Warum standesamtlich wieder vermehrt geheiratet wird, aber nicht kirchlich

Zivile Ehe "Ja", kirchlich "Nein"

Es trauen sich mehr - zumindest zivil: In NRW ist die Zahl der standesamtlichen Trauungen so hoch wie seit zehn Jahre nicht mehr. Auf kirchlicher Seite ist die Tendenz jedoch rückläufig. Der Versuch einer Erklärung, warum sich dort nicht getraut wird.

Religiöse oder staatliche Trauung? / © Patrick Pleul (dpa)
Religiöse oder staatliche Trauung? / © Patrick Pleul ( dpa )

domradio.de: Vor dem Standesamt heiraten immer mehr Menschen, wie sieht das auf kirchlicher Seite aus?

Dipl.-Theol. Hans Herbert Hölsbeck (Leiter der Zentralabteilung Kirchenrecht im Bistum Essen): Für die katholische Kirche können wir den Trend nicht verzeichnen. Da muss man vom Gegenteil sprechen. In den 1990ern hatten wir bundesweit um 110.000 katholische Eheschließungen und 2013 noch 43.700.

domradio.de: Woran könnte das liegen?

Hölsbeck: Ein Grund ist sicherlich das gestiegene Heiratsalter. Die Menschen sind also erfahrener und bedauerlicherweise auch erfahren mit gescheiterten Beziehungen. Das macht nicht unbedingt Lust, sich vorbehaltslos in eine katholische Eheschließung zu begeben.

Die Zahl der standesamtlich Geschiedenen ist auch deutlich gestiegen. Unter denen sind natürlich etliche, die dadurch nicht ohne Weiteres für eine katholische Eheschließung zur Verfügung stehen, weil erst geprüft werden muss, ob eine zweite Ehe möglich ist.

domradio.de: Und wie ist das bei den jungen Leuten, die heiraten möchten?

Hölsbeck: Ja, schauen wir auf die, die weder schon verheiratet waren noch besonders ängstlich sind und die heiraten möchten. Da bewegen wir uns als Kirche mittlerweile in einem Umfeld, in dem eine Vielzahl von professionellen attraktiven Angeboten für die Brautleute auf dem Markt ist. Es gibt Ritualdesigner, die sehr individuell auf die Wünsche der Menschen eingehen und eine Feiergestaltung zur Verfügung stellen, die für viele Menschen so beim katholischen Ritus nicht erkennbar ist.

domradio.de: Also steht der Event im Vordergrund, nicht das Sakrament?

Hölsbeck: Nach meiner Erfahrung gibt es einen Trend hin zur Individualisierung. Die konkrete Feiergestalt, der Ritus, da bringen die Leute mittlerweile viel mehr eigene Ideen ein. Da kommen teilweise sehr ausgefallene Ideen und Musikwünsche. Ich glaube aber schon, dass sehr viele Menschen darunter sind, die ganz bewusst an die Kirche herantreten, weil sie verstanden haben, was da passiert. Diese Feier ist nicht nur ein öffentlichen Liebesbekenntnis, sondern ein Versprechen, das über das hinausweist, was da gerade zwischen den beiden Menschen stattfindet. Ein Bund, der mit Gott geschlossen werden soll. Ein Kollege hat mal gesagt: "Wer das Wesen der Ehe erkannt hat, der fürchtet sich davor." Denn diese Fragen, was so eine Ehe wirklich bedeutet, wie tief dieser Schritt in das Leben eingreift, auch welche Verpflichtungen entstehen, diese Fragen werden in der Ehevorbereitung Thema.

Wir hatten hier im Bistum Essen 2012 eine Familienkampagne mit dem Motto "Bindung macht stark". Da haben wir gesehen, dass durchaus Verlässlichkeit und Verbindlichkeit im Leben und das Empfinden der Transzendenz Dinge sind, die gesucht und gewollt werden.

domradio.de: Im Erzbistum Köln zum Beispiel sind die kirchlichen Trauungen angestiegen. Es gibt das Onlineangebot "meinetraukirche.de". Muss Kirche kreativ werden im Wettbewerb?

Hölsbeck: Dieses Portal ist eine prima Idee. Bei uns im Bistum gibt es auch die konkrete Planung, eine zentrale Servicestelle einzurichten, die Menschen, die heiraten wollen, viel konkrete Hilfe und Beratung mit möglichst wenig Verwaltung und Formalismus bietet. Im Rahmen unseres Glaubens und unserer Möglichkeiten wollen wir da Gestaltungsfreiräume eröffnen. Die Bedürfnisse und der Wunsch sind ja weiterhin vorhanden, wenn auch bestimmt nicht mehr in der Masse wie in früheren Zeiten. Die Welt ist bunter geworden.

domradio.de: Welche Rolle spielen denn prominente katholische Eheschließungen, wie die von Daniela Katzenberger oder Sebastian Schweinsteiger?

Hölsbeck: Die Medienhochzeiten sprechen ja eine gewisse Sentimentalität an, das ist gar nicht schlecht. Man muss dann aber wirklich noch einmal tiefer fragen, ob es über das gute Gefühl, die Rührung und eine gelungene Feier hinausgeht. Ob wir wirklich diese Feier mit Gott verbinden. Dann sind solche Hochzeiten durchaus Anstöße, tiefer zu gehen.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR