Hollywood unter dem Einfluss von Covid-19

Die Welt steht Kopf

Die Panik vor den Folgen der Corona-Pandemie hat auch Hollywood erfasst. Neben dem Streit um eine zeitgleiche Auswertung von Filmen im Kino und bei Streamingdiensten irritiert die "Oscar"-Akademie mit neuen Regeln.

Autor/in:
Franz Everschor
Filmkartentafel und Rolle auf Holztisch / © Jag_cz (shutterstock)
Filmkartentafel und Rolle auf Holztisch / © Jag_cz ( shutterstock )

Die Panik vor den unkalkulierbaren finanziellen und produktionstechnischen Folgen der Corona-Pandemie hat auch die Hollywood-Studios erfasst. Ein Beispiel: Da Universal den Video-on-Demand-(VoD)-Erfolg von "Trolls World Tour" als Steilvorlage für eine Neuauflage der Debatte um eine zeitgleiche Auswertung von Filmen im Kino und bei Streamingdiensten nutzt, will die weltweit größte Kinokette AMC Theatres Universal-Filme von ihren Leinwänden verbannen.

Vieles ist möglich

"Ab sofort werden wir keine Universal-Filme mehr spielen, weder in den USA noch in unseren Kinos in Europa und im Mittleren Osten." Als diese Ankündigung Ende April die Runde machte, schlug sie bei der zum Stillstand gezwungenen Filmindustrie und beim Kinopublikum wie eine Bombe ein.

Sollten nun mit Spannung erwartete Filme wie die nächste und wahrscheinlich letzte "Fast & Furious"-Fortsetzung, der ursprünglich für Juli terminierte "Minions: The Rise of Gru", oder "Jurassic World: Dominion" nicht mehr auf der Leinwand, sondern vielleicht nur noch im Video-Streaming zu sehen sein? Kaum vorstellbar, aber möglich.

So vieles ist denkbar, seit das Virus sein Unwesen treibt. Wer hätte geahnt, dass einmal alle Kinos ihre Türen schließen würden und dass der Streaming-Anbieter Netflix 2.000 zusätzliche Mitarbeiter anheuern müsste, um den Ansturm zu bewältigen? 183 Millionen Abonnenten drängen sich weltweit inzwischen nach den Programmen dieses erfolgreichsten Streamingdienstes. Und immer mehr weitere Anbieter bevölkern den Markt des häuslichen Ersatzkinos, von Disney Plus und Apple TV+ bis in Kürze zu HBO Max, Peacock und dem Zehn-Minuten-Videoprogramm Quibi.

Währenddessen stehen in Hollywood die Kameras still. Rund 150.000 Angestellte sind arbeitslos, auch die beliebten Studiotouren finden nicht statt. Größere Kinoketten nehmen Kredite auf und fürchten um ihren Fortbestand, während kleine Arthouse-Kinos Links zu kostenlosen Filmofferten im Internet anbieten.

Die Welt scheint ohnehin schon auf dem Kopf zu stehen - und nun auch noch die Ankündigung, dass die Filme eines der größten Hollywood-Studios künftig in den meisten US-Kinos nicht mehr zu sehen sein werden. Eine rigorose Reaktion auf den von vielen als Affront empfundenen reinen Online-Start von "Trolls World Tour", der Fortsetzung des computeranimierten Musicals "Trolls". Innerhalb von drei Wochen spielte der Film online 100 Millionen Dollar ein, was Universal wohl als Beweis dafür betrachtet, dass Filme auch ohne vorherigen Kinostart im Video-Streaming eine Menge Geld bringen können.

Werden gleichzeitige Starts im Kino und als VoD die Regel? Diese Erfahrung löste eine breite Diskussion über die bisherige Praxis aus, den Kinos ein 90-tägiges Vorspielrecht einzuräumen. Da die Corona-Krise inzwischen vieles zuvor Undenkbare legitimiert, haben sich etliche Vordenker in der US-Filmwirtschaft der einst ganz unpopulären Argumentation rasch angeschlossen.

Filme erst online und dann im Kino?

Wie die "Los Angeles Times" berichtet, warten einige Studios erst gar nicht ab, bis die Krise vorbei ist, sondern setzen jetzt schon Zeichen, wohin der Weg gehen könnte, auch wenn es wieder offene Kinos gibt. Warner Bros. will seinen Animationsfilm "Scoob!" noch in diesem Monat online herausbringen, während Disney die Adaption der Fantasyroman-Reihe "Artemis Fowl" bei Disney Plus starten wird und Paramount die romantische Komödie "The Lovebirds" an Netflix verkauft hat.

Nun kommt ein Unglück ja selten allein. Kaum dass die Ankündigung von AMC Theatres die Runde machte, meldete sich die Academy of Motion Picture Arts & Sciences, die für die Verleihung der jährlichen "Oscars" zuständig ist, und erklärte, die Konsequenzen der Corona-Krise veranlassten sie dazu, eine Änderung in ihrem Regelwerk vorzunehmen.

Zum ersten Mal sollen für die Konkurrenz um die nächsten Akademiepreise, die Ende Februar 2021 verliehen werden, auch Filme zugelassen sein, die nicht in den Kinos erschienen sind. Sorgfältig kaschiert im Schatten des tödlichen Virus wird damit eine Diskussion beendet, die seit Jahren schon Fachleute und Öffentlichkeit bewegt:

Sind Filme, die auch oder sogar nur online zu sehen sind, gleichberechtigte "Oscar"-Anwärter? Einzige Bedingung für die Zulassung zum nächstjährigen Wettbewerb soll nur noch sein, dass die Filme innerhalb von 60 Tagen nach ihrem Start den Akademiemitgliedern auf deren eigener Streaming-Seite verfügbar gemacht werden. Bisher dienten zur Qualifikation ja auch DVD und Blu-Ray, die damit von der Akademie sang- und klanglos beerdigt wurden.

Die Streithähne, die sich im Vorfeld der "Oscar"-Verleihungen in dieser Sache turnusmäßig zu Wort gemeldet haben, werden sich sicher nicht durch das Versprechen der gegenwärtigen Akademiechefin Dawn Hudson beruhigen lassen, dass die neue Regel nur dafür gedacht sei, die Probleme unserer Tage anzusprechen; sie sei aber gewiss "flüssig in der Zukunft".


Hollywood-Schriftzug / © Ingus Kruklitis (shutterstock)
Hollywood-Schriftzug / © Ingus Kruklitis ( shutterstock )

Leerer Kinosaal / © Christian Charisius (dpa)
Leerer Kinosaal / © Christian Charisius ( dpa )
Quelle:
KNA
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