Diskussion um wiederverheiratete Geschiedene

Einzelfall-Denken

Das Bistum Rom lässt Geschiedene in Einzelfällen zur Kommunion zu. Das geht wohl aus einem Vortrag von Kardinalvikar Agostini Vallini hervor. Eine allgemeine Zulassung zu dem Sakrament sei damit aber nicht verbunden. 

Amoris Laetitia / © Cristian Gennari (KNA)
Amoris Laetitia / © Cristian Gennari ( KNA )

Im Bistum Rom können wiederverheiratete Geschiedene in bestimmten Einzelfällen jetzt die Kommunion empfangen. Das geht aus Richtlinien von Kardinalvikar Agostino Vallini zur Anwendung des päpstlichen Schreibens "Amoris laetitia" hervor, aus denen das Internetportal "Vatican Insider" am Samstag zitierte. Hierbei müssten die Priester übermäßige Strenge ebenso wie Laxheit vermeiden, so Vallini. Katholiken, die nach einer Scheidung erneut standesamtlich geheiratet haben, könnten dies jedoch nicht als Recht einfordern.

Franziskus habe in seinem Schreiben keineswegs gesagt, wiederverheiratete Geschiedene müssten die Kommunion bekommen. Er habe nur nicht ausgeschlossen, dass dies in bestimmten Fällen und unter bestimmten Bedingungen möglich sei, betonte der Kardinal. Die Aussagen Vallinis stammen laut "Vatican Insider" aus einem Vortrag, den er bereits im September vor Priestern seines Bistums gehalten hatte. Vallini ist der Stellvertreter von Papst Franziskus als Bischof von Rom.

"Delikate Frage"

Die Frage nach der Zulassung von wiederverheirateten Geschiedenen zu den Sakramenten von Beichte und Eucharistie ist eine Frage des Weges, eines "wirklichen Prozesses der Unterscheidung", so Kardinal Lorenzo Baldisseri, Generalsekretär der Bischofssynode und damit Organisator der Versammlungen zum Thema Ehe und Familie 2014 und 2015 in einem Vortrag bei einer Konferenz in Civitavecchia, Mitte der Woche. Er sprach von einer "delikaten Frage", wie die Vatikanzeitung Osservatore Romano berichtet:

Im Sinne des päpstlichen Schreibens würden die Normen der Kirche nicht angepasst oder den Umständen nach verändert, so der Kardinal. Dennoch: "Einzelne Situationen müssen in ihrer jeweiligen Eigenheit in die Unterscheidung einbezogen werden."   Ziel müsse die Integration in das Leben der Kirche sein, "nach den Möglichkeiten, dem zurück gelegten Weg und den Möglichkeiten jedes Einzelnen." Diesem Einzelfall-Denken entspreche auch das Verhalten der Seelsorger, so der Kardinal, jedem und jeder müsse einzeln begegnet werden, es seien keine „trockenen theologischen order formalen Fragen“, solche würden den Menschen nicht gerecht.

Zulassung nur nach Annullierung

Eine offizielle Zulassung zu dem Sakrament soll im Bistum Rom laut Kardinal Vallini nur dann möglich sein, wenn eine Nichtigkeitserklärung der ersten Ehe durch ein kirchliches Gericht nicht möglich ist. Dies ist zuvor durch das Gericht zu klären. Der zuständige Pfarrer soll die betreffenden Paare nach dem Willen Vallinis zunächst dazu ermutigen, die Gültigkeit ihrer Ehe von einem Gericht klären zu lassen. Sollte sich ein Prozess als undurchführbar erweisen, sei die seelsorgerische Initiative des Pfarrers nötig. Sie müsse dem Grundsatz folgen, dass die Person vor dem Gesetz komme.

Hierbei müsse der Priester jeden Einzelfall sorgfältig prüfen und die jeweilige Situationen unterscheiden. Hierzu seien regelmäßige Gespräche mit den Betroffenen nötig, um sich der "Reife des Gewissens" und ihrer Reue zu vergewissern.

Offizielle Anzweifelungen

Das Schreiben "Amoris laetitia" von April 2016 hatte eine Debatte über den Umgang mit Katholiken ausgelöst, die nach einer Scheidung auf dem Standesamt erneut geheiratet haben. Strittig ist, ob sie in Ausnahmefällen zu Kommunion und Beichte zugelassen sind. Franziskus hatte in einer Fußnote von "Amoris laetitia" geschrieben, dass wiederverheiratete Geschiedene in bestimmten Fällen auch die Sakramente erhalten könnten; eine Erläuterung dazu gab er trotz wiederholter Nachfrage nicht.

Ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte die Debatte im November mit der Veröffentlichung eines Briefs von vier Kardinälen. Die Unterzeichner, darunter die deutschen Kardinäle Joachim Meisner und Walter Brandmüller, forderten darin vom Papst mehr Klarheit. Nachdem Franziskus auf ihr Schreiben nicht geantwortet hatte, machten die Kardinäle den Vorgang öffentlich. Dies wurde von einigen als illoyal kritisiert, von anderen als legitime Anfrage begrüßt.


Quelle:
rv , KNA