Erzbischof Burger und Bischof Fürst zur Corona-Pandemie

Kirchen im Südwesten wollen Menschen weiter begleiten

Wie geht die katholische Kirche im Südwesten mit der Corona-Pandemie um? In einem Interview geben der Freiburger Erzbischof Stephan Burger und der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst Antworten.

Bischof Gebhard Fürst (l.) und Erzbischof Stephan Burger / © Harald Oppitz (KNA)
Bischof Gebhard Fürst (l.) und Erzbischof Stephan Burger / © Harald Oppitz ( KNA )

KNA: Baden-Württemberg hat wegen des Coronavirus alle Zusammenkünfte in Kirchen, Moscheen und Synagogen verboten. Sind diese Maßnahmen des Staates sachlich angemessen und rechtlich geboten?

Bischof Gebhard Fürst (Bischof von Rottenburg-Stuttgart): Die Menschen jeden Alters, aber eben gerade auch unsere älteren Mitmenschen, bestmöglich zu schützen, hat für uns als Gebot der Nächstenliebe oberste Priorität. Deshalb unterstützen wir alle Maßnahmen, die der Staat für geboten hält. Auch wenn das die schmerzliche Konsequenz mit sich bringt, dass wir, wenn die Anordnung des Landes bis Mitte Juni in Kraft bleibt, weiterhin keine Gottesdienste feiern dürfen.

Parallel arbeiten wir an einem Konzept, wie wir in Übereinstimmung mit der Anordnung des Landes Gottesdienste unter Ausschluss der Öffentlichkeit im kleinsten Rahmen feiern können - natürlich unter Wahrung der erforderlichen hygienischen Standards.

Erzbischof Stephan Burger (Erzbischof von Freiburg): In dieser Zeit der Krise sollten sich alle Menschen und Institutionen bestmöglich an die staatlichen Vorgaben halten. Es geht jetzt nicht darum, um Rechte oder Privilegien zu streiten, sondern darum, die Maßnahmen zur Verlangsamung der Virusausbreitung umzusetzen, als Gesellschaft und als Gemeinschaft.

KNA: Aber die Folgen der Verbote für das kirchliche Leben sind einschneidend.

Burger: Ich verstehe, dass Menschen traurig oder empört sind, dass nun sogar Gottesdienste und religiöse Veranstaltungen derart eingeschränkt werden müssen. Man denke hier an die Feierlichkeiten zu Ostern, die nun in der gewohnten Form wegfallen. Oder man denke an all die Trauungen, Firmungen, Taufen, die nun verschoben werden müssen. Oder die Sakramente können nur im kleinsten Kreis gespendet werden. Nicht zu vergessen die Bestattungen und Trauerfeiern. Hinter dem Verbot stehen folglich viele persönliche Schicksale.

Aber ich hoffe, dass alle Verständnis und Vernunft zeigen: Wenn wir im privaten Gebet statt im öffentlichen Gottesdienst als Kirche verbunden sein können und dadurch gleichzeitig unsere Mitmenschen schützen, ist es unsere christliche Verantwortung, diesen Maßnahmen zu folgen.

KNA: Bleiben die Kirchen vielerorts offen?

Fürst: Ja, wir möchten den Christen die Möglichkeit zum Gebet geben. Zudem arbeiten wir intensiv an Möglichkeiten, wie wir die Menschen in dieser schwierigen Zeit begleiten können. Alle unsere Pfarrbüros sind weiterhin als pastorale Anlaufstellen zu den gewohnten Zeiten per Telefon oder E-Mail erreichbar. Die pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind weiterhin in seelsorgerlichen Fragen ansprechbar.

KNA: Besonders Ältere und Vorerkrankte sind von Covid-19 gefährdet. Wie wollen sich Kirche und Caritas hier engagieren?

Burger: Vor allem will Kirche helfen, indem sie die Menschen dafür sensibilisiert, dass es jetzt ein Gebot der Stunde ist, soziale Kontakte einzuschränken und körperliche Distanz zu wahren. Die Auflagen widersprechen eigentlich genau unserer Art und Weise, in Krisen miteinander umzugehen. Während wir sonst beieinander und füreinander da sind, sind wir jetzt zum 'Abstand Halten' aufgerufen.

Das ist auch für die Kirche eine neue Herausforderung. Kirche lebt ja eigentlich von Begegnung.

Aber wir wollen neue Formen der Begegnung schaffen: durch Livestreams, Gottesdienstübertragungen, Telefonhotlines. Ich hoffe, dass die Gläubigen auch selbst Ideen entwickeln, wie sie mit ihren Angehörigen und Freunde in Kontakt bleiben können. Den Großeltern wieder Briefe schreiben, die sozialen Medien nutzen, digitale Grußbotschaften zu Ostern senden, telefonieren, skypen und vieles andere mehr. Ich denke, da ist unserer Fantasie keine Grenze gesetzt.

KNA: Die Kirchen sind auch Träger vieler Kinder-, Alten- und Krankeneinrichtungen. Wie reagieren Sie hier?

Fürst: Um ältere Menschen und Vorerkrankte zu schützen, halten die karitativen Träger die Verordnungen des Landes zum Besuchsverbot in den Pflegeeinrichtungen konsequent ein. Gleichzeitig gibt es Empfehlungen an die Träger von Organisierter Nachbarschaftshilfe und an die Helferinnenkreise, wie unter den erschwerten Bedingungen Alleinlebende und Hilfebedürftige weiter gut begleiten können.

Nach der Schließung der Kindertagesstätten bieten wir den jungen Eltern in unserer Mitarbeiterschaft flexible und großzügige Arbeitszeitlösungen an, weil sie ja die Großeltern bei der Betreuung nicht mehr in Anspruch nehmen können. In der Familien und Lebensberatung und in der Telefonseelsorge stehen gerade für Ältere telefonische und digitale Beratungsformate zur Verfügung.

In vielen Kirchengemeinden entstehen gerade Ideen und Projekte, um ältere Menschen in dieser schweren Situation zu unterstützen. Da bieten Jüngere an, für die Älteren einzukaufen und es wird ganz intensiv versucht, sich um die zu kümmern, die alleine sind und ihr Haus nicht verlassen können. Das sind Zeichen der Nächstenliebe, die Mut machen.

KNA: In wenigen Wochen naht mit Ostern das wichtigste Fest für Katholiken. Wie feiern Sie in Baden-Württemberg Ostern?

Burger: Ich werde die Ostergottesdienste wie geplant feiern in Gedenken und im Gebet für all die, die erkrankt sind, die sich in Isolation befinden, die Angst haben. Diese Gottesdienste werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Aber wir laden alle herzlich ein, über das Internet teilzunehmen. Nicht zu vergessen die Möglichkeit, als Familie oder als Einzelner diese Tage im Gebet und im Gedenken an die Ereignisse der Kar und Osterzeit mitzufeiern. Die Heilige Schrift ist hier eine wunderbare Wegbegleiterin.

Fürst: Auch wir arbeiten intensiv an Lösungen für die Feier der Kar- und Ostertage im Rahmen der Vorgaben der Landesregierung. Schon jetzt finden Sie auf www.drs.de Informationen zu medialen Angeboten zum Mitfeiern von Gottesdiensten im Netz sowie im Hörfunk und Fernsehen.

KNA: Fallen auch Taufen, Trauungen und Beerdigungen im engsten Kreis unter das staatliche Verbot?

Fürst: Wir haben im Krisenstab des Bistums entschieden: Taufen und Trauungen finden bei uns bis Ende Mai nicht statt. Auch hier gilt, dass wir die Frist entsprechend der Vorgaben des Landes erweitern, wenn dies notwendig ist. Erstkommunionfeiern werden auf die Zeit nach den Sommerferien verschoben. Firmungen bis Ende Mai sind abgesagt und werden von September bis März nächsten Jahres nachgeholt.

Beerdigungen können nach den behördlichen Vorgaben weiterhin stattfinden. Trauerfeiern und Requien müssen aber nachgeholt werden.

Hauskommunion und Krankensalbung werden allgemein eingestellt. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger stehen aber auch in Krisensituation an der Seite der Kranken. In Notfällen bringen sie unter Beachtung der rechtlichen Lage und der besonderen Hygienemaßnahmen auch weiterhin die Kommunion und spenden die Krankensalbung.

Burger: Auch wir differenzieren. Öffentliche Gottesdienste finden nicht mehr statt, um das Ansteckungsrisiko zu minimieren. Für Taufen, Trauungen oder Bestattungen gilt das ebenso. In Absprache mit den betroffenen Familien überlegen wir, ob es Sinn macht, Feiern stattfinden zu lassen oder ob es nicht besser wäre, diese zu verschieben.

Dabei gilt es, sich nach den Auflagen der staatlichen Behörden zu richten, das steht außer Frage. Nicht zuletzt würde jegliches Gebet innerhalb einer Familie oder einer Kleingruppe, das nach unserem Verständnis auch eine Gottesdienstform darstellt, unter das Verbot fallen. Aber nach meiner Auffassung ist eine solche Engführung vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Insofern halte ich Taufen, Trauungen und auch Bestattungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiterhin für möglich.

Das Interview führten Volker Hasenauer und Michael Jacquemain.


Quelle:
KNA