Trotz erneuten Lockdowns wird über Gottesdienste kaum diskutiert

"Adeste fideles" - wie Italiens Kirche Weihnachten vorbereitet

Anders als im Frühjahr fallen beim Weihnachts-Lockdown in Italien Gottesdienste mit Gläubigen in der Kirche nicht mehr aus. Und anders als in Deutschland oder der Schweiz gibt es auch kaum aufgeregte Diskussionen darum.

Autor/in:
Roland Juchem
Der Petersdom und die Spitze des Weihnachtsbaum nach der Weihnachtsbaum- und Krippenbeleuchtungszeremonie im Vatikan / © Gregorio Borgia (dpa)
Der Petersdom und die Spitze des Weihnachtsbaum nach der Weihnachtsbaum- und Krippenbeleuchtungszeremonie im Vatikan / © Gregorio Borgia ( dpa )

Statt Panettone präsentierte Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte seinen Landsleuten vor dem vierten Adventssonntag Saures: Pünktlich zu Heiligabend wird das ganze Land vier Tage lang zur "roten Zone": der erneute Lockdown - wie schon im Frühjahr. Nach langen Verhandlungen in der Koalition, im Sachverständigenrat sowie mit Regionalvertretern sah sich Rom gezwungen, Reiselust und Besuchsfreude der Italiener über die Feiertage einzuschränken. Man wolle kein Risiko eingehen, so Conte am späten Freitagabend, die Erfahrungen in anderen Ländern, zeigten: Das Virus zirkuliert noch.

Demnach sind vom 24. bis 27. Dezember - sowie an Silvester und Neujahr und zu Drei Könige - nur dringend notwendige Besorgungen wie Lebensmittel, Medikamente oder beruflich bedingte Fahrten erlaubt. Um des Familienfriedens willen rang Conte den Hardlinern eine Ausnahme ab: Pro Tag ein Besuch von jeweils zwei Personen bei Verwandten oder Freunden in der eigenen Kommune; Kinder unter 14 Jahren oder betreuungsbedürftige Personen können zusätzlich mitkommen. Zweite Ausnahme: der Besuch von Weihnachtsgottesdiensten.

Kirchgänger brauchen "Selbstauskunft"

Dies stellte die Bischofskonferenz tags darauf sogleich klar. Das neue Dekret bedeute "keine Änderungen in Bezug auf Besuche von Kirchen und Gottesdienstfeiern: Beides ist immer erlaubt" - mit den üblichen Regeln. Jedoch müssen Kirchgänger nun eine "Selbstauskunft" bei sich führen. Darin erklären sie, dass sie a) nicht in Quarantäne oder positiv getestet sind und b) auf dem Weg zum Gottesdienstbesuch - "vernünftigerweise in eine nahe gelegene Kirche", wie die Bischöfe schreiben. Solche Formulare gab es schon im Frühjahr - und sie würden jetzt verschärft kontrolliert, drohte Conte an.

Bereits Anfang Dezember hatten die Bischöfe Seelsorger und Gläubige gebeten, zu Weihnachten nicht nur auf die Christmette zu schielen. Die wird wegen der Ausgangssperre ab 22 Uhr ohnehin vorverlegt. Um drohende Überfüllung vermeiden zu helfen, biete die "reichhaltige Weihnachtsliturgie" zusätzlich den Vespergottesdienst am frühen Heiligabend sowie die Messen in der Frühe des Weihnachtstages und später am Vormittag. Passend hatte der Vatikan kürzlich gestattet, dass Priester an einem Wochenende bis zu vier Messen feiern dürfen.

Weihnachten zu Hause

"Bei der Messe an Heiligabend haben wir uns für 19.00 Uhr entschieden", sagt Don Andres Rodriguez de Bella, Pfarrer der Gemeinde "San Francesco e Santa Catarina Patroni d'Italia" in Rom. Anschließend hätten Familien noch genügend Zeit für Abendessen und Beisammensein. Andernorts ließen sich Pfarrer umstimmen und gingen von 19.00 Uhr zurück auf 20.00 Uhr.

Auch wenn desöfteren auf die Möglichkeit verwiesen wird, Gottesdienste im Internet zu verfolgen, hat bisher kaum ein Bischof generell dazu geraten, an Weihnachten zu Hause zu bleiben. Während manche Kirchengemeinde in einer Seitenkapelle bereits ein kleines TV-Studio eingerichtet hat, bietet unter anderem das Erzbistum Mailand auf seiner Website weniger Erfahrenen fünf Video-Tutorials für Online-Gottesdienste an.

Bänke entfernt, Stühle aufgestellt

Vielerorts lautet die implizite Auskunft: "Nähere Auskünfte erhalten Sie in Ihrem Pfarrbüro" - entsprechend italienischer Mentalität, nicht alles im Vorhinein im Detail zu regeln. Kirchgänger und Gemeindefreiwillige haben inzwischen Routine mit getrennten Ein- und Ausgängen, Desinfektionsgel, abgesperrten Stuhl- und Bankreihen. Der Mindestabstand zwischen Personen von einem bis 1,5 Meter bestimmt die Obergrenze für Gottesdienstteilnehmer.

So dürfen in die Kirche Santa Maria in Trastevere aktuell nicht mehr als 250 Personen; sonst fasst sie über 600 Menschen. Bänke wurden entfernt, stattdessen Stühle aufgestellt. "San Benedetto in Piscinula" mit dem kleinsten Kirchturm Roms ist am Vorabend des vierten Adventssonntag bis auf den letzten der 32 vorgesehenen Plätze gefüllt. Im Vorraum warten einzelne Gläubige stehend, sollte einer der übrigen Gottesdienstteilnehmer früher gehen.

"Gott wählt auch Chaos und Unordnung"

In der 1942 erbauten Basilika "Santi Patroni d'Italia" ist jede zweite Bank abgesperrt. Hinten und in den Seitenschiffen, wo sonst Leere herrscht, hat man einzelne Stühle aufgestellt, um möglichst vielen Platz zu bieten. Beim Hauptgottesdienst um 10.30 Uhr scheint die Maximalzahl von 102 Teilnehmern erreicht.

"Wir Menschen brauchen und suchen Ordnung, aber Gott wählt auch Chaos und Unordnung, um Neues zu erschaffen", sagt Don Andres am Ende der Messe. Der aus Argentinien stammende Pfarrer erwähnt das Chaos am Beginn der biblischen Schöpfungsgeschichte, die Wirren um Jesu Geburt und das Durcheinander von Papier und Drähten für die Herstellung von 100 beleuchteten Papiersternen, mit denen Kommunionkinder und Firmlinge den Kirchraum geschmückt haben.

In diesem Sinne könne man auch Weihnachten in der Pandemie und im Lockdown feiern; mit etwas Kreativität, Gottvertrauen und dem Blick auf das Wesentliche. Oder wie Papst Franziskus am Sonntagmittag sagte: Anstatt darüber zu jammern, was in der Pandemie nicht möglich ist, solle man lieber etwas für jene tun, die noch weniger haben.


Quelle:
KNA