Studie: Immer mehr Kinder leben von Hartz IV

Armutsrisko für Alleinerziehende

Trotz einer florierenden Wirtschaft in Deutschland wächst die Zahl der Kinder, die in Armut leben. Fast zwei Millionen Kinder sind auf Hartz IV angewiesen. Sozialleistungen zu bekommen, ist für die meisten ein Dauerzustand.

Eine Mutter mit ihrem Sohn / © Marcel Kusch (dpa)
Eine Mutter mit ihrem Sohn / © Marcel Kusch ( dpa )

Fast zwei Millionen Jungen und Mädchen wachsen heute in Familien auf, die von staatlicher Grundsicherung leben, wie die Bertelsmann Stiftung bei der Vorstellung einer neuen Studie am Montag in Gütersloh erklärte.

Studie: Arme Kinder haben häufiger Probleme auf Bildungsweg

"Je länger Kinder in Armut leben, desto gravierender sind die Folgen", sagte Anette Stein, Familienpolitik-Expertin der Bertelsmann-Stiftung. So zeige die Auswertung einer Vielzahl von Studien der vergangenen Jahrzehnte zum Thema, dass arme Kinder sozial isolierter aufwachsen, gesundheitliche Nachteile haben und häufiger Probleme auf ihrem Bildungsweg haben als Altersgenossen, deren Eltern keine finanziellen Sorgen haben.

Das höchste Armutsrisiko hat den Daten zufolge der Nachwuchs von Alleinerziehenden oder aus kinderreichen Familien. Mit fast einer Million wächst mehr als die Hälfte aller Kinder im Hartz-IV-Bezug bei nur einem Elternteil auf, meist der Mutter. 36 Prozent leben mit zwei oder mehr Geschwistern.

Reform der Grundsicherung für Kinder gefordert

Die Bertelsmann Stiftung forderte eine Reform der Grundsicherung für Kinder. Die Unterstützung in Deutschland müsse komplett neu gedacht werden und sich am tatsächlichen Bedarf von Kindern und Jugendlichen orientieren, sagte der Stiftungsvorstand Jörg Dräger.

Nur so könne Kinderarmut wirksam bekämpft werden. In neun von 16 Bundesländern sei der Anteil von Kindern in staatlicher Grundsicherung zwischen 2011 und 2015 gestiegen, hieß es.

Am stärksten nahm die Quote in Bremen zu, sie stieg auf 31,6 Prozent (plus 2,8 Prozentpunkte), gefolgt vom Saarland auf 17,6 Prozent (plus 2,6 Prozentpunkte) und Nordrhein-Westfalen auf 18,6 Prozent (plus 1,6 Prozentpunkte).

Anstieg im Westen

Im Westen stieg die Kinderarmut der Studie zufolge von 12,4 Prozent im Jahr 2011 auf 13,2 Prozent im Jahr 2015. In Ostdeutschland sei die Quote im gleichen Zeitraum zwar von 24 auf 21,6 Prozent gesunken, bleibe damit aber auf hohem Niveau, hieß es. Die Daten basieren auf eigenen Berechnungen der Bertelsmann Stiftung auf der Grundlage der Statistik der Bundesagentur für Arbeit.

Kinderarmut ist dabei ein Problem, das in Städten erheblich stärker ausgeprägt ist als in ländlicheren Regionen, wie die Experten hervorheben. Darin spiegelten sich auch die wirtschaftliche Lage, etwa ein generelles Nord-Süd-Gefälle, sowie strukturelle Probleme innerhalb der Länder. So gibt es Städte, in denen mehr als jedes dritte Kind in einer Familie aufwächst, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen ist.

Beim Negativspitzenreiter Bremerhaven liegt die Quote den Berechnungen zufolge bei 40,5 Prozent. Es folgen Gelsenkirchen (38,5 Prozent), Offenbach (34,5 Prozent), Halle (33,4 Prozent), Essen (32,6 Prozent) und Berlin (32,2 Prozent). Bayern und Baden-Württemberg haben mit 6,8 Prozent bzw. 8,0 Prozent die niedrigsten Anteile in ganz Deutschland. Zum Vergleich: In Berlin ist fast jedes dritte Kind von Sozialleistungen abhängig.


Quelle:
dpa , epd