Malteser-Bundesarzt warnt vor zweiter Coronavirus-Welle

"Wir müssen alle weiter achtgeben!"

Die Covid-19-Fälle nehmen auch in Deutschland wieder zu. Einige Mediziner sprechen bereits von einer "zweiten Welle". Andere, wie der Bundesarzt des Malteser Hilfsdiensts, appelliert an alle, achtzugeben, damit eine zweite Welle nicht kommt.

Eine Mutter zieht sich und ihrem Kind eine Schutzmaske auf / © FamVeld (shutterstock)
Eine Mutter zieht sich und ihrem Kind eine Schutzmaske auf / © FamVeld ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Der Ärzteverband Marburger Bund sagt, "wir sind schon in der zweiten Welle". Die Verbandsvorsitzende Susanne Johan spricht von einer zweiten, flachen Anstiegswelle. Teilen Sie die Einschätzung der Kollegen, dass eine zweite Welle längst da ist?

Rainer Löb (Bundesarzt des Malteser Hilfsdienstes): Das hängt von der Definition ab, was ich unter einer Welle verstehe. Ist das die Welle, ähnlich wie die Ende März, April, Mai, vor der wir alle Angst hatten, dass sie uns alle jetzt noch einmal überrollt? Oder ist das einfach so eine langsam schwankende Wellenbewegung? Nachdem wir immer mehr über diese Erkrankung und die Infektiosität wissen, bin ich mir sicher, dass wir so schnell nicht aus der Pandemie herauskommen, dass wir immer ein gewisses Level haben werden und dass es auch immer Höhen und Tiefen geben wird. Tatsächlich könnte eine zweite große Welle kommen, wenn wir nicht weiter auf uns achtgeben.

DOMRADIO.DE: Was geht in Ihnen vor, wenn Sie da die Bilder wie die der Berliner Anti-Corona-Maßnahmen-Demo vom Wochenende sehen?

Löb: Ich denke mir, dass diese Menschen, die dort so sorglos tun, als hätte es das Ganze nie gegeben, und auch öffentlich erklären, dass es das Coronavirus eigentlich gar nicht gibt, absolut nicht gut informiert sind. Man hat sie nicht erreicht, und sie sind, warum auch immer und aus welchen Prinzipien, die da vielleicht dahinter stehen, einfach dagegen. Aber das sagt mir, es ist ganz wichtig, immer wieder daran zu erinnern: Diese Infektion ist da, sie ist nicht weg und durch die hohe Infektiosität gefährlich.

DOMRADIO.DE: Die Infektionszahlen, die das Robert-Koch-Institut meldet, steigen. Worin sehen Sie den Hauptgrund für diese Entwicklung?

Löb: Wir sind ja jetzt bei 710 Neuinfektionen im Sieben-Tagesdurchschnitt. Das heißt, wir haben schon einen guten Anstieg. Auf der anderen Seite bin ich ganz überzeugt davon, dass es natürlich auch damit zusammenhängt, dass wir insgesamt Lockerungen machen. Ich glaube aber auf der anderen Seite auch, dass wir diese Lockerungen zu einem gewissen Maß immer brauchen werden.

Es wird immer notwendig sein, zu beobachten, ständig neu auszuwerten und dann die Maßnahmen anzupassen, einfach um eine neue Balance zu finden - eine Balance im Miteinander. Wir sind Menschen, die aufeinander bezogen sind. Wir sind auf unsere Gegenüber angewiesen. Wir sind Gesellschaftswesen. Deswegen ist es ganz wichtig, nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für unser Miteinander, dass wir diese neue Balance täglich neu justieren. Das ist für jeden extrem herausfordernd, sich darauf einzulassen. Heute so, morgen so, das wird uns bewahren. Das Negieren sicher nicht.

DOMRADIO.DE: Wir brauchen mehr Flexibilität für den Alltag, auch wenn die Schule jetzt wieder losgeht. Wie sinnvoll finden Sie die Maskenpflicht, die Nordrhein-Westfalen jetzt für weiterführende Schulen verhängt hat?

Löb: Ich sage es mal so: Wenn man die Räume nicht massiv ausweiten kann, starke Belüftung im Winter halte ich auch für relativ schwierig, dann müssen wir auch da irgendeinen neuen Weg finden. Dass das zunächst am Anfang in diesem Sichwiederfinden mit normal besetzten Klassen, wie es geplant ist, wo der Abstand auch nicht zwingend einzuhalten ist, bedeuten kann, dass wir zunächst mal Masken tragen müssen und dass wir uns in den Schulen langsam an das herantasten, was möglich ist, halte ich für sinnvoll.

Dass es eine Leistungsbeeinträchtigung geben kann, wie Kinder- und Jugendärtze sagen, denke ich auch. Aber deswegen ist es notwendig, immer wieder neu zu schauen und zu probieren. Wir lernen jeden Tag dazu. Deshalb ist auch das, was ich im Februar und März im DOMRADIO.DE gesagt habe, erst einmal vorsichtig schauen, aber nicht überschießend, heute überholt. Jetzt sage ich: Augen auf und genau aufpassen!

DOMRADIO.DE: Was wünschen Sie sich als leitender Arzt von den Bürgerinnen und Bürgern in diesem aktuellen Moment der Corona-Krise?

Löb: Ich wünsche mir, dass alle, auch bei schönem Wetter, Urlaubszeit und der unglaublichen Notwendigkeit und dem Bedürfnis, andere Menschen zu treffen, im Kopf behalten, dass Abstand, die Basishygiene-Regeln wichtig sind, Masken in vielen Fällen sinnvoll sind und dass sie alle auf sich selbst und aufeinander achtgeben, damit wir eben nicht eine Masse an Infektionen und der schweren Verläufe bekommen. Mit Blick auf den Herbst wünsche ich mir in diesem Jahr viele Grippeimpfung, damit wir nicht eine Coronavirus- und eine Grippewelle gleichzeitig bekommen, denn das wäre nun wirklich richtig schlimm für das Gesundheitswesen.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR