Die milliardenschwere Familienförderung in Deutschland ist einer Studie zufolge in steuer- und sozialpolitischer Hinsicht teilweise wirkungslos. Zu diesem Ergebnis kommt laut "Spiegel" ein von der Bundesregierung beauftragter Gutachterkreis in einem internen Zwischenbericht. Bei ihrer Untersuchung hätten die Gutachter erstmals versucht, auch die langfristigen Folgen der Förderinstrumente und die Wechselwirkungen mit dem Steuer- und Sozialsystem zu berücksichtigen, schreibt das Magazin. Unter dem Gesichtspunkt erweise sich das Kindergeld als "wenig effektiv". Das Ehegattensplitting sei "ziemlich unwirksam", die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung sogar "besonders unwirksam". Die vorhandenen positiven Effekte ließen sich im Übrigen auch "mit geringeren unerwünschten Nebenwirkungen erreichen", zitiert das Magazin aus der Studie. Am besten schneiden dem Gutachten zufolge Investitionen in Kinderbetreuungsplätze ab. Danach fließen von den staatlichen Ausgaben für Krippen- und Kitaplätze bis zu 48 Prozent an den Staat zurück. Der Zwischenbericht ist laut "Spiegel" das Ergebnis eines gemeinsamen Forschungsprojekts des Finanz- und Familienministeriums.
(dapd)
04.02.2013
Die milliardenschwere Familienförderung ist einer Studie zufolge in vieler Hinsicht teilweise wirkungslos. "Wir führen hier die falsche Debatte", meint im domradio.de-Interview der ZdK-Präsident Alois Glück.
domradio.de: Trotz 200 Milliarden Euro pro Jahr ist der Etat des Familienministeriums offensichtlich einer der unwirksamsten. Wie ist das möglich?
Glück: Ich bezweifle, dass man solche Feststellung so pauschal treffen kann, wie es die Gutachter tun. Natürlich sollten alle Maßnahmen - auch sozial- und familienpolitische - immer wieder auf ihre Wirksamkeit überprüft werden. Und die erste Frage muss lauten: An was messen wir den Wirksamkeit für Familien? Ist es die Zahl der Kinder? Ist es die Zahl der berufstätigen Frauen? Soll Familienpolitik nur funktional verstanden werden? Das alles ist damit überhaupt nicht gewertet. Und deswegen sollte eine solche Untersuchung vor allem Anlass sein, über diese Themen zu reden und zu fragen, ob die rein ökonomische Betrachtungsweise - die Frage wie viele Kinder bei wie viel Geld zur Welt kommen - der richtige Maßstab ist.
domradio.de: Schauen wir mal auf die Details: Überaus kritisch sehen die Experten beispielsweise das Kindergeld. Arme Familien, so sagen sie, profitieren nicht davon, weil es bei ihnen mit anderen Sozialleistungen verrechnet wird. Sehen Sie das auch so?
Glück: Für viele Familien ist das Kindergeld sehr wichtig. Ich weiß nicht, welche Maßstäbe die Gutachter angelegt haben. Man sollte besser die Menschen in den unterschiedlichen Einkommensschichten befragen.
domradio.de: Stichwort: Betreuungsgeld. In den Augen der Experten nur ein weiterer wirkungsloser Geldregen an der falschen Stelle...
Glück: Beim Betreuungsgeld geht es vor allen Dingen um die Frage der tatsächlichen Wahlfreiheit. Und hier werden eine Menge falsche Wirkungen unterstellt: Kinder würden von der Betreuung zum Beispiel im Kindergarten abgehalten. Das ist aber nicht der Maßstab. Debatten dieser Art sind mir deshalb zu oberflächlich.
domradio.de: Die Opposition sieht sich von dem Gutachten bestätigt und fordert statt direkten Geldleistungen viel mehr Investitionen in die Infrastruktur – in den Ausbau von Kitas und anderen Betreuungseinrichtungen. Wäre das auch in Ihren Augen ein gebotener Richtungswechsel?
Glück: Der Glaube daran, dass sich dadurch die Zahl der Kinder entscheidend verändern wird, halte ich für eine große Illusion. Und wieder wird hier Familie nur funktional mit Blick auf Arbeitskräfte gesehen. Wir haben ein ganz anderes grundlegendes Problem: die gesellschaftliche Bedeutung von Kindern und Familien, der Stellenwert. Kürzlich erst hat eine europäische Studie die Selbsteinschätzung der Menschen auf ihre Kinderfreundlichkeit der Gesellschaften untersucht. Die Deutschen haben ehrlicherweise festgestellt, wir sind keine kinderfreundliche Gesellschaft sind. An der Spitze dieser Umfrage liegt Dänemark mit 90 Prozent, Frankreich folgt an fünfter Stelle mit 40, in Deutschland sagen nur 15 Prozent, wir sind eine kinderfreundliche Gesellschaft. Wenn wir Familien - Kinder und alte Menschen - nicht grundsätzlich anders verorten und das gesamte gesellschaftliche Leben nicht anders darauf einstellen, werden weder zusätzliche finanzielle Leistungen noch ein Umsteuern auf Kinderbetreuungseinrichtungen etwa die Frage der Kinder in Deutschland nicht wesentlich verändern. Diese Debatte müssen wir führen!
Das Gespräch führte Hilde Regeniter.
Die milliardenschwere Familienförderung in Deutschland ist einer Studie zufolge in steuer- und sozialpolitischer Hinsicht teilweise wirkungslos. Zu diesem Ergebnis kommt laut "Spiegel" ein von der Bundesregierung beauftragter Gutachterkreis in einem internen Zwischenbericht. Bei ihrer Untersuchung hätten die Gutachter erstmals versucht, auch die langfristigen Folgen der Förderinstrumente und die Wechselwirkungen mit dem Steuer- und Sozialsystem zu berücksichtigen, schreibt das Magazin. Unter dem Gesichtspunkt erweise sich das Kindergeld als "wenig effektiv". Das Ehegattensplitting sei "ziemlich unwirksam", die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern in der gesetzlichen Krankenversicherung sogar "besonders unwirksam". Die vorhandenen positiven Effekte ließen sich im Übrigen auch "mit geringeren unerwünschten Nebenwirkungen erreichen", zitiert das Magazin aus der Studie. Am besten schneiden dem Gutachten zufolge Investitionen in Kinderbetreuungsplätze ab. Danach fließen von den staatlichen Ausgaben für Krippen- und Kitaplätze bis zu 48 Prozent an den Staat zurück. Der Zwischenbericht ist laut "Spiegel" das Ergebnis eines gemeinsamen Forschungsprojekts des Finanz- und Familienministeriums.
(dapd)