Warum im Münsteraner Dom zur Heiligen Corona gebetet wird

Ein Zufallsfund gibt nun Hoffnung

Seit der Virus-Pandemie wird ihr besondere Aufmerksamkeit zuteil: Die Heilige Corona wird sogar gegen die Ausbreitung von Seuchen angerufen. Warum nun eine Figur im Paulusdom steht, erklärt der Münsteraner Dompropst Kurt Schulte.

 St.-Paulus-Dom in Münster / ©  Friso Gentsch (dpa)
St.-Paulus-Dom in Münster / © Friso Gentsch ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wo haben Sie diese Statue gefunden?

Kurt Schulte (Dompropst in Münster): Es hat schon etwas Besonderes auf sich. Ich bin auch am Offizialat, am kirchlichen Gericht tätig. Ein Mitarbeiter aus dem Offizialat wurde beauftragt, eine Wohnung aufzulösen. Es kam dabei eine große Heiligenfigur zum Vorschein. Er hat mich gebeten, diese in einer würdigen Art und Weise aufzubewahren, weil in der neuen Wohnung dafür kein Platz war.

Man dachte, dass es sich dabei um die Heilige Elisabeth handele, weil sie in der Hand etwas hält, das wie Brot aussieht. In der Familie wurden außerdem die Caritas und das soziale Engagement sehr großgeschrieben.

Ich habe die Figur unseren Kunstsachverständigen gezeigt und habe sie in Augenschein genommen. Dabei kam tatsächlich heraus, dass es sich um die Heilige Corona handelt. Sie war mir bisher völlig unbekannt. Sie hat dann einen Platz bei mir in der Wohnung gefunden.

Als jetzt plötzlich vom Coronavirus die Rede war, habe ich mich wieder daran erinnert und einmal über das Leben der Heiligen Corona nachgelesen. Ich habe die Figur daraufhin in den Dom gebracht und da steht sie nun an besonderer Stelle.

Wir haben ein Gebet und eine Lebensdarstellung dort ausgelegt. Viele Menschen sehen sich diese Figur an, verweilen davor und beten mit ihren persönlichen Sorgen und Nöten.

DOMRADIO.DE: Der Dom ist ja noch geöffnet für das Gebet, die Menschen dürfen also noch kommen. Wird die Figur viel besucht, sieht man da häufig Menschen stehen?

Schulte: Ja. Viele sind natürlich erst einmal überrascht, dass sie diese Figur dort sehen. Vorher stand dort keine Figur. Wir machen insgesamt die Erfahrung, dass der Dom nicht so stark besucht ist. Auch die Münsteraner Innenstadt ist leer.

Aber alle Menschen, die den Dom besuchen, verweilen dort und nehmen Platz, lesen sich den Faltzettel durch und schöpfen Kraft aus dem Gebet.

DOMRADIO.DE: Das hätten Sie persönlich auch nicht gedacht, dass gerade diese Figur einmal einen prominenten Platz im Dom haben würde, oder?

Schulte: Ganz bestimmt nicht. Ich habe mich immer gefragt, wo diese Figur wohl einen guten Platz finden könnte. Wenn ich abends um 19:30 Uhr beim Läuten der Glocken im geschlossenen Dom mit dem diensthabenden Küster oder der Küsterin gemeinsam den Rosenkranz bete, sprechen wir am Ende des Gebets "Heilige Corona, bitte für uns."

Diese Anrufung ist für mich sehr gewöhnungsbedürftig, da der Virus so präsent im Kopf ist.

DOMRADIO.DE: Am vergangenen Freitag hat der Papst einen großen Gottesdienst gefeiert. Naja, eigentlich war er ganz alleine auf dem Petersplatz. Er hat aber den Segen "Urbi et Orbi" über die Stadt und den Erdkreis gespendet in dieser Zeit. Haben Sie auch in Münster das Gefühl, dass die Menschen gerade etwas zum Festhalten brauchen?

Schulte: Ich spüre in diesen Tagen, wo ich viele Telefonate führe, dass die Menschen sich ausgeliefert und ohnmächtig fühlen. Sie suchen nach Halt und Perspektiven und versuchen, in dieser angstmachenden Zeit Kraft zu schöpfen.

Viele finden Zuspruch im Segen des Papstes und seiner wunderbaren Ansprache. Die Menschen suchen Gott in dieser Zeit. Die Menschen merken, dass es eine herausfordernde Zeit ist, aber sie schöpfen Kraft und Zuversicht in dem Wissen, dass Gott bei ihnen ist.

DOMRADIO.DE: Wie sehr schmerzt es Sie denn, dass Sie den Dom nur außerhalb der Gottesdienste öffnen können?

Schulte: Das schmerzt mich sehr. Ich feiere sonst täglich den Gottesdienst im Dom mit einer sehr vertrauten Gemeinde. Es ist mehr als gewöhnungsbedürftig, den Gottesdienst im Dom nun alleine zu feiern. Vor allem mit Blick auf das Osterfest und der Erfahrung der Eucharistiegemeinschaft.

DOMRADIO.DE: Ist es schwierig zu erklären, dass die Kirche, die ja gerade in Krisenzeiten für die Menschen da ist, alle Menschen beim Gottesdienst außen vor lassen und vor den Fernseher verbannen muss?

Schulte: Ja. Ich habe bisher immer in Frieden und in guten Zeiten leben dürfen. Ich habe es bisher nicht erlebt, dass die Kirchen geschlossen werden mussten und die Menschen nicht zum Gottesdienst gehen konnten.

Gerade Zeiten von Not und Bedrängung sind Zeiten des gemeinsamen Gottesdienstes und des Gebets. Man hält in der Gemeinschaft Fürbitte und sucht Trost. Jetzt ist uns diese Möglichkeit des Kraftschöpfens genommen und wir merken, dass uns etwas Wesentliches fehlt.

Wir müssen daher neue Wege suchen und da spielen Gottesdienstübertragungen wie zum Beispiel durch DOMRADIO.DE und viele andere Dinge eine wichtige Rolle. Sie verkünden die frohe Botschaft und verbinden die Menschen mit Gott.

DOMRADIO.DE: Es gibt ja so ein Sprichwort: "Was nicht da ist, das vermisst man am Ende auch nicht." Wenn die Krise noch länger andauern sollte, haben Sie Angst, dass die Menschen den Zugang zum Gottesdienst und der Kirche verlieren könnten?

Schulte: Ich glaube, dass beides möglich ist. Einige werden den Sonntag auch ohne Besuch der Heiligen Messe gestalten können und nach der Krise den Gottesdienst nicht mehr aufsuchen.

Ich hoffe, dass die Menschen andererseits in dieser Zeit zum Nachdenken kommen und sich auf das Wesentliche besinnen. Da bin ich wieder bei der Heiligen Corona. Sie ist ja auch die Patronin der Schatzsucher. Jesus spricht ja auch vom Schatz im Acker oder der Perle.

Wir sollten für uns den Glauben und das Empfangen der Eucharistie wieder als Kraftquelle entdecken. Vielleicht entdecken wir durch die Sehnsucht danach und das Nachdenken über das Wesentliche den Gottesdienst wieder neu für uns.

DOMRADIO.DE: Jetzt stehen die Kar- und Ostertage an, diese intensiven Liturgien. Haben Sie schon eine Idee, wie das sein wird, Eucharistie mit nur ganz wenigen Menschen im Dom zu feiern?

Schulte: Wir haben gleich, als uns klar wurde, dass die Gottesdienste ohne Gemeinde gefeiert werden müssen, mit der Dommusik und dem Domzeremoniar begonnen zu planen, diese Gottesdienste in schlichter Weise zu feiern. Es ist eine Möglichkeit, den Menschen das Ostergeheimnis und die Liturgie nahezubringen.

Ich bin in aller Trauer darüber, dass vieles nicht möglich ist, doch dankbar dafür, dass die Gottesdienste über die Medien zu den Menschen ins Haus gebracht werden können. Ich weiß von vielen, dass sie zu Hause sitzen und die Gottesdienste nicht nur anschauen, sondern auch mitfeiern.

Ich glaube, dass uns das mit den Kar- und Ostergottesdiensten auch gelingen wird. Am Sonntag feiert unser Bischof Felix Genn die Heilige Messe und hält eine Ansprache. Er legt das Evangelium aus.

DOMRADIO.DE: Es gibt im Internet eine interessante Idee. Viele vermissen die Gottesdienste und der Vorschlag war, wenn die Krise vorbei ist und alle Beschränkungen hoffentlich aufgehoben sind, den ersten Gottesdienst in jeder Kirche als Ostergottesdienst zu feiern. Was halten Sie davon?

Schulte: Das halte ich für eine sehr gute Idee. Jeder Sonntag sozusagen ist ja ein kleines Osterfest und warum sollten wir das nicht wirklich nach dieser Krise in einer großen Festlichkeit begehen.

Wir haben nach der vielen Hilfe, die wir in diesen schwierigen Zeiten erfahren haben, allen Grund dazu, Danke zu sagen und diesen Gottesdienst dann in würdiger Weise zu feiern.

Das Interview führte Matthias Friebe.                  


Quelle:
DR