Kölner Kirchenrichter Prälat Assenmacher zum verkürzten Eheverfahren

"Eine gewisse Flexibilität ist jetzt gegeben"

Papst Franziskus hat am Dienstag die kirchlichen Ehenichtigkeitsverfahren vereinfacht und verkürzt. Eine gemischte Bilanz zieht der Leiter der Kirchengerichte in Köln und Essen, Prälat Dr. Günter Assenmacher, im domradio.de-Interview.

Zerrissenes Hochzeitsfoto (epd)
Zerrissenes Hochzeitsfoto / ( epd )

domradio.de: Papst Franziskus hat das Verfahren, eine Ehe zu annullieren, vereinfacht. Was genau hat sich geändert?

Prälat Dr. Günter Assenmacher: Nach der ersten Lektüre des umfangreichen Dokumentes sehe ich drei wesentliche Punkte, die sich geändert haben. Da ist zunächst einmal der Wegfall der bislang obligatorischen zweitinstanzlichen Bestätigung aller positiven Urteile. Dass das Vorschrift war, signalisiert das große Gewicht, dass die Kirche der gültig geschlossenen Ehe gibt, und dass die Annullierung einer solchen Ehe die Ausnahme sein und bleiben muss. Jetzt ist es so: Wenn in einer Instanz ein positives Urteil ergeht, und weder eine der Parteien noch der Eheband-Verteidiger oder der Kirchenanwalt Berufung bei der höheren Instanz einlegt, wird dies nach der vorgesehenen Frist gleich vollstreckbar. Das ist eine große zeitliche Ersparnis für die Parteien. Sonst hätte eine zweite Runde gedreht werden müssen.

Die zweite wesentliche Neuerung besteht darin, dass es die Möglichkeit eines Einzelrichters gibt. Dies ist eine Ausnahmeregelung von dem bisher vorgeschriebenen Kollegial-Gericht. Beim Kollegial-Gericht müssen immer drei Personen über eine Sache urteilen. Wo ein solches Gericht nicht gebildet werden kann, besteht nun die Möglichkeit eines Einzelrichters. Dieser Einzelrichter muss jedoch immer ein Geistlicher sein und von zwei Assessoren beraten werden, die aber nicht zwingend die Befähigung zum Richteramt haben müssen.

Die dritte – und vielleicht überraschendste – Neuerung besteht darin, dass die Bischöfe aufgefordert werden, unmittelbar als Richter tätig zu sein. Das soll sich vor allem in sogenannten Kurzverfahren wiederspiegeln, wenn beide Parteien damit einverstanden sind, dass dieses Kurzverfahren durchgeführt wird. Ich halte es allerdings für sehr schwierig, dass dann die Evidenz des Beweises gegeben ist. Man wird sehen, wie sich die Bischöfe verhalten.

domradio.de: Was bedeutet diese Reform zur Ehe-Annullierung für Ihre Arbeit als Offizial hier in Köln?

Prälat Dr. Günter Assenmacher: Für uns bedeutet das zunächst einmal - negativ gesprochen - den Wegfall des halben Arbeitspensums. Das erklärt sich dadurch, dass bislang alle positiven Urteile aus der Kirchenprovinz oder diejenigen, gegen die die Parteien Einspruch erhoben hatten, bei uns vorgelegt werden mussten. Das war der Zahl nach etwa die Hälfte unseres Arbeitsumfangs. Ich sage deswegen "der Zahl nach", weil normalerweise für diese Bestätigung nur ein Kurzverfahren anzuwenden ist. Insofern kann man es nicht genau auf Fifty-fifty beziffern, aber es bedeutet schon eine Umstellung unserer Arbeit. Positiv betrachtet können wir uns auf die Fälle aus dem Erzbistum konzentrieren und diese beschleunigt bearbeiten.

domradio.de: Vatikanbeobachter sehen in der vorliegenden Neuerung eine Stärkung der Ortskirchen und damit einen wichtigen Schritt in den von Franziskus durchzuführenden Reformen. Heißt das, dass jetzt von Diözese zu Diözese eventuell unterschiedlich entschieden und gewertet wird?

Prälat Dr. Günter Assenmacher: Das wäre natürlich, wenn es über einen bestimmten Rahmen des Diskutablen hinausginge, eine Katastrophe. Ich glaube aber, dass das gar nicht intendiert ist. Es ist mit dem Dokument eine gewisse Flexibilität gegeben, die die einzelnen Ortskirchen jetzt nach ihren Notwendigkeiten und Möglichkeiten ausnutzen können. Aber eine Diversifizierung der Rechtsprechung darf natürlich nicht die Folge sein. Man darf nicht anderswo etwas bekommen, das man sonst nicht bekommt. Das dient nicht der Einheit der Kirche, wenn man diese wahren will.

domradio.de: Kritik kommt aber von einigen Pastoraltheologen. Eine Erleichterung der Eheannullierung sei ein Eingeständnis eines pastoralen Versagens, was die Ehevorbereitung angeht. Wie sehen Sie das?

Prälat Dr. Günter Assenmacher: Man darf das eine nicht gegen das andere halten. Die Ehevorbereitung ist eine sehr wichtige Sache, in die man nicht genug investieren kann. Das hat schon einer meiner Kollegen aus Münster, Domkapitular Wesemann, vor vielen Jahren gesagt. Er meinte, dass für jede D-Mark, die man für das Ehegericht ausgebe, zehn Mark für die Ehevorbereitung ausgegeben werden solle. Damals gab es noch die Währung der Deutschen Mark. Die Grundlage, die man in der Ehevorbereitung schafft, kommt einem lebenslangen Prozess zugute, gegen den wir unsere Arbeit gar nicht aufrechnen möchten.

domradio.de: Was glauben Sie, was wird diese Reform des Papstes darüber hinaus für weitere Folgen haben?

Prälat Dr. Günter Assenmacher: Das kann ich schwer abschätzen. Es ist natürlich so, dass im Augenblick der Fokus der Öffentlichkeit auf dieser Neuerung liegt. Man muss klar sehen, dass viele der wiederverheirateten Geschiedenen für einen solchen Prozess gar nicht in Frage kommen, weil bei ihnen die für eine Nichtigkeitserklärung vorausgesetzten Gründe überhaupt nicht vorliegen. Hier haben sich die Partner im Laufe des Lebens auseinanderentwickelt und man muss dann vom einem Scheitern der Ehe sprechen. Diesen gescheiterten Ehen steht die Kirche bislang in einer gewissen Weise hilflos gegenüber. An dieser Stelle muss sich natürlich auch etwas bewegen.

Das Interview führte Aurelia Rütters.

 


Quelle:
DR