Bonner Gemeindevorsitzende Traub über Pessach ohne Familie

"Nächstes Jahr in Tel Aviv"

Die Vorsitzende der Synagogengemeinde Bonn, Margaret Traub, wäre in normalen Zeiten wie jedes Jahr mit ihrem Mann nach Israel gefahren, um sich mit ihrer Familie, die in London und Rom lebt, zu treffen. Was in diesem Jahr alles anders ist, erzählt sie im Interview.

Pessach in einer Familie / © Harald Oppitz (KNA)
Pessach in einer Familie / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Frau Traub, ich treffe Sie telefonisch gerade mitten in Ihren Pessach-Vorbereitungen an.

Margaret Traub (Vorsitzende der Synagogengemeinde Bonn): Ja, wir müssen das Haus reinigen. Viel an Gesäuertem wie Mehl, Brot und Nudeln, das Juden über Pessach nicht im Haus haben dürfen, habe ich verschenkt. Auch Eis an die Nachbarskinder. Geschlossene Packungen werde ich für einen symbolischen Euro an meinen Nachbarn, der kein Jude ist, verkaufen. Das ist im Judentum eine Möglichkeit. Man kann das Gesäuerte trotzdem an einem separaten Platz im Haus lassen, weil es nicht mehr das Eigentum ist, und es nach Pessach wieder zurückkaufen.

KNA: Auch wenn dieser Großputz jedes Jahr stattfindet, ist dieses Mal an Pessach doch vieles anders...

Traub: Mein Mann und ich haben schon lange nicht mehr Pessach zuhause gefeiert. Seit zehn Jahren fahren wir mit den Kindern nach Israel. Jetzt muss ich mit meinem Mann hier bleiben, das ist traurig. Wir werden uns mit unseren drei Kindern, die in London und Rom leben, und unseren Enkeln über Zoom im Internet verbinden. So können wir uns wenigstens über das Internet sehen. Mein Mann wird die Haggada auf Hebräisch lesen, die Anleitung für die häusliche Pessach-Feier sowie die Geschichte vom Auszug aus Ägypten.

KNA: Was planen Sie außerdem über die Videoschalte Zoom?

Traub: Außerhalb Israels gibt es zwei Sederabende an Pessach. Das sind gemeinsame Essen in den Familien und Gemeinden, die einer bestimmten Ordnung folgen. Also werden wir auch zwei Mal die Geschichte vom Auszug aus Ägypten lesen, am Mittwoch und Donnerstag. Am Freitagabend beginnt dann schon der Schabbat. Wir feiern also drei Mal alleine zu Hause, mein Mann und ich. Die Synagoge muss wegen Corona weiterhin geschlossen bleiben, also fällt dort auch der Seder für die Gemeinde aus.

KNA: Wie sah der sonst aus?

Traub: Auf den Tisch kommen zum Beispiel Charoset, das ist eine Paste aus Trockenobst und Nüssen, ein Knochen als Symbol für die geschlachteten Pessachlämmer und ein gekochtes Ei, Bitterkräuter, Wurzelgemüse, Salat und ein Glas Salzwasser. Ich bereite außerdem Fleisch und eine Hühnerbrühe mit Mazzeklößen vor. Die kommt aus der aschkenasischen Tradition. Ich bereite aber auch Sephardisches vor, weil ich eine Mischung aus beidem bin. Ich koche immer zu viel. Mein Mann sagt in diesem Jahr: Freu dich, du hast viel weniger zu tun. Denn sonst habe ich immer für den Seder in der Synagoge für 80 bis 90 Leute gekocht, die mir dabei geholfen haben. Nun muss jeder den Seder für sich machen. Aber auch die Synagoge ist gereinigt worden, Chamez - also Gesäuertes - symbolisch verkauft. Die Mazzen, ungesäuerte Brote, sind rechtzeitig angekommen und wurden unter den Mitgliedern verteilt.

KNA: Was bedeutet Pessach in diesen seltsamen Zeiten für Sie und Ihre Familie?

Traub: Meine Familie wird hoffentlich merken, wie wichtig Familie ist. Aktuell sieht es so aus, dass mein Sohn in Rom mit seiner Familie noch nicht einmal vor die Tür darf, meine Tochter und mein anderer Sohn in London trauen sich mit ihren Familien nicht. Es gibt diese Worte am ersten Sederabend an Pessach: "Nächstes Jahr in Jerusalem." Ich sage jetzt: "Nächstes Jahr in Tel Aviv." Dann möchte ich dort wieder mit meiner Familie feiern.

Das Interview führte Leticia Witte.


Quelle:
KNA