Wie steht es um die Ernte in Corona-Zeiten?

"Die Helfer müssen auch helfen können"

In der Landwirtschaft fehlen für die Ernte und die Arbeit auf dem Feld gerade hunderttausende Arbeitskräfte – vor allem aus Osteuropa. Die Katholische Landvolkbewegung Deutschland fordert deshalb jetzt schnelle Hilfe für die Bauern.

Es fehlen Erntehelfer - nicht nur für Spargel / © barmalini (shutterstock)
Es fehlen Erntehelfer - nicht nur für Spargel / © barmalini ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Hunderttausende Saisonarbeitskräfte und Pendler aus Osteuropa können gerade wegen des Coronavirus nicht nach Deutschland kommen. Was heißt das ganz konkret für die Bauern? Haben Sie ein Beispiel?

Bettina Locklair (Geschäftsführerin der Katholischen Landvolkbewegung): Das heißt für die Bauern vor Ort, dass sie tatsächlich keine Hilfskräfte für die anfallende Arbeit haben. Ein Hof hier in Brandenburg, nahe der polnischen Grenze wo ich lebe, hat normalerweise viele Saisonarbeitskräfte. Mit 2,5 Personen versucht man dort gerade einen Betrieb mit 100 Hektar, 50 Milchkühen und Rindern aufrechtzuerhalten. Mittlerweile sagen sie dort, dass das Tier vorgeht. Das bedeutet, dass sie nicht mehr auf den Acker kommen, um die Saat einzubringen.

DOMRADIO.DE: Die Landwirte sind in großer Not, sagt auch Landwirtschaftsministerin Klöckner. Eine Ernte, die heute nicht stattfindet, könne nicht nachgeholt werden. Sie befürchtet jetzt Engpässe. Was würde helfen?

Locklair: Helfen würden viele helfende Hände. Die müssen es aber auch können. Außerdem müssen sie kurzfristig zur Verfügung stehen und nicht durch bürokratische Hürden davon abgehalten werden, überhaupt zur Verfügung zu stehen.

DOMRADIO.DE: Es gibt Berichte, in denen Bauern befürchteten, dass Schüler und Studenten ihren Spargel kaputt machen würden. Was sagen Sie dazu?

Locklair: Dem kann ich nur zustimmen. Ich selber wäre auf einem solchen Spargelfeld eine Katastrophe. Spargelstechen muss man können, damit man nicht zu viel Spargelbruch produziert. Das wäre wahrscheinlich der Fall und würde den Landwirt nicht glücklich machen. Man muss diese Arbeit auch aushalten können. Sie ist kraftzehrend und körperbeanspruchend. Man bückt sich, rutscht auf den Knien und ist die ganze Zeit in gekrümmter Haltung. Acht Stunden Arbeit sind dann ganz schön anstrengend und ich glaube, dass Schüler oder Studenten, die viel am Schreibtisch gesessen haben, das körperlich nicht aushalten würden.

DOMRADIO.DE: Das schließt ja eine Riesengruppe potenzieller Arbeitskräfte schonmal aus. Wer kommt dann überhaupt noch in Frage? Studierende von Agrarwissenschaften oder verwandter Studiengänge, die man vielleicht statt in die Uni als Praxissemester aufs Feld schicken könnte?

Locklair: Das könnte ich mir durchaus vorstellen. Gerade diese Gruppe von Studierenden muss ihre Praxiserfahrung sammeln. Ich weiß von verschiedenen Hochschulen, dass man intern darüber diskutiert, wie das möglich ist. Wir müssen natürlich immer darauf achten, dass wir die Studien- und Prüfungsordnung nicht aushebeln und dass die Studierenden vor Ort eingesetzt werden können.

DOMRADIO.DE: Genau wie beim Thema Pflege merken wir jetzt auf einmal, dass Erntehelfer wichtig sind. Diese wichtige Arbeit wird normalerweise kaum wertgeschätzt. Sehen Sie das auch so?

Locklair: Das ist tatsächlich das größte Problem und deswegen kann man dankbar sein für den neuen Blickwinkel, den diese Krise auch ermöglicht. Wir sehen jetzt, was alles still und unbemerkt stattfindet, um unseren Lebensunterhalt zu ermöglichen – sozusagen das, was uns die Nahrung auf den Tisch bringt. Der Blickwinkel öffnet sich viel stärker dafür, weil wir nun merken, was möglich ist und was nicht.

Die Saisonarbeitskräfte leben manchmal monatelang in Deutschland in nicht wirklich schönen Arbeits- und Unterkunftsverhältnissen. Sie bekommen den Mindestlohn und sparen dann auch noch, um ihre Familien in der Heimat zu ernähren. Es ist wichtig, auf diese Verhältnisse kritisch zu schauen und zu hinterfragen, ob auch die Arbeit in der Landwirtschaft attraktiv gestaltet werden kann. Vielleicht könnte diese Arbeit für uns vor Ort dann auch eine Möglichkeit sein.

DOMRADIO.DE: Wie real ist das, dass wir als Verbraucher demnächst nicht mehr das Obst und Gemüse bekommen, dass wir uns wünschen?

Locklair: Das Obst, dass wir uns wünschen, ist eine gute Aussage. Wenn wir von Engpässen sprechen, ist das ein Luxusproblem, was wir haben. Es wird genügend zu essen geben, aber vielleicht nicht die eingeführten Himbeeren in einer Zeit, wo sie sowieso bei uns nicht wachsen würden. Vielleicht wird es auch keine Mangos oder Äpfel aus Südafrika geben.

Hier vor Ort vergammelt manchmal so viel Obst an den Straßenbäumen. Es wird vielleicht notwendig sein, dass wir wieder zur Selbsthilfe greifen. Von einem Engpass zu sprechen, der zum Hunger führt, wäre unrealistisch. Wir können vielleicht nicht alle Wünsche erfüllen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

Information zur Katholischen Landvolkbewegung:

Die Katholische Landvolkbewegung Deutschland ist eine Bildungs- und Aktionsgemeinschaft. Sie fördert die Begegnung, führt Aktionen durch, tritt ein für die Entfaltung und Förderung der Persönlichkeit, die bereit und fähig ist, in Kirche, Staat, Gesellschaft und Beruf Verantwortung zu übernehmen. Die Katholische Landvolkbewegung wirbt im Geiste des Evangeliums für eine lebendige Kirche, für die Stabilität der Familien auf dem Lande, für lebenswerte und liebenswerte Dörfer, für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, eine glaubwürdige Schöpfungsverantwortung und eine solidarische Welt.

Zur KLB gehört der Internationale Ländliche Entwicklungsdienst: Ländliche und dörfliche Entwicklungshilfe in Lateinamerika, Afrika und Asien. Sie unterstützt Selbsthilfebewegungen, Partnerschaften und Projekte im Sinne der internationalen Solidarität des Katholischen Landvolks.


Tomatenernte / © Wojciech Pacewicz (dpa)
Tomatenernte / © Wojciech Pacewicz ( dpa )

Im Herbst beginnt die Erntezeit für Birnen / © Philipp Schulze (dpa)
Im Herbst beginnt die Erntezeit für Birnen / © Philipp Schulze ( dpa )

Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin / © Andreas Arnold (dpa)
Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin / © Andreas Arnold ( dpa )
Quelle:
DR