Christliche Friseurin dankbar für Öffnung der Geschäfte

"Für das Wohl der Menschen sind wir ganz wichtig"

Ab heute dürfen Friseure wieder ihre Geschäfte öffnen. Für eine christliche Friseurin ist das ein menschlicher Dienst, der weit über das Haareschneiden hinaus geht, deshalb frisiert sie auch kostenlos Obdachlose und Bedürftige.

Friseurgeschäfte dürfen wieder öffnen / © Angelika Warmuth (dpa)
Friseurgeschäfte dürfen wieder öffnen / © Angelika Warmuth ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es gibt Friseure, die haben in der Nacht um 0:01 Uhr schon losgelegt. Sie auch?

Ute Ganser-Koll (Friseurmeisterin): Nein, wir nicht. Wir öffnen um 12 Uhr am Mittag.

DOMRADIO.DE: Seit dem 16. Dezember durften Sie Ihren Beruf nicht mehr ausüben. Wirtschaftsminister Altmaier hatte finanzielle Entschädigungen versprochen. Was haben Sie denn bekommen?

Ganser-Koll: Was der Wirtschaftsminister verspricht und was letztendlich gehalten wird, das weicht ganz stark von der Realität ab. Meine Kollegen und auch wir haben gar nichts bekommen. Und wenn überhaupt, dann so minimal, da sind noch nicht mal die Fixkosten gedeckt. Es kommt ja gar nichts rüber. Selbst mit dem Kurzarbeitergeld hat es Schwierigkeiten gegeben. Anschließend hat man die Kundennummer nicht gefunden oder man war nicht registriert. Also das läuft alles sehr schleppend.

DOMRADIO.DE: Aber heute dürfen Sie nun wieder schneiden, färben, föhnen und tönen. Trotz allem doch ein Glücksgefühl, oder?

Ganser-Koll: Ja, auf jeden Fall. Wir freuen uns auch alle wie Bolle, auch die, die um Mitternacht schon angefangen haben. Toll fand ich die Aktion, dass teilweise die Termine versteigert wurden und das Geld einem guten Zweck zukommt.

DOMRADIO.DE: Sind Sie für März eigentlich komplett ausgebucht?

Ganser-Koll: Ja, ich muss auch sagen, die Leute haben sehr viel Verständnis gehabt, dass nicht jeder der Erste sein kann. Viele haben auch gesagt: Wir sind einfach nur froh, dass Ihr wieder aufhabt. Von daher üben sich die Leute auch in Geduld.

DOMRADIO.DE: Haben Sie zwischendurch eigentlich mal Anfragen bekommen, ob Sie trotz des Lockdowns mal schnell zwischendurch die Haare schneiden könnten? 

Ganser-Koll: Ja, aber wir haben es ganz strikt abgelehnt. Das Einzige, was wir gemacht haben, waren Farb- und Pflegepakete, die sich dann die Kunden abholen konnten oder die wir zugeschickt haben, je nachdem, welcher Service gewünscht wurde. Das war schon möglich. Aber wissen Sie, man kann nicht auf der einen Seite schimpfen und auf der anderen in der Zeit die Schwarzarbeit hochleben lassen.

DOMRADIO.DE: Es gab ja große Diskussionen, warum ausgerechnet Friseure als Erste öffnen dürfen. Erklären Sie uns, warum das gerechtfertigt ist?

Ganser-Koll: Es gibt ganz viele ältere Menschen, die haben niemanden. Die haben keinen zum Sprechen. Die sind einfach nur froh, reden zu dürfen und sind jetzt in ihrem Haushalt eingesperrt. Eingezwängt. Die dürfen nirgendwo hin. Wir Friseure erfahren als erste Geheimnisse. Das ist einfach so. Es wird uns so viel anvertraut, auch was die Familie, die Kinder, Probleme und Sorgen betrifft. Da war niemand, der zugehört hat. Es gab ja kaum Kontakte in der ganzen Zeit. Deswegen sage ich, für das Wohl der Menschen sind wir Friseure ganz wichtig. Der schickste Schuh, die schickste Klamotte sieht nicht aus, wenn der Kopf nicht in Ordnung ist.

DOMRADIO.DE: Sie engagieren sich bei "Barber Angels" und haben vor der Pandemie auch Obdachlosen und anderen Bedürftigen die Haare geschnitten - kostenlos. Tatsächlich nur für ein Dankeschön, oder?

Ganser-Koll: Ja. Mehr passiert da nicht. Dieses Lächeln und die Dankbarkeit, die sie geschenkt bekommen von den Obdachlosen, das können sie sich gar nicht vorstellen. Dann vor der Pandemie: Umarmungen und ein herzliches Dankeschön. Eine Dame hat mir selbstgemachte Marmelade geschenkt, weil sie im Garten Früchte hatte. Sie hat gesagt: "Ich kann nichtsgeben, aber mein Obst, das kann ich verarbeiten und davon habe ich Marmelade gemacht." Das sind viele Kleinigkeiten - oder oder einfach nur ein Lächeln im Gesicht. Dann hören Sie auch die Geschichten, warum sie obdachlos sind. Und das ist einfach sehr berührend. Wir sind ja alle aus Fleisch und Blut, und das lässt keinen kalt.

DOMRADIO.DE: Corona hat das ja auch abrupt beendet. Wird das dann wieder aufgenommen?

Ganser-Koll: Sobald wir wieder loslegen dürfen, werden wir das auf jeden Fall machen. Teilweise haben wir das auch in der Zwischenzeit gemacht, wenn das Hygiene-Konzept umzusetzen war, was wir uns selber auferlegt haben. Es ist ja wichtig, dass die Personen die Haare gewaschen bekommen. Das ist natürlich nicht immer und überall in den Einrichtungen eine Grundvoraussetzung.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR