Kirchenrechtler erwarten keine Zunahme bei Eheannulierungen

Irrationale Vorbehalte

Das vereinfachte Verfahren zur Annullierung einer katholischen Ehe wird in Deutschland nach Einschätzung von Fachleuten kaum Auswirkungen haben. Der Weg der Nichtigkeitserklärung habe aus Sicht der Gläubigen keinen guten Ruf.

Symbolbild Scheidung (epd)
Symbolbild Scheidung / ( epd )

Das sagte der Münsteraner Kirchenrechtler Klaus Lüdicke am Donnerstag in Augsburg. Viele empfänden dies als "Leugnung der gelebten Vergangenheit". Der Münchner Kanonist Elmar Güthoff nannte die Verfahren ein gutes Hilfsmittel der Kirche. Die Vorbehalte dagegen seien "irrationaler Art". Beide äußerten sich bei der Konferenz "De Processibus Matrimonialibus" (Von den Eheverfahren).

Franziskus hatte das Verfahren vereinfacht

Papst Franziskus hatte im September das kirchenrechtliche Verfahren für die Überprüfung der Gültigkeit von Heiraten vereinfacht. Katholische Paare können ihre Verbindung künftig schneller und unkomplizierter annullieren lassen. So fällt zum Beispiel die bisherige zweite Instanz weg. Nach katholischer Lehre ist die Ehe etwa ungültig, wenn sie unter Zwang geschlossen wird oder der Wille zum Kind fehlt. Zerbricht die Beziehung, kann die Kirche feststellen, dass sie von Anfang an "nichtig" war; die Ex-Partner sind also frei, erneut zu heiraten.

Lüdicke betonte in einem Vortrag, die Neuregelung gehe von einem positiven Menschenbild aus, das nicht mehr von Misstrauen bestimmt sei. Papst Franziskus sei sich indes im Klaren, dass durch das verkürzte Verfahren das Prinzip der Unauflöslichkeit der Ehe infrage gestellt werde. "Ich glaube, dass Franziskus dieses Risiko bewusst in Kauf nimmt", fügte der emeritierte Professor der Uni Münster hinzu.

Die Kirche lasse zu, dass sie "um der Ehrlichen willen von einigen Unehrlichen hinters Licht geführt wird". Lüdicke bezog sich auf die von vielen Fachkollegen geteilte Einschätzung, dass künftig auch Ehen annulliert werden, die rechtmäßig waren.

Zweifel am Bewusstseinswandel

Im Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte Güthoff, die Reform ziele in erster Linie darauf, Bedeutung und Transparenz von Ehenichtigkeitsverfahren für betroffene Paare aufzuzeigen. Er bezweifle allerdings, dass mit der Änderung des Prozessrechts ein Bewusstseinswandel eintrete. "Dieser wäre hier das A und O." Er persönlich könne nur alle ermuntern, die in einer entsprechenden Situation sind, ein solches Verfahren anzugehen, fügte Güthoff hinzu.

An der zweitägigen, von Güthoff organisierten Konferenz nehmen über 100 Fachleute von Universitäten, Behörden und Kirchengerichten teil. Die Präsidentin der Uni Augsburg, Sabine Doering-Manteuffel, würdigte zum Auftakt die Neuerungen des Kirchenrechts durch Papst Franziskus. Er sei ein "wichtiger Fürsprecher für die Weiterentwicklung des Rechts" und gebe in vielen Bereichen neue Denkanstöße. Doering-Manteuffel zeigte sich zugleich überrascht, "wie viele unterschiedliche Meinungen und Deutungen es auch innerhalb der katholischen Kirche zur Auslegung der Ehe und des Ehesakraments gibt".


Quelle:
KNA