sind, die nicht diese breite akademische Ausbildung haben. Da gibt es sogenannte Frauenjobs. Da können sie gar nicht sagen, die Männer sind schlechter bezahlt, weil da gibt es nur Frauen. Also zum Beispiel im Verkauf, im Handel oder Reinigungsgewerbe arbeiten überwiegend Frauen. Diese sogenannten Frauenjobs sind grundsätzlich schlechter bezahlt.

DOMRADIO.DE: Aber wie erklären Sie das: Zu Hause am Herd stehen die Frauen und kochen. In der Profi-Küche schwingen die Männer den Kochlöffel. Oder: In den Jugendorchestern sind viele Mädchen vertreten. In den Profi-Orchestern sind es vor allem Männer. Das sind ja zwei Bereiche, die ja eigentlich typische Frauengebiete sind, trotzdem werden sie von Männern erobert.

Fischer: Man muss die Dinge auseinanderhalten: Das eine sind strukturelle, das andere psychologische Probleme. Je höher die Frauen die Karrierestufen klettern, desto anstrengender wird es für sie, egal ob das eine Musikerin, Ärztin, Juristin oder Wissenschaftlerin ist. Das heißt, ich muss mich prügeln, um es mal platt zu formulieren. Um den neuen Job, den nächsten Karriereschritt gegen die Konkurrenz zu schaffen oder ein höheres Gehalt zu verhandeln, muss ich mich ja auch durchsetzen.

Nach wie vor unterscheiden sich Frauen psychologisch in der Sache von Männern, die das eher machen als Frauen. Ob das jetzt genetisch ist oder durch die Erziehung bedingt ist, ist eine völlig andere Frage, aber es ist so. Diese Bereitschaft, sich auf diese Kämpfe einzulassen, ist bei Frauen unter- und bei Männern überrepräsentiert.

DOMRADIO.DE: Ich würde jetzt mal behaupten, dass Frauen auch andere Kämpfe ausfechten müssen. Ist das nicht die Angst der Arbeitgeber, dass die Frauen teurer seien, weil sie Kinder kriegen, und deshalb eher Männer einstellen?

Fischer: Das ist ein strukturelles Problem, das eng mit politischen Regelungen oder Unternehmensinteressen zusammenhängt. Das Unternehmen möchte möglicherweise Frauen seltener in Führungspositionen befördern. Es ist ja gar nicht so abwegig, dass das Unternehmen Angst davor hat, dass Frauen Kinder kriegen und deshalb ein anderes Gehalt zaht. Das haben wir ja jetzt in der Corona Krise gesehen. Wer fühlt sich verantwortlich für Kinder, Haushalt, funktionierende soziale Strukturen? Die Frauen.

Solange das so ist, ist das ja gar kein abwägendes Verhalten von Arbeitgebern. Ob das auf Dauer sinnvoll ist, weil sie damit die guten Frauen auch auf lange Sicht verlieren, ist eine andere Sache.

Ihnen geht es ja sicher darum, deutlich zu machen: Was kann ich persönlich tun, um für mein Fortkommen zu sorgen? Das ist eine individualpsychologische Sache. Wenn ich als Frau mir nicht früh genug überlege, wie ich mein Leben strukturiert kriege, damit ich auf Dauer in der Lage bin, einen anspruchsvollen Job durchzuziehen, dann wird das nix. Und dazu gehört die Frage: Welchen Ehepartner habe ich? So einfach ist das manchmal.

DOMRADIO.DE: Tja, den sucht man sich hoffentlich aber nicht nach seinem Job aus.

Fischer: Na ja, ich sag mal so: Die Frage ist ja, was will ich auf Dauer? Wenn ich zu spät über etwas nachdenke, dann ist der Zug oft schon abgefahren. Ich weiß, dass es nicht sehr gern gehört wird, aber es ist oft so. Sie können sich selber in Ihrem Umfeld mal angucken. Wenn Frauen bereit sind, einen Mann zu heiraten oder sich mit ihm zusammenzutun, und sie gemeinsam Kinder kriegen, ist es oft so, dass der Mann älter ist, dementsprechend schon beruflich weiter ist und höheres Gehalt hat. Und wer bleibt zu Hause und kümmert sich um die Kinder? Die Frau. Man glaubt das ja kaum, aber es ist ja immer noch so.

DOMRADIO.DE: Wie kann man denn daran etwas ändern? Gleiches Gehalt für gleiche Arbeit oder gleicher Zugang zu verantwortungsvollen Positionen kann eine Frau nicht im Alleingang ändern. Kann eine Frauenquote zum Beispiel helfen? Oder müssten wir Berufe in der Pflege oder Erziehung aufwerten?

Fischer: Natürlich, das ist ja jetzt in Corona auch nochmal deutlich geworden, was wirklich wichtig ist. Da muss einfach weiter politischer Druck ausgeübt werden. Jeder muss gucken, in welcher Partei er sich engagiert oder welche Partei er unterstützt und was diese tut. Wenn wir zum Beispiel gerade eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts haben, dass bei der Analyse, ob Gehälter gerecht sind oder nicht, die Beweislast beim Unternehmen und nicht beim Einzelnen liegt, ist das ein wesentlicher Schritt in die richtige Richtung.

Island ist weltweit das Land, das in Bezug darauf am weitesten fortgeschritten ist. Die geben ganz klare rechtliche Vorgaben, wie Gehälter strukturiert werden müssen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Frage, die politisch entschieden werden muss. Da muss man wirklich gucken, welche Partei sich um was kümmert.

DOMRADIO.DE: Sie haben ja Einblick in die Angebote, die Firmen ihren zukünftigen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen anbieten. Gibt es denn da Bereiche, wo Sie sagen können, da sind schon Gehalt und auch die Positionen angeglichen worden?

Fischer: Ja, im gesamten MINT-Bereich oder da, wo es zu wenig gute Leute gibt. Da werden Frauen genauso gut bezahlt. Das sind die ganzen Fächer Informatik, Mathematik, Physik, Ingenieurwesen im weitesten Sinne. Und das studieren leider zu wenig Frauen.

DOMRADIO.DE: Was raten Sie denn den Arbeitnehmerinnen, wenn es um die Gehaltsverhandlungen geht? Da haben Sie ja eben schon gesagt, da muss man auch entsprechend für kämpfen.

Fischer: Der erste Punkt ist immer: wissen, was Sache ist. Das heißt, sich informieren im Internet, bei Verbänden, Organisationen oder Gewerkschaften, was in der Branche üblicherweise an Gehalt für den Job gezahlt wird, den ich habe oder den ich anstrebe. Auch im eigenen Umfeld mit Kollegen und Kolleginnen sprechen, damit ich weiß, worüber ich rede.

Der zweite Punkt ist, die Frage, was ich meinem Arbeitgeber bringe? Was sind meine besonderen Fähigkeiten, die ich habe? Mein unic selling point.

Das sollte man möglichst vorher klären, auch mit einer anderen Person darüber diskutieren, die ein bisschen Ahnung davon hat und mich ein bisschen triggert, dass ich mich anstrengen muss, mich zu verkaufen. Erst dann sollte man in das Gespräch gehen, wenn man sich inhaltlich gut vorbereitet hat und so ein Gespräch geübt hat.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Quelle:
DR