Kölner Kirchen: Führende Geistliche räumen Versäumnisse ein

Kirchen in der Corona-Krise zu zaghaft?

Hätten die Kirchen in der Corona-Krise mutiger sein müssen? Katholische und evangelische Kölner Kirchenvertreter räumen Versäumnisse ein. Dennoch waren die Kirchen durch kreative Ideen für die Gemeinden da.

Abgesperrte, leere Kirchenbänke / © Felix Kästle (dpa)
Abgesperrte, leere Kirchenbänke / © Felix Kästle ( dpa )

Aus heutiger Sicht hätte die Kirche die Sinnhaftigkeit der Isolation sterbender oder alter Menschen in Krankenhäusern und Pflegeheimen stärker hinterfragen müssen, sagte der evangelische Stadtsuperintendent Bernhard Seiger am Montagabend beim Kölner Stadt-Kirchen Gespräch. "Jetzt im Rückblick erkennen wir, dass da mehr Differenzierung hätte erfolgen müssen." Stadtdechant Robert Kleine sagte, es sei auch für die Seelsorger nicht einfach möglich gewesen, Pflegeheime zu besuchen. "Aber vielleicht haben wir es zu zaghaft versucht, nicht vehement genug darauf gepocht, in Häuser hineingelassen zu werden."

Kirchen im ethischen Dilemma

Beide Geistliche verwiesen darauf, dass die Kirchen sich in einem ethischen Dilemma gesehen hätten. Die Nachrichten von den vielen Corona-Todesopfern in Italien habe das Gefühl ausgelöst, Ähnliches hier unbedingt verhindern zu wollen, sagte Kleine. "Heute würde man das aber anders machen." Einen totalen Shutdown in Pflegeeinrichtungen, wie er im März erfolgte, würde es so nicht mehr geben. Inzwischen seien die Kölner Pflegeheime in kirchlicher Trägerschaft vorbereitet, um zu verhindern, dass sich eine solche Situation wiederhole, versicherte auch Seiger. Es sei Schutzmaterial und Schutzkleidung vorhanden, und es gebe entsprechende Hygienekonzepte.

Zugleich wiesen Seiger und Kleine Vorwürfe zurück, die Kirchen seien während des Shutdowns nicht für die Menschen da gewesen. Es hätten zwar keine Gottesdienste stattfinden können, aber die Kirchen seien offen gewesen, sagte Kleine. Gemeinden seien zum Teil sehr kreativ gewesen, sagte Seiger. So hätten Audiogottesdienste stattgefunden, man habe telefonisch Kontakt zu Alten oder Kranken gehalten oder es seien Predigten schriftlich bereitgestellt worden. Kleine verwies auf die karitativen Tätigkeiten der Gemeinden und auf die vom Stadtdekanat gestartete Telefonhilfe.

Neue Formen von Gottesdiensten können entstehen

Auch im Hinblick auf die Feier kirchlicher Feste sei man nun weiter als das noch an Ostern der Fall war, sagte Seiger. "Ich könnte mir vorstellen, dass ganz neue Formen von Gottesdiensten entstehen." So könnten Weihnachtsgottesdienste zum Beispiel auch im Freien oder in Stadien gefeiert werden. Kleine sagte, denkbar sei es auch, mehrere kürzere Weihnachtsgottesdienste mit kleineren Gruppen zu feiern. "Wir sollten experimentieren und fragen, was die Menschen brauchen", sagte Seiger.


Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger (li.) und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Annika Bocks/apk (privat)
Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger (li.) und Stadtdechant Msgr. Robert Kleine / © Annika Bocks/apk ( privat )
Quelle:
epd