Franziskanerin kritisiert Essener Corona-Meldeportal

"Das ist verwerflich"

Den Nachbarn anschwärzen, wenn er die Corona-Regeln bricht? Das geht jetzt in Essen über ein Online-Formular. Die Franziskanerin Katharina Hartleib findet deutliche Worte und vergleicht solche "Denunziationsportale" mit DDR-Methoden.

Ordensfrau kritisiert Denunziationsportale (shutterstock)
Ordensfrau kritisiert Denunziationsportale / ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Was halten Sie denn von solchen Meldestellen?

Schwester Katharina Hartleib OSF (Franziskanerin aus Olpe): Ich bin ja ein gebranntes Kind. Ich bin gelernte DDR-Bürgerin und da war Denunzieren an der Tagesordnung. Man muss natürlich gucken, um was es hier geht. Damals ging es um persönliche Freiheitsrechte, und damals ging es um einen Unrechtsstaat, der sowas erzwungen hat. Jetzt geht es hingegen darum, die Gesundheit aller zu schützen. Trotzdem finde ich die Idee, ehrlich gesagt, nicht toll.

Ich kann das verstehen, wenn eine Stadt sagt: Wie sollen wir das in den Griff kriegen, wenn niemand sich daran hält. Und wenn wir ab und zu den Tipp kriegen würden, wo große Partys sind und wo in der Nachbarschaft immer zehn Leute in den Wohnungen sind. – Ich kann das verstehen, aber ich hätte dabei trotzdem Bauchschmerzen.

DOMRADIO.DE: Der Grünen-Digitalexperte Dieter Janecek sieht in dem Formular die Möglichkeit, dass sich die Gesellschaft spaltet, wenn Bürger dazu ermuntert werden, andere zu denunzieren. Sehen Sie das ähnlich?

Schwester Katharina: Wir sind ja schon ein bisschen dabei, die Gesellschaft zu spalten. Wir merken mittlerweile, dass wir, die wir uns an die Regeln halten, Wut und Zorn auf diejenigen kriegen, die sich nicht an die Regeln halten. Oder wir merken auch, dass wir Wut und Zorn auf die haben, die sich eine Infektion geholt haben und deswegen ringsherum wieder alles flach gelegt wird und wir wieder auf einen Lockdown zusteuern. Wir merken jetzt schon die Spaltung, in dem, wie wir reagieren, denken und empfinden. Wenn jetzt noch so etwas dazu kommt, was das noch verstärken würde: Einer achtet auf den anderen, ist eigentlich nicht so negativ, aber in diesem Falle empfinde ich es schon so.

DOMRADIO.DE: Schauen wir mal weg von den Corona-Verstößen und sprechen über Verstöße in der Kirche. Oft läuft es in den Pfarreien ja doch ein bisschen anders ab, als es eigentlich "verordnet ist". Wie ist das da? Was sagen Sie dazu?

Schwester Katharina: Da denke ich, ist das Gewissen des Einzelnen ganz stark gefordert. Da gibt es mittlerweile ja auch leider Strukturen in der Kirche, die auch ein bisschen in die Richtung gehen, wo wohl Leute an das Bistum melden, wenn ein Pfarrer irgendwas statt nach links nach rechtsherum gemacht hat. Das ist genauso verwerflich.

DOMRADIO.DE: Bei welchem Fehlverhalten würden Sie denn in der Kirche zum Beispiel auch mal ein Auge zudrücken?

Schwester Katharina: Ich habe zum Beispiel erlebt, dass ein Franziskaner, der das aus Brasilien gewohnt ist, tatsächlich in seinem Habit mit Stola Gottesdienst gefeiert hat, weil das in Brasilien üblich ist. Und schon wurde das gemeldet, und der Pastor musste diesen Pater zitieren und der hat sich dabei kaputt gelacht. Er sagt: In Brasilien ist es so üblich. Die Stola ist hier der Punkt. Und es gibt natürlich auch viele andere Dinge, wo wir sagen würden: Liebe Leute, bitte! 

Das Interview führte Michelle Olion.

Info: Den Morgenimpuls mit Gedanken und Gebeten von Schwester Katharina, gibt es Montag bis Freitag auf DOMRADIO.DE.


Schwester Katharina / © Alexander Foxius (DR)
Schwester Katharina / © Alexander Foxius ( DR )
Quelle:
DR
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