Käßmann: Aus Erfahrungen mit Corona-Krise Lehren ziehen

Höhere Wertschätzung und offenere Diskussionen

Besonders die Frauenberufe sind betroffen. ​Die Theologin und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, fordert von Politik und Gesellschaft, Lehren aus den Erfahrungen mit der Corona-Krise zu ziehen.

Margot Käßmann / © Meiko Herrmann (KNA)
Margot Käßmann / © Meiko Herrmann ( KNA )

Sie hoffe, dass man neu auf Berufsgruppen schauen werde, die noch vor kurzem nicht die notwendige Wertschätzung erfahren hätten, sagte sie der "Augsburger Allgemeinen" (Donnerstag). "Es sind ja vor allem schlecht bezahlte Frauenberufe, die jetzt systemrelevant sind: die Kassiererin im Lebensmittelladen, die Altenpflegerin, aber auch Post- und Paketboten, die Müllabfuhr." Diese Gruppen bräuchten auch auf lange Sicht höhere Wertschätzung und damit auch bessere Bezahlung.

"Eine weitere Hoffnung, die ich habe, ist, dass wir sehen, dass ein Gesundheitssystem nicht alleine unter ökonomischen Gesichtspunkten betrieben werden kann." Krankenhäuser müssten ohne hohen wirtschaftlichen Druck zur Daseinsfürsorge zählen. Käßmann forderte zugleich, dass "Beschränkungen dort gelockert werden, wo das möglich ist". Die Jungen täten sich mit diesem Virus offensichtlich leichter. "Es sollten also Schritt für Schritt die Schulen und Kindertagesstätten wieder geöffnet werden." Dies seien schwierige Entscheidungen, die Politiker verantworten müssten. "Deshalb bin ich froh, in einem Land zu leben, in dem ich der Politik genau das zutraue."

Offener über den Tod sprechen

Käßmann forderte die Gesellschaft auf, angesichts der Corona-Krise offener über den Tod zu diskutieren: "Was wir tabuisieren, macht uns viel mehr Angst als das, was wir aussprechen", sagte sie. "Worüber die Gesellschaft diskutieren sollte, ist die Frage: Wie will ich eigentlich sterben? Habe ich eine Patientenverfügung? Ich erlebe immer wieder, dass Menschen das abwiegeln, nicht darüber sprechen möchten. Vielleicht rüttelt diese Krise so manchen auf."

Die Theologin zeigte sich glücklich über die im Fernsehen übertragenen Gottesdienste. "Ein Osterfest, ohne dass ich zur Kirche gehe - das hat es für mich noch nie im Leben gegeben." Sie sei deshalb sehr dankbar, dass es Fernsehgottesdienste gebe und werde sich der "Fernsehgottesdienst-Gemeinde" anschließen.

Dies sei leider eine andere Erfahrung, als mit anderen Menschen gemeinsam "Christ ist erstanden" zu singen. Sie hoffe, dass das Läuten der Kirchenglocken am Ostersonntag in ganz Deutschland auch jene Menschen erreiche, die gerade verzagt und einsam seien.


Quelle:
KNA