Die Zukunft der Pflegenoten bleibt weiter ungewiss

Endloses Gezerre

Falsche Medikamentengabe, schlechte Pflege: Dennoch haben manche Heime in Deutschland vom Pflege-TÜV die Note "sehr gut" erhalten. Die Pflegenoten stehen seit langem in der Kritik. Die Koalition streitet weiter über sie.

Autor/in:
Christoph Arens
Karl-Josef Laumann (dpa)
Karl-Josef Laumann / ( dpa )

Es ist schon beachtlich, welches Gezerre sich die große Koalition um die Reform des sogenannten Pflege-TÜV liefert. Seit Monaten streiten Union und SPD darum, ob die Pflegenoten für die 12.000 Heime und ebenso viele Pflegedienste weiter erhoben werden sollen.

Am vergangenen Freitag verständigten sich Experten aus Union und SPD dem Vernehmen nach darauf, das Bewertungssystem bis auf weiteres fortzuführen. Doch am Montag widersprach der Pflegebeauftragte der Bundesregierung: Er werde weiter für das Aus der Pflegenoten kämpfen, weil sie "die Bürger in die Irre führen", sagte Staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU) der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Er wolle in den nächsten Wochen weiterhin versuchen, bei der SPD Überzeugungsarbeit zu leisten. Ende August will sich das Bundeskabinett damit befassen.

Bis 2018 neues Pflege-System

Fest steht, dass niemand mit dem Pflege-TÜV glücklich ist. Bis 2018 soll das System grundlegend überarbeitet werden. Für die Zwischenzeit schlägt Laumann vor, die jährlich erstellten Prüfberichte des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) zu veröffentlichen.

"Viel zu kompliziert und unverständlich", monieren die Kritiker. Die SPD befürchtet, dass das vorzeitige Aus für die Pflegenoten auch das Aus für eine verbraucherfreundliche Überprüfung der Heime bedeuten könnte. Die derzeitige Benotung sei sie immer noch besser als gar keine Bewertung.

Dabei waren mit den Pflegenoten 2009 mit großen Erwartungen eingeführt worden: Angehörige sollten schnell ein gutes Heim oder eine ambulante Pflegestation für pflegebedürftige Familienmitglieder finden können. Alle Einrichtungen werden jährlich vom MDK überprüft und anhand von rund 70 Kriterien mit Schulnoten bewertet. Das Ergebnis wird im Internet veröffentlicht. Der gewünschte Nebeneffekt: Der Pflege-TÜV soll auch den Wettbewerb zwischen den Einrichtungen befeuern.

Note 1,3 für alle?

Doch Laumann zieht eine ernüchternde Bilanz. "Es werden bewusst Schwachstellen vertuscht, damit keine Pflegeeinrichtung schlechter dasteht als andere", kritisiert der CDU-Politiker. Alle Heime erhielten im Bundesdurchschnitt die Note 1,3 - für Kritiker und Angehörige ein Hohn angesichts der Zustände in den Heimen. Kritik entzündet sich insbesondere daran, dass keine K.O.-Kriterien bestehen. "Singen eins, Mathe sechs - in der Schule bleiben Sie damit hängen, im Bereich der Pflege erhalten Sie die Durchschnittsnote drei", kritisiert die Deutsche Stiftung Patientenschutz. Ein guter Speiseplan könne schlechte Pflege ausgleichen.

Laumann will den Kassen und den Heimbetreibern die Verantwortung für das Notensystem entziehen. Er fordert ein unabhängiges Expertengremium, das festlegen soll, wie die Ergebnisse der Prüfberichte unverfälscht und leicht verständlich veröffentlicht werden können. Dementsprechend verständigten sich die Gesundheitspolitiker der Koalition am Freitag darauf, die "Schiedsstelle Qualitätssicherung" weiter zu entwickeln. Dem neuen "Qualitätsausschuss" werden künftig je zehn Vertreter der Kassen sowie der Heime und Dienste angehören. Vertreter der Pflegebedürftigen haben Rederecht, dürfen aber nicht mitbestimmen.

Alternativen zum geltenden Begutachtungssystem haben auch Caritasverbände entwickelt, die Träger zahlreicher Alten- und Pflegeheime sind. Maßgebend war ein Modellprojekt im Bistum Münster: "Wichtig ist die Versorgungsqualität, die beim Bewohner ankommt", so der Ansatz des vom Bielefelder Pflegewissenschaftler Klaus Wingenfeld entwickelten Konzepts. Bei der internen Prüfung wird jeder Bewohner, und nicht nur eine Stichprobe begutachtet. In Zeitreihen können Veränderungen im Pflegezustand festgestellt werden. Damit sollen die Schwachstellen eines Hauses sofort sichtbar werden. Ziel sind hausinterne Anreize für Verbesserungen; bislang werden die Bewertungen nicht veröffentlicht.

Doch der Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS), Peter Pick, erteilt allen Versuchen eine Absage, die externen Prüfungen durch von den Heimen selbst erhobene Ergebnisindikatoren abzulösen. Sie seien allenfalls als zusätzliche Qualitätsprüfungen sinnvoll.


Quelle:
KNA