Moraltheologe zum Eheverständnis der Evangelischen Kirche

"Nicht überraschend"

Die Evangelische Kirche hat ein Papier zur Familienpolitik vorgelegt. Darin wird der Ehebegriff sehr weit ausgelegt. Der katholische Moraltheologe Prof. Schallenberg über das Auseinanderdriften der Kirchen beim Thema Ehe und Familie.

Homosexuelle Lebenspartnerschaften: Auch das Adoptionsrecht wird gefordert / © Tatagatta
Homosexuelle Lebenspartnerschaften: Auch das Adoptionsrecht wird gefordert / © Tatagatta

domradio.de: Überrascht Sie der Inhalt des Positionspapiers der EKD?

Prof. Schallenberg: Nicht besonders. Es war in den letzten Jahren immer schon spürbar, dass wir zwischen der katholischen Kirche und den evangelischen kirchlichen Gemeinschaften dann doch größere Differenzen hatten bez. der Beurteilung von homosexuellen Lebenspartnerschaften und eheähnlichen Partnerschaften. Das evangelische und katholische Verständnis von Ehe ist ja auch in der Tat ein etwas anderes. Bei uns ist es ein Sakrament, im evangelischen Raum ist es das nicht. Daher ist das aktuelle Papier nicht schrecklich überraschend.

domradio.de: Im Grunde gibt es zwei Haken aus katholischer Sicht: Einmal sollen sich laut Positionspapier Paare darauf einstellen, dass sie sich auch wieder trennen können. Und dann ist da eben noch die Frage der Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zur Ehe. Warum stellt sich die katholische Kirche in beiden Fragen quer?

Prof. Schallenberg: Das ist schön ausgedrückt! Wir stellen uns im Grunde auf den Boden der Heiligen Schrift und halten das für normativ und bindend in beiden Fällen. Das eine ist Mt 19: "Was Gott verbunden hat, darf der Mensch nicht trennen." Die Stelle, in der der Herr gefragt wird, ob ein Mann seine Frau aus jedem beliebigen Grund aus der Ehe entlassen darf, ein Mosaisches Gesetz, welches in bestimmten Fällen für den Mann die Möglichkeit bot, seine Frau aus der Ehe zu entlassen. Und da reagiert der Herr ja sehr dezidiert und entschlossen und sagt, ursprünglich am Anfang war es nicht so, wegen der Herzenshärte hat Mose dieses Gebot gegeben. Aber der Herr ist eigentlich nicht gekommen, und das wird an dieser Stelle schön deutlich, um weiter die Herzenshärte zu mildern, sondern um sie zu heilen und zu erlösen und etwas Neues zu schaffen. Und dieses Neue, das sind die sieben Sakramente, die nach katholischer Lehre und nach katholischem Glauben von Jesus eingesetzt werden, die keine menschliche Erfindung sind. Und dazu zählt auch das Sakrament der Ehe. Und so stellt der Herr das Ursprüngliche der Ehe wieder her, und damit verhindert er, dass eine sakramental geschlossene Ehe auseinander gehen kann. Das ist in Kürze dieser erste Punkt: Wir sind der Überzeugung, dass eine sakramental geschlossene Ehe ein für alle Mal gültig ist vor dem Angesicht Gottes. Es gibt eine Trennung der Eheleute möglicherweise in schwerwiegenden Fällen, aber es kann keine neue Verheiratung geben.

Beim zweiten Punkt steht im Hintergrund das Wort aus dem Buch Genesis, aus einem der beiden Schöpfungsberichte, dass der Mensch als Ebenbild Gottes geschaffen wurde und zwar als Mann und Frau. Und so ist eben die katholische Auffassung, dass das keine Zufälligkeit ist, die auch einmal abgeschafft oder verändert werden könnte, sondern dass in dem Zueinander von Mann und Frau der Mensch Abbild Gottes ist.

domradio.de: Aber auch manches heterosexuelle Paar entscheidet sich bewusst gegen Kinder und viele Ehen zerbrechen. Ist die katholische Position nicht etwas fern von der heutigen Lebenswirklichkeit?

Prof. Schallenberg: Ich fürchte, sie war immer fern von der Wirklichkeit und die ganze Lehre Jesu war fern von der Wirklichkeit seiner Umgebung. Aber das war für ihn anscheinend kein hinreichender Grund, um an seinen Auffassungen, an dem, was er gelehrt und gelebt und in seinen Gleichnissen erzählt hat, etwas zu verändern. Der Vorwurf, die katholische Lehre sei lebensfremd, ist natürlich nicht einfach wegzubügeln, aber wir müssen uns deutlich machen: Christus stellt ein Ideal auf, und dieses Ideal trägt er seiner Kirche auf, in den Sakramenten zu feiern. Das, was er im Abendmahl sagt, bei der Einsetzung der Heiligen Messe bei der Eucharistie und der Einsetzung des Priestertums: Tut dies zu meinem Gedächtnis, das sagt er im Grunde in jedem der sieben Sakramente. Und die Kirche ist daran gebunden, das zu seinem Gedächtnis zu tun. Konkret gesprochen: Dieses hohe Ideal, das er gelebt und verkündet hat, zu seinem Gedächtnis aufrecht zu erhalten und das zu verbinden mit pastoraler Klugheit und Barmherzigkeit und Begleitung, ist die Aufgabe unserer Zeit, und sie war es zu allen Zeiten.

Das Interview führte Christian Schlegel.