Wucherpfennig sieht Religionsfreiheit als zu abrupt eingeschränkt

"Da muss der Staat aufpassen"

​Nach Ansicht des Jesuiten und Theologen Ansgar Wucherpfennig hat der Staat in der Corona-Krise die Religionsfreiheit in Deutschland zu abrupt beschnitten. Er kritisierte die Art und Weise wie Freiheitsrechte "weggewischt wurden".

Autor/in:
Norbert Demuth
Wucherpfennig sieht Religionsfreiheit als zu abrupt eingeschränkt / © Harald Oppitz (KNA)
Wucherpfennig sieht Religionsfreiheit als zu abrupt eingeschränkt / © Harald Oppitz ( KNA )

"Entscheidend ist, dass Glaubensgemeinschaften die Freiheit haben müssen, ihren Glauben zu praktizieren - solange sie sich auf dem Parkett des Grundgesetzes bewegen", sagte Wucherpfennig am Freitag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Da muss der Staat aufpassen, dass er nicht 'mir nichts, dir nichts' Gesetze erlässt, die die Religionsfreiheit und andere Freiheitsrechte nicht weiter gelten lassen."

Er halte die ergriffenen Schutzmaßnahmen zwar für sinnvoll, sagte der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen. "Aber die Art und Weise, wie da Freiheitsrechte weggewischt wurden - da muss man Acht haben, dass das nicht unbegründet geschieht", so Wucherpfennig mit Blick auf die Einschränkungen für Gottesdienste und für die Seelsorge.

Kirche mit Einschränkungen verantwortungsvoll umgegangen

Auf die Frage, ob die Kirchen die Einschränkungen der Religionsfreiheit zu klaglos hingenommen hätten, sagte Wucherpfennig: "Das glaube ich nicht. Im Großen und Ganzen ist in den Kirchen verantwortungsvoll damit umgangen worden." Die Corona-Pandemie habe "die gesamte Weltgesellschaft wie ein Seesturm ergriffen", sagte der Professor für Exegese des Neuen Testaments.

Wucherpfennig äußerte sich auch zu dem Vorwurf, die Kirchen hätten viele Menschen in der Corona-Pandemie einsam und ohne seelsorgerliche Begleitung sterben lassen. Er könne die Kirche hierbei schlecht in ihrer Gesamtheit beurteilen, sagte er. "Ich habe aber immer den Eindruck gehabt, dass da, wo Seelsorgerinnen und Seelsorger sich tatsächlich darum bemüht haben, alten und kranken Menschen beizustehen, in der Regel auch Lösungen gefunden wurden." Wucherpfennig fügte hinzu, er habe die von den Bundesländern erlassenen Besuchsverbote für Alten- und Pflegeheime als "zu scharf" empfunden.

Kritik an den Kirchen in der Corona-Krise

Vorhaltungen hatte etwa die frühere thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) den Kirchen gemacht. Sie warf im Mai den Kirchen "Versagen" vor, weil sie "Hunderttausende Menschen" allein gelassen habe, etwa Kranke, Einsame, Alte und Sterbende. Auch der Benediktinerpater und Beststellerautor Anselm Grün hatte die Kirche kritisiert. "Ein großes Problem der Krise ist gewesen, dass viele Menschen einsam gestorben sind und nicht begleitet werden konnten."

Wucherpfennig ist seit 2014 Rektor der Hochschule Sankt Georgen und wird dieses Amt ab Oktober an den bisherigen Prorektor und Kirchenrechtler Thomas Meckel übergeben. 2018 sorgte Wucherpfennigs Fall bundesweit für Schlagzeilen. Er war im Februar 2018 für eine dritte Amtszeit als Rektor der Jesuitenhochschule wiedergewählt worden; der Vatikan hatte ihm aber zunächst nicht die Zustimmung in Form der Unbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat") erteilt, was auf massive Kritik stieß. Wucherpfennig hatte sich wiederholt kritisch zum Umgang der Kirche mit Frauen und Homosexuellen geäußert.


Theologe Ansgar Wucherpfennig / © Angelika Zinzow (KNA)
Theologe Ansgar Wucherpfennig / © Angelika Zinzow ( KNA )
Quelle:
KNA