Höhere Beiträge für Kinderlose: Spahn bekommt Gegenwind

Ministerstreit um eine "schräge Idee"

Will Jens Spahn Kinderlose bestrafen? Der Minister fordert höhere Beiträge für sie in den Sozialversicherungen. Dafür bekommt er jetzt erheblichen Gegenwind.

Autor/in:
Christoph Arens
Familie mit Kind / © Sebastian Kahnert (dpa)
Familie mit Kind / © Sebastian Kahnert ( dpa )

Ob bewusst oder unbewusst: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat mit seinem Vorschlag, Kinderlose sollten in der Renten- und Pflegeversicherung höher belastet werden als Eltern, ein emotional aufgeladenes Thema auf die Tagesordnung gebracht.

Postwendend sprach sein Kabinettskollege, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), von einer "schrägen Idee". Spahn wolle Kinderlose bestrafen, zumal Kinderlosigkeit in vielen Fällen ungewollt sei. Am Wochenende bekam der CDU-Politiker weiteren Gegenwind aus Gewerkschaften und Sozialverbänden. Was ihm ganz recht sein dürfte, verschafft es ihm doch in der Konkurrenz um den CDU-Parteivorsitz Aufmerksamkeit und Profil. Spahn verteidigte seine Vorschläge in der "Bild".

"Selbst Kinderlos"

Der Minister hatte in einem Gastbeitrag für "Südwestpresse" und "Märkische Oderzeitung" einen höheren Beitrag für Kinderlose gefordert; das sei eine Gerechtigkeitsfrage. Er sage dies bewusst als "selbst Kinderloser", der bereit sei, finanziell mehr zur Zukunftsfähigkeit des Systems beizutragen, fügte der CDU-Politiker hinzu und berief sich dabei auch auf den Jesuiten Oswald von Nell-Breuning (1890-1991), der als einer der Väter der katholischen Soziallehre gilt.

Fest steht: Seit 2005 zahlen Kinderlose zwischen 23 und 64 Jahren einen Zuschlag von 0,25 Prozentpunkten in der Pflegeversicherung. Zum 1. Januar 2019 soll der Beitragssatz für Eltern auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens steigen, Beitragszahler ohne Kinder müssen dann 3,3 Prozent zahlen.

Eine Strafe?

Werden Kinderlose bestraft, wenn sie höhere Beiträge zahlen? Oder werden nicht vielmehr Eltern doppelt bestraft, wenn sie in den Sozialversicherungen ebenso hoch belastet werden und zugleich durch ihre Kinder und ihre Erziehungsleistung die Zukunft der Versicherungen garantieren? Darüber wogt ein langer Streit. 2001 verpflichtete das Bundesverfassungsgericht den Gesetzgeber, die Erziehungsleistung von Familien bei der Pflegeversicherung anzuerkennen und Eltern in der aktiven Familienphase zu entlasten.

Das solle auch für andere Sozialversicherungszweige überprüft werden. Das Wahlprogramm der Union 2005 schlug vor, dass auch bei der Rentenversicherung für Eltern ein ermäßigter Beitrag möglich werden sollte – was die SPD verhinderte.

Einer derjenigen, der das Verfassungsgerichtsurteil von 2001 maßgeblich mit erstritt, ist der frühere Darmstädter Sozialrichter Jürgen Borchert. "Wir haben das Bewusstsein dafür verloren, dass es ausschließlich die Kindergeneration ist, die für uns in Zukunft die Versorgung im Alter leistet", argumentiert er. Allein über Renten-, Pflege- und Krankenversicherung würden jährlich 120 Milliarden Euro von Familien hin zu Kinderlosen verteilt, berechnete er 2012.

Anspruch auf Unterstützung

Borcherts Vorstoß hatte allerdings nur begrenzt Erfolg. Denn das Bundessozialgericht entschied 2015 und 2017, dass Eltern in der Renten- und Krankenversicherung nicht unbedingt entlastet werden müssten. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung des Sozialversicherungsrechts einen weiten Spielraum. Am Wochenende argumentierte der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß, dass es in den Versicherungssystemen bereits viele Leistungen für Familien gebe – etwa die beitragsfreie Mitversicherung für Kinder in der Krankenversicherung, Mütterrenten und Kindererziehungszeiten in der Rente. Auch Weiß allerdings sprach sich für eine weitere Entlastung von Familien aus: Es wäre allerdings sinnvoller, Eltern eine Entlastung pro Kind zu geben, statt Kinderlose zusätzlich zu belasten.

Dagegen lehnen Gewerkschaften und Sozialverband VdK den Spahn-Vorschlag komplett ab. "Wer Kinder erzieht, hat Anspruch auf Unterstützung, keine Frage", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Aber das sei eine Aufgabe aller Steuerzahler.

Auch VdK-Präsidentin Verena Bentele forderte, den steuerfinanzierten Familienleistungsausgleich auszubauen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. "Höhere Einkommen von Kinderlosen können zielgerichteter über das Steuerrecht herangezogen werden, da dieses die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfasst."


Jens Spahn / © Bernd Von Jutrczenka (dpa)
Jens Spahn / © Bernd Von Jutrczenka ( dpa )

 Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister / © Ralf Hirschberger (dpa)
Hubertus Heil (SPD), Bundesarbeitsminister / © Ralf Hirschberger ( dpa )
Quelle:
KNA