Oberbergischer Kreis sagt Präsenzgottesdienste ab

"Im Moment ist Fasten angesagt"

Mit einer Inzidenz von knapp 300 ist der Oberbergische Kreis im Erzbistum Köln Corona-Spitzenreiter in NRW, deshalb wurden nun auch die letzten Präsenzgottesdienste abgesagt. Das Verständnis dafür sei groß. 

Abgesperrte, leere Kirchenbänke / © Felix Kästle (dpa)
Abgesperrte, leere Kirchenbänke / © Felix Kästle ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es gibt keine Präsenzgottesdienste mehr in ihren Kirchengemeinden. Hat Sie das überrascht?

Christoph Bersch (Kreisdechant Oberbergischer Kreis): Wir hatten ja auch schon vor Weihnachten einen Inzidenzwert über mehrere Tage über 200, der ist dann Anfang des Jahres nochmal heruntergegangen auf 130. Dann kam wirklich ein großer Ausbruch. Wir hatten am 6. Januar noch 156 und gestern dann 292. Das ist eine für uns alle noch nicht ganz zu verstehende, riesige Steigerung auf Platz eins hier in Nordrhein-Westfalen. Das macht uns schon große Sorgen.

DOMRADIO.DE: Könnte die Steigerung daran liegen, dass sich die Menschen nicht an die Regeln halten?

Bersch: Es gibt da ganz verschiedene Fragen. Es gibt sicher auch Unterschiede in der Testhäufigkeit und in der Impf-Intensität. Unabhängig davon: Unsere Zahlen sind sehr, sehr hoch. Für uns als katholische Gemeinden im Oberbergischen kann ich sagen: Wir haben schon seit Weihnachten keine Präsenzgottesdienste. Es gibt nur noch die Gemeinden Hückeswagen und der südliche Seelsorgebereich Morsbach/Friesenhagen/Wildberghütte, die noch Gottesdienste nach strengem und sehr sicheren Hygienekonzept gefeiert haben. Wir haben uns da überhaupt nichts vorzuwerfen. Alle anderen Gemeinden haben sich dazu entschieden, über die Weihnachtstage und den Jahreswechsel auf Präsenzgottesdienste zu verzichten. Da haben wir uns sehr gut abgesprochen, lange überlegt und gerungen. Das war ganz schwer, vor allen Dingen nachdem wir ja auch schon an Ostern unseren Glauben ohne Präsenzgottesdienste leben mussten. Aber angesichts dieser hohen Zahlen, die Ende letzten Jahres hier bei uns zu verzeichnen waren, war es, glaube ich auch heute noch, die richtige Entscheidung. Daher können wir da wirklich auch guten Gewissens sagen: An uns kann es nich gelegen haben, weil wir die letzten drei Wochen hier im Oberbergischen ohne Gottesdienste unterwegs waren.

DOMRADIO.DE: Hätten Sie vielleicht nicht früher selber entscheiden können und sagen können: Wir machen einfach alle zu?

Bersch: Wir haben hier entschieden - und zwar haben aufgrund der Zahlen in unseren einzelnen Kommunen. In fünf Kommunen waren Gottesdienste auch zum 24. Dezember offiziell untersagt worden. Das ist sicher ein Grenzfall, aber der war mit dem Kreisdirektor, dem Landrat und mir abgesprochen, weil da die Zahlen ganz besonders hoch waren. Der Inzidenzwert lang weit über 200, teilweise über 300. Das waren die Kommunen Gummersbach, Bergneustadt, Nümbrecht, Waldbröl und Radevormwald. In den anderen war es möglich, aber auch da haben dann die Seelsorger zum Teil in ihren Teams, zum Teil mit den Kirchenvorständen und den Gemeinderäten beraten und sich dann entschieden, keine Gottesdienste zu feiern. Ich glaube, das ist auch die richtige Ebene, weil wir in Deutschland insgesamt eine so unterschiedliche Situation haben. Es ist richtig, wenn man das den Gemeinden freistellt und dann im Dialog mit den kommunalen Verantwortungsträgern zu einer Entscheidung gemeinsam kommt.

DOMRADIO.DE: Was für Reaktionen kommen von den Gemeindemitgliedern?

Bersch: Die allermeisten haben großes Verständnis. Die sagen sogar: Wir waren auch schon die letzten Wochen entweder gar nicht im Gottesdienst, haben digitale Gottesdienste mitgefeiert oder eben über DOMRADIO.DE. Andere haben gesagt: Wir sind mit einem unguten Gefühl gekommen. Ich denke an unsere ehrenamtlichen Willkommensdienste, die Ordner-Dienste, die zum Teil auch Risikogruppen sind, das um unseretwillen gemacht haben und uns nicht im Stich lassen wollten. Daher war es schon die ganzen Wochen vorher grenzwertig. Ich glaube, dass das Verständnis insgesamt sehr groß ist. Ich merke das auch an den Zahlen derer, die jetzt unseren digitalen Gottesdienst hier mitfeiern, zum Beispiel jeden Sonntag um 11 Uhr über YouTube eine Messe aus Bergneustadt-Wiedenest. Da haben wir gestern mehr als 2.300 Klicks bekommen. Es ist eine ganz, ganz große Zahl, die auf diese Weise trotzdem den Glauben lebt, mitfeiert und das Beste aus der Situation macht.

DOMRADIO.DE: Wird das digitale Angebot bei Ihnen denn noch ausgebaut?

Bersch: Wir haben seit März schon die wöchentliche Sonntagsmesse auf YouTube. Am Vorabend haben wir auch in Herz-Jesu Loope eine Messe, die über Facebook übertragen wird. Wir haben auch einzelne Werktags- und Feiertagsgottesdienste. Daher sind wir da sehr gut aufgestellt. Wir haben uns in diesen Monaten technisch verbessert, sodass wir sagen können, dass wir da einen Stand erreicht haben, der erst einmal auch gut ist. Natürlich ersetzt nichts den Präsenzgottesdienst und auch den Empfang der heiligen Kommunion. Im Moment ist Fasten angesagt. Fasten ist auch eine Dimension christlicher Existenz, auch zum Wohle der Menschen, die wir im Moment schützen müssen und wo wir einfach bei dieser maximalen Kontaktreduzierung mitmachen müssen, damit es nicht zu viele Tote gibt.

Das Interview führte Heike Sicconi.


Christoph Bersch (privat)
Christoph Bersch / ( privat )
Quelle:
DR
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