US-Bürger scheuen den Gang zum Traualtar

Boom in Las Vegas, Flaute in den Kirchen

Immer weniger US-Pfarrer spielen beim Bund fürs Leben noch eine Rolle. Braut und Bräutigam verzichten zunehmend auf den Segen der Kirchen. Glaube und Religion sind offenbar nicht mehr so entscheidend für Jungvermählte.

Autor/in:
Thomas Spang
Ein Priester segnet ein Brautpaar in Middleburg (USA) / © Bob Roller (KNA)
Ein Priester segnet ein Brautpaar in Middleburg (USA) / © Bob Roller ( KNA )

Heiraten in Las Vegas hat Konjunktur. Rund 100.000 Ja-Worte geben sich Brautleute in der Spielerstadt in der Wüste von Nevada Jahr für Jahr. Die Eheringe werden in Casinos, auf Dachterrassen, in Gärten oder Ballsälen auf die Finger gesteckt – in Kirchen aber immer seltener.

Ein Trend, der die Kirchen beunruhigt. Geistliche geraten zunehmend an den Rand des Geschehens beim Start ins gemeinsame Leben. Konfetti-Regen und Cadillac-Fahrt behaupten sich klar gegenüber Altar und Gottes Segen. Die Säkularisierung des Eheversprechens schreitet voran. Kaum noch kommen Hochzeitsglocken zum Einsatz. Sie gehörten schon auf die Liste der gefährdeten Arten, stellt der "Religion News Service" ironisch, aber durchaus zutreffend fest. Das Phänomen ist belegbar.

Prozentsatz an kirchlichen Trauungen

In weniger als einem Jahrzehnt ist der Prozentsatz an kirchlichen Trauungen um fast die Hälfte geschrumpft. 2017 führten Geistliche nur noch bei 22 Prozent der Hochzeiten Regie.

Acht Jahre zuvor gaben noch 41 Prozent aller Brautpaare Kirche und Gemeinde den Vorzug vor einer rein weltlichen Vermählung. Zu der neuen Realität zählt auch der vermehrte Einsatz von Laien bei der Vermählungszeremonie. Gaben 2009 noch 29 Prozent der Paare die Ausrichtung der Feier in die Hände von Freunden oder Familienmitgliedern, stieg die Zahl für 2016 schon auf 43 Prozent an.

Werte und Beständigkeit verleihwn

Als Hauptgrund für den Rückgang kirchlicher Hochzeiten machen Experten einen allgemeinen Rückzug von religiösem Bekenntnis in Familien und Gesellschaft aus. Alle Untersuchungen der vergangenen Jahre belegen einen Aderlass bei Gottesdienstbesuchen und im Gemeindeleben; späte Folgen der 60er Jahre, als auf breiter Front traditionelle Rollenbilder der Geschlechter und Formen des Zusammenlebens in Frage gestellt wurden.

Kirchen sind die großen Verlierer dieser gesellschaftlichen Revolution, die bei vielen US-Amerikanern eher schleichend Lebensmuster verändert hat. So auch die Erwartung an hohe Mobilität in der modernen Arbeitswelt, die Menschen buchstäblich entwurzelt. Ohne Bezug zu einer Heimatgemeinde fehlt eine natürliche Bindung an die Kirche.

Dennoch bleibe die Ehe eine wichtige Einrichtung der Gesellschaft, glaubt der Religionskolumnist Jacob Lupfer: "Zivilehen mögen keinen heiligen Charakter haben. Aber starke, dauerhafte Verbindungen sind für unser gemeinsames Leben unerlässlich." Noch mehr, wenn Religion der Ehe Werte und Beständigkeit verleiht, "die weder Gesetz noch Kultur geben können".

Fehlt noch Geld?

Am Ende hat das Verschwinden der kirchlichen Hochzeit auch soziologische Gründe. Wer heute als Paar schon lange vor der Hochzeit zusammenlebt, versteht die Bedeutung der Ehe als Sakrament kaum noch. Fehlt dann noch Geld, wird der Gang zum Traualtar nicht mehr als notwendig verstanden.

Zu Jahresbeginn urteilte eine Studie des Pew Research Center, Heiraten werde immer mehr ein Privileg der Besserverdienenden. Tatsächlich lässt sich die Zahl der verheirateten US-Amerikaner deutlich entlang der Einkommensskala ablesen. Pew ermittelte eine direkte Verbindung zwischen einem guten Einkommen und einer hohen Heiratsquote.

2015 befand sich nur ein Viertel der Geringverdiener im Bund für das Leben – während 56 Prozent der Mittel- und Oberschicht als Mann und Frau gemeldet waren. Noch in den 70er Jahren gab es keinerlei Heiratsgefälle zwischen Armen und Reichen.


Quelle:
KNA