Über die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise

"Dringender Hilferuf an die Politik"

Durch die Coronakrise sind auch schwere Folgen für die Wirtschaft zu erwarten. Wie sollen beispielsweise Unternehmen die Folgen von Schul- und Kitaschließungen kompensieren? Der Bund Katholischer Unternehmer hofft hierbei auf den Staat.

Menschen bei der Arbeit / © Kanghophoto (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Für Unternehmer ist die Coronakrise eine Katastrophe. Kann man jetzt überhaupt schon ermessen, was das für Folgen haben wird?

Prof. Dr. Dr. Ulrich Hemel (Vorsitzender des Bundes Katholischer Unternehmer, BKU): Die Folgen werden sich erst mittelfristig zeigen, sind aber teilweise heute schon erkennbar. Denn wenn Schulen schließen, wenn Kindergärten schließen und Beschäftigte sich um Kinder kümmern müssen, dann hat das Auswirkungen auf die Betriebe. Wie wollen die dann ihrerseits eine ordnungsgemäße Abwicklung sicherstellen?

DOMRADIO.DE: Große Konzerne stehen jetzt schon bei der Politik auf der Matte. Da gibt es sicher bald viel Unterstützung. Wie sieht es aber mit den mittleren und kleinen Unternehmen aus, die sich ja nicht so gut äußern können?

Hemel: Das ist eine ganz große Herausforderung, denn das Geld, das am Anfang eines Monats oder am Ende eines Monats auf dem Konto der Beschäftigten landet, muss ja vorher auf irgendeinem Firmenkonto eingegangen sein. Dieses Geld kann aber nur eingehen, wenn die Firma eine Leistung erbringt. Dazu braucht man Menschen und Ausstattungen – alles Mögliche, aber ohne Menschen geht es eben nicht. Deswegen ist das ein Riesenthema, wenn der Wirtschaftskreislauf hier zum erlahmen kommt.

Was machen Sie als Messebauer, wenn Ihnen drei Messen hintereinander abgesagt werden? Was machen Sie als Veranstaltungsorganisator, wenn Veranstaltungen massenweise abgesagt werden? Dann haben Sie irgendwann die Erträge nicht mehr auf dem Konto und haben dann Schwierigkeiten, das Geschäft fortzuführen.

Deswegen brauchen wir ganz dringend auch echte Liquiditätshilfen des Staates. Das geht bis dahin, dass man betrachten muss, wer denn die Arbeitszeit ersetzt, die ausfällt. Denn die Löhne sollen ja weiter gezahlt werden. Aber wenn die Arbeitszeit nicht erbracht werden kann, weil man sich ja um Kinder kümmern muss und auch will, dann muss das ja irgendwo gelöst werden. Das ist ein wirklich dringender Hilferuf, auch an unsere politischen Verantwortungsträger.

DOMRADIO.DE: Jetzt darf man ja auf gar keinen Fall die Wirtschaft und die wirtschaftlichen Folgen gegen die Gesundheit ausspielen – und umgekehrt natürlich auch nicht. Natürlich ist die Gesundheit der Menschen überaus wichtig. Man muss aber auch daran denken, was passiert, wenn den Menschen jetzt das Gehalt wegbricht, oder?

Hemel: Das Gehalt bricht ja nicht so schnell weg. Selbst wenn ein Betrieb in Deutschland insolvent gehen würde, gäbe es das sogenannte Insolvenzgeld. Da haben wir in Deutschland eine gute Regelung. Das heißt, das zahlt dann der Staat für drei Monate. Auch der Staat muss aber das Geld erst einmal einnehmen, bevor er es ausgeben kann. Wir haben eine ganze Wirkungsstätte, die hier in Gang gekommen ist.

Wir werden das überstehen. Ich glaube, dass wir unter dem Strich schon eine solidarische Gesellschaft sind. Aber wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, was es für einzelne Menschen, einzelne Betriebe und einzelne Regionen auch bedeutet, wenn das öffentliche Leben und teilweise auch das wirtschaftliche Leben so stark leidet und fast schon eingestellt wird.

DOMRADIO.DE: Die Börse bricht auch ein, die Aktienkurse fallen in den Keller. Was heißt das für all die Menschen, die ihr Erspartes in Aktienfonds angelegt haben und sich damit ja auch Rücklagen fürs Alter geschaffen haben?

Hemel: Erst mal sind Aktienfonds bei den meisten Menschen natürlich nicht der Hauptteil des Vermögens, wenn sie überhaupt Vermögen ansparen können. Das ist ein Problem, das wir in Deutschland haben, dass viele Menschen gar nicht in der Lage sind, Vermögen anzusparen. Wenn man Vermögen anspart und Aktien ein Teil dieses Vermögens sind, dann hat dieser Vermögensteil jetzt deutlich gelitten.

Wir haben die größten Kursstürze seit vielen Jahren erlebt. Die Börse ist im Vergleich zu den Höchstständen Anfang des Jahres jetzt bereits um mehr als 30 Prozent gesunken. Das heißt, wenn Sie 10.000 Euro angelegt haben, haben Sie jetzt noch 7.000 Euro übrig. Und wenn Sie das in Panik verkaufen, könnte es noch weniger sein. Wir haben also tatsächlich eine Reaktion auch der – gewissermaßen – Indikatoren für Vermögensbildung an den Börsen. Das bedeutet, dass die Menschen tatsächlich in Sorge sind und dass diejenigen, die jetzt nicht die Geduld haben, abzuwarten, auch tatsächlich auf den Verlusten sitzen bleiben.

DOMRADIO.DE: Solidarität ist jetzt also ganz besonders gefragt. Der Bund Katholischer Unternehmer fühlt sich dem christlichen Glauben verpflichtet. Ist das jetzt auch ein Stresstest für unsere Empathie und für unser Solidaritätsvermögen?

Hemel: Ja, auf jeden Fall. Denn die Art und Weise, wie wir miteinander kommunizieren, hat ja auch etwas mit unserer Haltung zu tun. Aus einer christlichen Haltung heraus wissen Unternehmer vor allem, dass sie nicht zuletzt verantwortlich sind, sondern dass es noch etwas Größeres gibt. Das führt zu einer gewissen Gelassenheit, vielleicht zu einer Freundlichkeit und Ausgewogenheit im Umgang mit den Beschäftigten, auch mit den Kunden und Kundinnen. Das kann sehr wohl helfen. Insofern glaube ich sehr wohl, dass eine gute Orientierung aus dem Glauben heraus uns ein Stück krisenfester machen kann.

Das Interview führte Michelle Olion.


Prof. Ulrich Hemel / © BKU (BKU)
Prof. Ulrich Hemel / © BKU ( BKU )
Quelle:
DR