Kameruns Krisenregionen durch Corona im Abwärtstrend

"Müssen wir uns vor Schüssen oder dem Virus schützen?"

Kamerun zählt mit rund 1.700 Fällen zu Afrikas am stärksten von Corona betroffenen Ländern. Über die schwere Krise in den westlichen Regionen spricht indes kaum noch jemand. Dabei sind 737.000 Menschen auf der Flucht.

Autor/in:
Katrin Gänsler
Kamerun ist in Afrika mit am stärksten von Corona betroffen / © kovop58 (shutterstock)
Kamerun ist in Afrika mit am stärksten von Corona betroffen / © kovop58 ( shutterstock )

"Die Corona-Pandemie ist eine totale Überraschung für uns gewesen und extrem schwierig für die Menschen. Schon davor haben andere Probleme die Gesellschaft sehr belastet", sagt Andrew Nkea, Erzbischof von Bamenda im Nordwesten des Landes, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). "Vor allem hier und in der Region Südwest leiden wir aufgrund der sozio-politischen Krise bereits seit vier Jahren." Corona verschärfe das Elend nun weiter.

Kaum jemand spricht über Krise

Über die schwere Krise im anglophonen Teil Kameruns - etwa 20 Prozent der 27,7 Millionen Einwohner stammen aus den Regionen Nordwest und Südwest - spricht kaum noch jemand. Dabei sind nach Schätzungen des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 679.393 Menschen im Land auf der Flucht, 57.809 sind ins Nachbarland Nigeria geflohen. Nie war die Zahl seit Beginn der Krise im Jahr 2016 so hoch.

Vom Machtzentrum in der Hauptstadt Yaounde, die im französischen Landesteil liegt, benachteiligt zu werden - das Gefühl hatten viele Bewohner schon jahrelang. 2016 gingen vor allem Lehrern und Juristen Maßnahmen der Regierung, mit denen das Bildungs- und Justizsystem frankophonisiert werden sollte, zu weit. Die Proteste begannen. Separatisten fordern seitdem die Spaltung des Landes und schüchtern die Bewohner ebenso ein wie die Armee. "Die Krise ist weiterhin die am stärksten vernachlässigte weltweit", sagt Maclean Natugasha, Leiter des Kamerun-Büros des Norwegischen Flüchtlingsrats (NRC).

Arbeit gegen Corona unter erschwerten Bedingungen

Bereits vor dem Covid-19-Ausbruch haben sich zwei internationale Nichtregierungsorganisationen aufgrund mangelnder Finanzen zurückgezogen. Jetzt kann sich die Lage in beiden Regionen noch einmal verschärfen. Dort gibt es offiziell zwar nur wenige Corona-Fälle. In der vergangenen Woche war von zwölf die Rede. Im ganzen Land sind es offiziell jetzt mehr als 1.700.

"Die Angst, dass die Zahlen steigen, liegt auch daran, dass der Nordwesten und der Südwesten von drei Regionen umgeben sind, die am stärksten von Covid-19 betroffen sind: Douala, Littoral und der Westen", so Maclean Natugasha. Die Arbeit sei schon in den vergangenen Wochen erschwert gewesen. Corona-bedingte Reiseverbote verhinderten UN-Flüge sowie die Verteilung von Hygienesets und Wasser. "Wie immer zahlen die Schwächsten den höchsten Preis", so der Experte.

"Besorgniserregend" nennt das auch Nancy Saiboh, Direktorin der nichtstaatlichen Organisation "Aktionen für Entwicklung und Ermächtigung" (Actions for Development and Empowerment). Die Krise in Verbindung mit Corona mache den Menschen Angst. "Sie wissen nicht, ob sie sich vor Schüssen verstecken müssen oder vor dem Virus."

Die Unsicherheit ist groß

In Bamenda und Mamfe, wo Andrew Nkea zuvor Bischof war, erlebt er, dass die Unsicherheit noch immer groß ist. "In beiden Städten versucht man zwar langsam die Rückkehr zur Normalität. Aber Schüsse sind zu hören. Menschen werden weiterhin ermordet."

Die meisten Verbrechen der vergangenen Jahre sind nicht aufgearbeitet worden. Es gibt jedoch Ausnahmen. Als Schritt in die richtige Richtung hat UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet vorige Woche ein Eingeständnis Kameruns bezeichnet; die Regierung hat offiziell zugegeben, dass das Militär an der Ermordung von mindestens 13 Menschen - darunter zehn Kinder - beteiligt war. Sie wurden im Februar im Dorf Ngarbuh in der Region Nordwest umgebracht.

Nationaler Dialog soll für Stabilität sorgen

Für mehr Stabilität sorgen sollte auch der nationale Dialog, der im September stattfand. Nach Einschätzung von Maclean Natugasha ist das bisher jedoch nicht passiert. "Attacken gegen Zivilisten haben zugenommen." Auch Massaker wie das von Ngarbuh seien kein Einzelfall. Bewaffnete Gruppierungen hätten sich zudem auch in der Covid-19-Krise nicht zu einem Waffenstillstand bereit erklärt. Mitarbeiter von Hilfsorganisationen fühlten sich vielfach bedroht.

Erzbischof Nkea betont allerdings, dass "Dialog ein Prozess und kein Event" sei. Geändert habe sich zumindest die Bereitschaft der Regierung, einen Plan für den Wiederaufbau der zerstörten Dörfer aufzustellen. "Wir hoffen, dass ein ehrlicher Dialog mit den wichtigen Teilhabern weitergeht und dieser zu dauerhaftem Frieden führt", so Nkea.


Quelle:
KNA