Verband fordert Blick auf Bedürfnisse von Kindern

Das Leid der Jüngsten in der Krise

Über Lockerungen in der Corona-Krise wird in vielen Bereichen diskutiert. Die Bedürfnisse von Kindern scheinen auf dieser Themenagenda nicht sehr hoch zu hängen, moniert der BDKJ. Wichtig sei, dass Kinder mit anderen Kindern in Kontakt kommen.

Kontakt zu anderen Kinder ist wichtig / © FamVeld (shutterstock)
Kontakt zu anderen Kinder ist wichtig / © FamVeld ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Wenn es um die Situation von Kindern in der Corona-Krise geht, diskutieren Politiker viel über die Wiederaufnahme des Schulbetriebs. Dabei vermissen die Kinder wahrscheinlich andere Dinge mehr als Deutsch und Mathe. Viele wünschen sich Gemeinschaft mit Gleichaltrigen. Was fällt aus Sicht des BDKJ in der politischen Diskussion hinten runter?

Annika Jülich (Diözesanvorsitzende beim Deutschen Bund der Katholischen Jugend): Der ganze Bereich "Kinder und Jugend" geht momentan unter in der Debatte um Lockerungen. Es geht viel darum, was in der Wirtschaft und in der Schule möglich ist. Wir fordern, wie wir das in allen politischen Entscheidungen fordern, dass Kinder und Jugendliche mitbedacht werden und ihre Perspektive eingenommen wird. Das ist uns ganz wichtig und kommt gerade zu kurz.

Ich finde, Familienministerin Franziska Giffey hat es heute ganz gut auf den Punkt gebracht. Sie sagt, wenn über die Bundesliga mehr diskutiert wird als über Kinder, finde sie das schon sehr skurril. Unsere Hauptforderung ist, dass über Kinder gesprochen wird, im besten Fall sogar mit Kindern, um auch in diesem Bereich Entscheidungen treffen zu können.

DOMRADIO.DE: Was fordert der Bund der Deutschen Katholischen Jugend im Hinblick auf die Aktuelle Stunde morgen im Landtag, wenn es um die Situation der Kinder, Jugendlichen und Familien gehen soll?

Jülich: In erster Linie pochen wir sehr darauf, dass Kinderrechte auch in dieser Situation eingehalten werden, soweit es denn geht. Uns ist klar, dass nicht von heute auf morgen Kitas geöffnet werden und Spielplätze komplett frei zugänglich sind. Das soll auch nicht geschehen.

Aber Kinderrechte, wie das Recht auf Freizeit, auf Bildung, auf Unversehrtheit, müssen berücksichtigt werden in politischen Entscheidungen. Ganz konkret gibt es da schon verschiedene Konzepte. Zum Beispiel schlägt der Kita Verband vor, dass in kleinen Gruppen die Kita stattfinden kann. Es sind dann immer die gleichen Kinder, die sich in kleinen Gruppen treffen, die gleichen Betreuerinnen und Betreuer. Genau das ließe sich aus unserer Sicht auch zum Beispiel auf Gruppenstunden der Jugendverbände übertragen. Das ginge eventuell sogar bei Ferienfreizeiten, die dann als Tagesveranstaltungen stattfinden können.

Sportvereine sind ein ganz wichtiger Punkt. Gerade wenn man hört, dass über Bundesliga-Trainingslager gesprochen wird, die in Teilen stattfinden dürfen. Aber im Sportverein dürfen noch nicht mal Tischtennis oder Badminton stattfinden, wo die Kinder doch eine gewisse Entfernung einhalten können.

Dann müssen Maßnahmen wie die Hilfe zur Erziehung ausgeweitet werden, um gerade Kinder aus prekären Familienverhältnissen zu schützen. Spielplätze müssen in Teilen geöffnet werden, gerade da, wo wenig Raum ist, Familien in kleinen Wohnungen leben und es keinen Garten gibt. Dort könnten zum Beispiel Spiele von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern organisiert werden, die das beaufsichtigen.

Uns ist ganz wichtig, dass auch in NRW Studien stattfinden oder man sich zumindest an Studien beteiligt, wie in Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, um herauszufinden, wie ansteckend Kinder überhaupt sind. Das wird ja immer wieder infrage gestellt.

DOMRADIO.DE: Das lässt sich mit einem einfachen Abstrich machen, habe ich gehört.

Jülich: Ja, genau. Das müsste man natürlich jetzt in den Blick nehmen, um auf dieser Basis Entscheidungen treffen zu können.

DOMRADIO.DE: Bei der Sitzung im Landtag soll es um Kostenübernahme der Gebühren für Kitas und Offene Ganztagsschulen und um Schule gehen. Aus Ihrer Sicht werden ganz wichtige Bedürfnisse der Kinder gar nicht angesprochen. Die digitalen Möglichkeiten für Freizeit, die Sie auch genutzt haben, reichen aus Ihrer Sicht nicht. Warum?

Jülich: Das reicht für bestimmte Kinder aus, deren Eltern sich ein gutes digitales Endgerät leisten können und eine gute Internetverbindung haben. Das reicht für ganz viele Kinder aber auch nicht. Kinder können sich, unabhängig von ihren Eltern, nicht so gut vernetzen wie ältere Kinder. Da braucht es Nachbesserungen und die 150 Euro, die jetzt auf Bundesebene als Zuschuss für Kinder aus bedürftigen Familien beschlossen wurden – das reicht natürlich nicht, um sich ein vernünftiges Endgerät zu kaufen.

DOMRADIO.DE: Sie haben ja auch digitale Möglichkeiten genutzt, sagen aber, dass die Kinder sich wieder sehen müssen. Sie würden gerne wieder die Angebote aufnehmen. Und wie könnte das aussehen? Sie haben auch vorher das Stichwort Familien-Patenschaften fallen lassen.

Jülich: Ja, genau. Das ist eine Maßnahme, die durchaus infrage käme, die auch schon von politischer Seite, von dem jugendpolitischen Sprecher der CDU, auf Landesebene angesprochen wurde. Dabei dürfen sich zwei Familien im öffentlichen Raum treffen, die dann vereinbaren, dass sie sich sonst mit niemandem treffen, damit sich die Kinder frei bewegen und miteinander spielen können. Das halten wir für unheimlich wichtig, dass Kinder auch mit anderen Kindern außerhalb der eigenen Familie in Kontakt kommen. Das wäre eine ganz konkrete Maßnahme, die hoffentlich in den nächsten Wochen auf Landesebene beschlossen wird.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR