Schwangerschaft und Geburt in der Corona-Krise

Beistand für die Gebärenden ist elementar

Schwangerschaften sind von Natur aus mit vielen Fragen und Ängsten verbunden. Die aktuelle Corona-Krise verschärft einige davon noch. Expertinnen berichten von Erfahrungen und erklären, wie wichtig nun Unterstützung ist.

Autor/in:
Johannes Senk
Schwangere mit Ultraschallbild / © Julia Steinbrecht (KNA)
Schwangere mit Ultraschallbild / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Für Frauen sind es wohl die tiefgreifendsten Erfahrungen ihres Lebens: Schwangerschaft und die Geburt des Kindes. Unabhängig davon, ob es sich nun um das erste Kind handelt oder nicht, bleiben es hoch emotionale Momente, die für die werdenden Mütter immer auch Sorgen und Nöte mit sich bringen. Zumal in der Corona-Krise.

Große Fragen und Belastung

"Gesellschaftliche Veränderungen spiegeln sich in der Regel sofort in unserer Arbeit wider", erklärt Regine Hölscher-Mulzer von der Schwangerschaftsberatung des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF). "Die momentane Situation bringt aber eine besonders große Belastung mit sich." Dementsprechend hätten sich auch die Anfragen an die Beratungsstellen geändert. Manche Schwangeren plagten Existenzängste, andere fürchteten sich vor allem vor einer Infektion.

Eine der Fragen, die sich bei den Schwangeren zurzeit aufdränge, sei die nach der Begleitperson bei der Entbindung. Wegen der Pandemie haben viele Krankenhäuser die Besuchsregelungen verschärft, unter anderem auch in den Kreißsälen. Partnern oder anderen Bezugspersonen ist es so teilweise nicht mehr möglich, die Mutter und das Neugeborene zu unterstützen.

Das mutet an wie eine Rückkehr in das vergangene Jahrhundert. Bis in die 1970er-Jahre war es eher unüblich, dass werdende Väter mit in den Kreißsaal kamen. Erst langsam begann danach ein Bewusstsein dafür zu entstehen, dass eine Geburt beide Elternteile gleichermaßen betreffen sollte und die Väter von Beginn an Unterstützung leisten müssten.

Eine Geburt betrifft beide Elternteile

Dies ist nach Ansicht von Hölscher-Mulzer auch elementar. Die nun drohende Aussicht, das Kind alleine auf die Welt bringen zu müssen, sorge bei vielen werdenden Müttern für zusätzliche Unsicherheit – was die Expertin auch auf die Berichterstattung zurückführt. "Die Situation ist regional sehr unterschiedlich. Die Frauen bekommen in Zeitung und Fernsehen oft nur mit, dass es diese Verbote gibt. Dabei kann es bei ihnen vor Ort ganz anders aussehen."

Auf der anderen Seite zeige sich dadurch aber auch, wie wichtig das Thema ist und für wie selbstverständlich die Anwesenheit der Partner im Kreißsaal genommen wurde. "Nun, da es unter Umständen nicht möglich sein könnte, ist das für die Frauen umso schockierender", so Hölscher-Mulzer.

Bindung von Familie und Kind

Ein Ausdruck dieser Beunruhigung ist ein zunehmendes Interesse an Hausgeburten, die hierzulande mit ein bis zwei Prozent der Geburten eher unüblich sind. Der Vorteil soll darin liegen, dass das gewohnte Umfeld bei Mutter und Neugeborenenem für mehr Entspannung sorge.

Barbara Blomeier, Vorsitzende des nordrhein-westfälischen Hebammenverbandes, hat langjährige Erfahrung mit Entbindungen im heimischen Umfeld. Sie weiß, dass jede Niederkunft in den eigenen vier Wänden unterschiedlich ist. "Das betrifft nicht nur die Gebärende, sondern auch die Reaktionen der anwesenden Angehörigen." Wichtig sei, dass es sofort einen Kontakt mit dem Neugeborenen gibt: "Was in den ersten Minuten und Stunden nach der Geburt passiert, ist unglaublich wichtig für die Bindung von Mutter und Kind, ebenso wie auch zur ganzen Kernfamilie", erklärt die Hebamme. Die häusliche Atmosphäre könne sich hier begünstigend auswirken.

Allerdings sollte dieser Schritt trotz allem wohlüberlegt sein. "Für eine Hausgeburt muss man sich bewusst entscheiden und nicht, weil es gerade das kleinere Übel ist", betont Blomeier. Die Hebammen führten deswegen mit Interessentinnen ausführliche Gespräche. "Wir wollen die Krise nun sicher nicht nutzen, um für Hausgeburten zu werben."

Hausgeburten als Möglichkeit

Zudem lasse sich eine Hausgeburt auch nicht ohne Weiteres kurzfristig durchführen. "Die komplette Ausrüstung zum Abnabeln des Kindes muss vorhanden sein, es muss Meldung bei Krankenkassen und Versicherungen gemacht werden, und die medizinische Notfallversorgung muss gewährleistet sein", erklärt Blomeier.

Corona-Krise hin oder her: Am wichtigsten ist es nach Meinung der Hebamme, generell dafür zu sorgen, dass schwangeren Frauen die Wahlfreiheit bliebe. "Sie sollten sich ohne Angst und auch ohne schlechtes Gewissen für die Art der Geburt entscheiden dürfen, bei der sie sich am wohlsten fühlen."


Eine Mutter liest ihren Kindern vor. / © Harald Oppitz (KNA)
Eine Mutter liest ihren Kindern vor. / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA