Schützenvereine trotzen der Corona-Pandemie

"Stay-at-Home"-Aktionen gegen Fest-Abstinenz

Die Auswirkungen der Corona-Pandemie machen auch vielen Schützenvereinen einen Strich durch die Rechnung. Doch mit einem Autokorso für das Prinzenpaar oder einem "Rundum sorglos"-Grillpaket will so manche Bruderschaft gegensteuern.

Autor/in:
Andreas Otto
Reiter von Schützenvereinen / © Jörg Loeffke (KNA)
Reiter von Schützenvereinen / © Jörg Loeffke ( KNA )

Die Schützenbruderschaft im ostwestfälischen Geseke lässt sich nicht unterkriegen. Das diesjährige Schützenfest ist coronabedingt abgehakt.

Umso mehr nimmt der Verein aber das kommende Jahr in den Blick. Wochen, Tage, Stunden, Minuten und Sekunden - langsam, aber sicher zählt eine Uhr auf der Homepage des Vereins die Restzeit runter. Countdown bis zum neuen Saisonhöhepunkt.

Die Pandemie hat den bundesweit rund 14.400 Schützenvereinen alles vermasselt: Festumzug und Festmesse, Bälle und Blasmusik und natürlich die Schießwettbewerbe samt Kür eines neuen Königspaares.

Denn dazu passen weder Abstandsregeln, Mundschutzpflicht noch begrenzte Teilnehmerzahlen. Und vor allem nicht das Nein zu Großveranstaltungen, das über den 31. August hinaus jetzt bis mindestens Ende Oktober verlängert wurde.

Die Vereine haben daher die Amtszeit ihrer Majestäten um ein Jahr verlängert - und trotzen der Pandemie-Zwangspause teils mit kreativen Ideen.

#WirFeiernZuhause

So initiierte die Sankt-Marien-Schützenbruderschaft Waltringen ein Schützenfest "#WirFeiernZuhause". Am Festtag sollen die Mitglieder ihre Häuser mit Flaggen schmücken und so ein Zeichen setzen - für "Glauben, Sitte, Heimat, Hoffnung und Zukunft".

Mitglieder können sich bei einem Landhaus Spezialitäten von der Königsroulade bis zur Kater-Suppe bestellen und "ein bisschen Schützenfest-Gefühl nach Hause" kommen lassen. Das soll auch die wieder möglich gewordene Freiluft-Schützenmesse vermitteln. Der Vorstand erinnert an die viel längere achtjährige Schützenfest-Pause in der NS-Zeit und an die Freude des ersten Nachkriegsschützenfestes 1948: "Wenn wir Menschen jahrelang auf etwas verzichten müssen, kann sich jeder umso mehr darauf freuen, wenn wieder gefeiert werden darf."

Auch der Schützenverein Sellen-Veltrup legte eine "Stay-at-Home"-Aktion auf. Sechs Zweierteams verteilten an Pfingsten preisgünstige wie gut gekühlte "Rundum sorglos"-Grillpakete inklusive Getränke an Familien. Ein virtuelles Schützenfest organisierten die Lembecker - mit "Abstand-Konzert" auf einer Wiese, Böllerschüssen, Facebook-Kranzniederlegung und Disco-Livestream auf Youtube.

Ein "Schützenfest@home" erlebte auch Hesseldorf. Mitglieder in Uniform erwiesen am Straßenrand ihre Reverenz König Mike I. und Königin Ina, die in einer Kutsche durchs Dorf fuhren. Während das Paar Süßigkeiten unters Volk warf, grüßten die Zaungäste mit lautstarkem Horrido. In Neuss lief es umgekehrt: Dort standen die Majestäten am Straßenrand und zu ihren Ehren zog ein Autokorso-Schützenzug an ihnen vorbei.

Karitative Betätigung

Manch ein Verein besinnt sich auf seine religiöse Wurzel und engagiert sich karitativ. Gerade zu Beginn der Krise standen Schützenbruderschaften wie etwa in Werl "Gewehr bei Fuß" und erledigten Einkäufe für Menschen in der Risikogruppe. "Schützenhilfe" gab es auch für die Tafel in Willich.

Die Sankt-Jakobus-Schützenbruderschaft Mastholte versteigert ein Grillfest mit dem Vorstand, um den Erlös einem Kinderhospiz zukommen zu lassen. Die Schützenjugend von Altendorf-Ersdorf machte bei der Aktion "#herzbrief" gegen die Vereinsamung von Senioren mit. Und Kinder, denen zuhause die Decke auf den Kopf fällt, können auf der Vereinsseite eine Dorfrallye downloaden.

Hilfsfonds eingerichtet

Unter dem Motto "Schützen stehen zusammen" haben sechs Vereine aus den Kreisen Höxter und Holzminden einen Fonds eingerichtet, um Schaustellern und Zeltverleihern zu helfen, die unter der Festabsage leiden. Unternehmen, die sonst das Brauchtumsfest sponsern und nun wegen Corona ein Minus verzeichnen, bekommen nun Hilfe von den Schützen von Herzebrock-Clarholz: In einem "Sponsorenvideo" machen sie Werbung für die Firmen.

Derweil beschäftigt auch die Schützen die Frage nach dem Unsinn oder Sinn der Krise. "Vielleicht sollen wir alle mal etwas zurückgeholt werden aus einer sich immer schneller, höher, weiter drehenden Gesellschaft", sinniert der Vorsitzende der Bruderschaft in Medebach.

"Vielleicht sollen wir alle mal wieder mehr Zeit für das haben, was im Leben wirklich zählt: Die Familie, die eigene Gesundheit, der Glaube, der Zusammenhalt und die Rücksicht aufeinander."


Quelle:
KNA
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