Seit mehr als 100 Jahren wird der Muttertag gefeiert

Blumen und Pralinen – die Begründerin hatte anderes im Sinn

Alle Jahre wieder die große Frage: Was verschenke ich zum Muttertag? Besonders beliebt sind Blumen, Pralinen und Selbstgebasteltes. Dabei ging es der Begründerin Anna Marie Jarvis um vieles – aber sicher nicht um Materielles.

Autor/in:
Anna Mertens
Sonntag ist Muttertag / © Patrick Pleul (dpa)
Sonntag ist Muttertag / © Patrick Pleul ( dpa )

Kinderlos und ledig: Die US-Amerikanerin Anna Marie Jarvis (1864-1948) hat als Begründerin des Muttertags diesen Tag wohl nie selbst feiern können. Im Andenken an ihre eigene Mutter Ann Maria Jarvis (1832-1905), die sich gemeinnütziger Arbeit verschrieben hatte, wollte Jarvis Anfang des 20. Jahrhunderts landesweit einen "Tag der Mutter" durchsetzen. Gemeinsam sollten Frauen Flagge zeigen für Solidarität, soziale Dienste und gegen Kriegseinsätze. Kein Tag des Schenkens, sondern ein Tag der Wohltätigkeit und des Pazifismus.

Den ersten "Muttertag" feierte die Tochter eines Methodistenpfarrers aus Grafton im US-Bundesstaat West Virginia mit anderen Frauen bereits 1907. Sie hatte die Damen am zweiten Maisonntag zu sich nach Hause eingeladen, um der Arbeit ihrer Mutter zu gedenken. Diese war zwei Jahre zuvor im Mai gestorben und hatte sich bereits in jungen Jahren für eine bessere medizinische Versorgung von Müttern und Kinder eingesetzt. In und nach dem Bürgerkrieg in den 1860er Jahren widmete sie sich zudem der Versorgung verwundeter Heimkehrer. Sie veranstaltete dafür sogenannte Mutter-Freundschaftstage, – doch einen landesweiten Muttertag konnte sie nicht verwirklichen.

Der erste Muttertag

Ihre Tochter, bestärkt durch das erste Gedenktreffen, schrieb in den folgenden Monaten an den Superintendenten der lokalen Methodistengemeinde. Sie bat ihn darum, im Andenken an die Arbeit ihrer Mutter für die Gemeinde im kommenden Jahr einen Gottesdienst zu halten. Dem Superintendenten gefiel die Idee. 1908 gab es am zweiten Maisonntag den ersten Gedenkgottesdienst zu Ehren der Mutter. Bis heute ist die Kirche in Grafton ein Denkmal und steht auf der nationalen Liste historischer Gebäude.

Aus dieser Veranstaltung heraus entstand die Idee, den Muttertag über Stadt- und Landesgrenzen hinaus als Gedenktag einzuführen. Der US-Kongress nahm sich des Vorschlags an, und die Mehrheit der Abgeordneten sprach sich dafür aus. Am 8. Mai 1914 unterzeichnete US-Präsident Woodrow Wilson die Resolution, die den zweiten Sonntag im Mai als Zeichen der Verehrung der Mutter als nationalen Feiertag festhielt.

Der Muttertag wird kommerzialisiert

Anna Jarvis hatte ihr Vorhaben mehr als erfolgreich durchgesetzt. Doch bereits wenige Jahre später überlagerte der Kommerz das ursprüngliche Ansinnen und verbitterte Jarvis. Der Handel machte sich den Muttertag zu Nutzen. Geschenke wie Blumen, Pralinen und Grußkarten wurden allerorts feilgeboten. Das Geschäft floriert bis heute.

Für Jarvis war die Kommerzialisierung mehr als schockierend. Sie kämpfte dagegen an – erfolglos. Sie organisierte Boykott-Veranstaltungen und versuchte, juristisch gegen die Entwicklung vorzugehen. 1925 randalierte und protestierte sie bei einem Spendentreffen der American War Mothers, die den Muttertag für ihre Spendensammlung nutzten, so dass sie festgenommen wurde. Mit ihrer Schwester verbrauchte Jarvis für den Kampf gegen den von ihr initiierten Feiertag das gesamte Familienerbe. 1948, kurz vor ihrem Tod, erzählte sie einem Reporter, sie bedauere, den Tag ins Leben gerufen zu haben.

#muttertagswunsch

Der Muttertag setzte sich weltweit als Tag des Schenkens durch. Auch in Deutschland, wo er seit 1923 am zweiten Maisonntag gefeiert wird, macht der Handel alljährlich ein großes Geschäft. Für den Einzelhandel ist es nach Angaben des zuständigen Bundesverbands neben Ostern das zweitgrößte Verkaufsereignis im Frühjahr.

Viele Mütter wünschen sich allerdings weniger Blumen und mehr politische Veränderungen. Wie der Hashtag #muttertagswunsch auf Twitter verdeutlicht, dringen Mütter etwa auf mehr Kinderkrankheitstage oder eine gesicherte Hebammenbetreuung. Ein Discounter erntet in diesem Jahr Ärger, weil er mit Bügeleisen, Saugroboter und Nähmaschine in seinem Muttertags-Sortiment warb. "Die Werbefuzzies leben offensichtlich immer noch in den 50er Jahren", so ein Kommentar.

Doch nicht nur der Kommerz wirft Schatten auf Jarvis' Erbe. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde im Deutschen Reich der Muttertag zu einer Feier der germanischen Rasse. Dafür wurde 1938 das sogenannte Mutterkreuz eingeführt. Die Auszeichnung in Bronze, Silber oder Gold wurde nach Anzahl der reinrassigen Kinder am Muttertag verliehen: je mehr Kinder, desto besser.


Quelle:
KNA