Pfarrerin hält Andacht über Dorflautsprecheranlage

Kreativität und Nähe in Corona-Krise

Die Corona-Krise lässt viele Menschen kreativ werden. So auch die evangelische Pfarrerin Anja Jacobi. Sie hat in ihrer Kirchengemeinde im Westerwald einfach eine alte Dorfsprechanlage reaktiviert. Welche Intention steckt dahinter?

Lautsprecher / © tajinna (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Wie sind Sie denn auf diese Idee gekommen?

Anja Jacobi (Evangelische Pfarrerin aus Neunkirchen im Westerwald): Eigentlich bin gar nicht ich darauf gekommen. Ich habe Mitte März unter Freunden geklagt, dass es keine Gottesdienste mehr gibt. Irgendwann rief mich ein Freund an und meinte: "Es gibt doch da diese Dorflautsprecheranlage. Ich habe mal mit dem Bürgermeister gesprochen. Die könntest Du doch nutzen." Ich hatte gar keine Idee, was das überhaupt ist. Ich dachte, das wäre so eine Art Trichterlautsprecher.

DOMRADIO.DE: Die war Ihnen gar nicht bekannt?

Jacobi: Man hört die im Pfarrhaus nur ganz wenig. Ich wusste, dass es sie gibt, aber viel mehr auch nicht.

DOMRADIO.DE: Was wird denn da sonst durchgesagt?

Jacobi: Wenn es irgendwelche Neuigkeiten gibt, irgendetwas, dass das Dorf betrifft. Ansonsten ist sie zu Silvester in Betrieb. Das hat seit drei oder vier Jahren Tradition. Früher wurde allen Geburtstagskindern ein Ständchen gespielt. Das wurde dann aber so viel, dass das dann wieder eingestellt wurde. Also eigentlich wurde die in den letzten Jahren relativ wenig benutzt.

DOMRADIO.DE: Wie genau läuft denn so eine Andacht dann ab? Wie muss man sich das vorstellen?

Jacobi: Wir läuten erst die Glocken wie zu einem Gottesdienst, dann hat meine Tochter ein Stück aufgenommen, was sie auf unserer Kirchenorgel gespielt hat. Das spielen wir dann über die Anlage ab. Dann begrüße ich die Gemeinde und sage ihr, dass die Pfarrerin jetzt spricht, erinnere sie daran, dass jetzt Sonntag ist und nehme das Thema des Sonntags auf.

Dazu sage ich ein paar kurze Sätze, dann kommt ein Stück aus einem Psalm, dann ein Gebet mit eigenen Worten, was mit einem "Vaterunser" schließt.

Dann kommt immer der heikle Punkt: Denn dann muss mein Sohn losrennen und die Kirchenglocke, die Vaterunser-Glocke läuten.

DOMRADIO.DE: Das Ganze läuft dann aber nicht täglich, sondern immer jeden Sonntag?

Jacobi: Genau. Wir haben das zwei Sonntage vor Ostern angefangen und dann Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern weitergemacht. Gerade diese Feiertage waren mir wichtig, um die Leute einfach daran zu erinnern, dass Ostern stattfindet, auch wenn die Menschen in ihren Häusern sitzen und es nicht feiern können. Aber es ist doch da.

DOMRADIO.DE: Jeder und jede im Dorf bekommt über die 30 Lautsprecher das Prozedere mit, ob er oder sie will oder nicht. Wie sind denn die Reaktionen im Dorf?

Jacobi: Wer es nicht hören möchte, kann die Fenster zu machen oder das Radio anmachen. Die Reaktionen, die ich mitbekomme, sind positiv. Wer es nicht mag, sagt es mir wohl nicht. Ich erhalte aber viele positive Reaktionen darauf, beispielsweise dass die Leute sagen: "Ach, das ist aber schön. Das verbindet uns im Dorf. Das hält uns zusammen." Ich freue mich sehr über diese positive Reaktion.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie denn, dass Sie das nach der Corona-Krise weiterführen werden?

Jacobi: Nein, das denke ich nicht. Das ist schon ein Ausnahmezustand. Ich denke, die große Akzeptanz gibt es auch deshalb, weil es ein Ausnahmezustand ist und die Aktion jetzt eine Form darstellt, um die Menschen zu erreichen, die nicht in die Kirche kommen können.

Die Menschen vermissen auch, dass man sich trifft. Deswegen ist diese Form, Verbundenheit zu zeigen, jetzt eine gute Sache. Aber nach der Corona-Krise müssen wir wieder andere Dinge finden.

DOMRADIO.DE: Wie läuft es denn jetzt, wo wieder öffentliche Gottesdienste möglich sind?

Jacobi: Wir haben seit rund zwei Wochen wieder öffentliche Gottesdienste. Aber die laufen ganz besonders ab. Man trägt eine Maske, man sitzt weit weg von seinem Nachbarn und vor allen Dingen, man darf nicht singen.

In diese Gottesdienste können ja auch nur die kommen, die sich relativ sicher sind, dass sie sich nicht anstecken werden. Die ganze Risikogruppe bleibt eigentlich doch besser Zuhause. Deswegen mache ich das im Moment noch weiter.


Quelle:
DR