Debatte über Papstschreiben und Geschiedene hält an

Dürfen sie nun - oder nicht?

In der katholischen Kirche wird weiter über die Folgen der Familiensynode diskutiert - auch ein Jahr nach dem Weltbischofstreffen im vergangenen Herbst. Auslöser ist eine scheinbar einfache Fußnote des Papstes.

Autor/in:
Inga Kilian
Kommunion (dpa)
Kommunion / ( dpa )

Ein Jahr ist es her, dass Bischöfe aus aller Welt im Vatikan über Ehe und Familie beraten haben. Im April veröffentlichte Rom die Ergebnisse der Familiensynode im Papstschreiben "Amoris laetitia". Doch die Debatte darüber hält an. Selten wurde ein päpstliches Schreiben innerkirchlich so kontrovers diskutiert. Es geht vor allem um eine konkrete Frage: Dürfen wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zugelassen werden, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?

Auslöser der Debatte ist Fußnote Nummer 351. Darin heißt es, wiederverheiratete Geschiedene könnten in einigen Fällen auch die "Hilfe der Sakramente" in Anspruch nehmen. Dies ist die einzige Stelle in "Amoris laetitia", die sich auf einen etwaigen Kommunionempfang des Personenkreises bezieht. Zumindest dem Wortlaut nach kann man das als Neuerung verstehen: Künftig müssten wiederverheiratete Geschiedene demnach in ihrer zweiten Verbindung nicht mehr sexuell enthaltsam leben, um die Kommunion empfangen zu können, wie es bislang gültige Lehre war.

Kardinal Marx: Tür geöffnet

Kritiker wie der italienische Kardinal Carlo Caffarra argumentieren allerdings, man könne die kirchliche Lehre der vergangenen Jahrhunderte nicht mit einer einzigen Fußnote über Bord werfen. Wenn der Papst dies hätte tun wollen, so Caffarra, hätte er eine klare Ansage machen müssen. So jedoch schaffe er nur Unklarheit. In diesem Fall aber gelte die Praxis, dass im Zweifel die bisherige Lehre Richtschnur für die Interpretation sei.

Gegen diese Sichtweise wandte sich der Wiener Kardinal Christoph Schönborn. Die bisherige Lehre müsse auch im Lichte von "Amoris laetitia" gelesen werden, betonte er. Zugleich bekräftigte er, dass Franziskus wiederverheirateten Geschiedenen den Kommunionempfang im Einzelfall möglich mache.

Die Bischöfe in Deutschland betonten bei ihrer Herbstvollversammlung im September in Fulda, man wolle das Papstschreiben "Amoris laetitia" einmütig umsetzen. Ein gemeinsames Schreiben mit Ausführungsbestimmungen sei aber nicht geplant. Zur Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Voraussetzungen auch wieder zur Kommunion gehen dürfen, sagte der Konferenz-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx, natürlich habe sich hier "die Tür geöffnet".

Kurienkardinal Kasper: Aufbruch in der Familienseelsorge

Mit "Amoris laetitia" sei der Anspruch an die Seelsorge gestiegen, betonte Marx auch bei einem Vortrag am Dienstagabend in Belgien. Diese dürfe sich weder in einem Rigorismus üben, "der unbesehen allen die gleichen hohen Anforderungen auferlegt, noch darf sie sich auf einen Stil des 'laissez-faire' zurückziehen, der den Menschen letztlich nichts mehr zu sagen hat". Sie solle "die Menschen einladen und, soweit es die jeweilige Situation und der Wille der jeweiligen Person zulassen, mit hineinnehmen in das pilgernde Volk Gottes, das selbst unterwegs ist".

Der langjährige Kurienkardinal Walter Kasper warb in der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" (November) für einen Aufbruch in der Familienseelsorge. Dabei müsse es vor allem um die Ehevorbereitung gehen. Kasper wies den Vorwurf zurück, Franziskus habe mit der lehramtlichen Tradition gebrochen. "Amoris laetitia" gebe "kein Jota der traditionellen Lehre der Kirche auf", verändere jedoch alles, "indem es die traditionelle Lehre in eine neue Perspektive stellt".

Franziskus verweist auf Kardinale Schönborn

Franziskus selbst antwortete auf die Frage, ob sein Schreiben konkrete Neuerungen in Sachen Sakramentenempfang für wiederverheiratete Geschiedene bringe: "Ich könnte sagen 'ja' und Punkt. Aber das wäre eine zu kleine Antwort." Man solle lieber die Ausführungen von Kardinal Schönborn über "Amoris laetitia" lesen.

Bleibt schließlich eine Frage: Warum hat Franziskus eine derart entscheidende Aussage in einer Fußnote versteckt? Der Papst selbst antwortete darauf: "Ich erinnere mich nicht an diese Fußnote." Aufschlussreich ist womöglich die Äußerung eines Vertrauten von Franziskus, Erzbischof Bruno Forte. Franziskus habe ihm für das Abschlusspapier der Bischofssynode aufgetragen, den Kommunionempfang für Wiederverheiratete nicht direkt anzusprechen, zitierten italienische Medien Forte. Die Schlussfolgerungen daraus ziehe dann er, der Papst. Fortes Kommentar: "Typisch jesuitisch".


Quelle:
KNA