Neues Jahrbuch zur Verfolgung von Christen

"Religionsfreiheit ist Menschenrecht"

Wie ist es um die weltweite Religionsfreiheit bestimmt? Wo werden Christen diskriminiert oder gar verfolgt? Prof. Thomas Schirrmacher über wenig überraschende Länder - und Staaten in unserer Nachbarschaft.

Beschädigtes Kreuz über Mossul / © Jako Klamer (KiN)
Beschädigtes Kreuz über Mossul / © Jako Klamer ( KiN )

DOMRADIO.DE: Sie haben das Jahrbuch Religiosnfreiheit und Verfolgung und Diskriminierung von Christen 2019 herausgegeben, in welchen Ländern ist es schlecht um die Religionsfreiheit bestellt?

Prof. Thomas Schirrmacher (Stellvertretender Generalsekretär der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEA)): Das ist natürlich eine lange Liste, und da kommt es immer ein bisschen drauf an, welche Kriterien man heranzieht. Es gibt natürlich die Länder, in denen Religion an sich nicht beliebt ist. Das größte ist sicherlich China. Da gibt es Pastoren und Priester im Gefängnis und viele tausend muslimische Uiguren in Gefangenenlagern. Das andere große Land ist Indien. Da haben wir eine völlig andere Situation, dort macht sich ein hinduistischer Nationalismus breit, der beispielsweise keine Rinderzucht für Muslime dulden will. Mindestens die Hälfte der Länder der Erde sind sind da unmittelbar betroffen.

DOMRADIO.DE: Auch Länder in Mitteleuropa?

Schirrmacher: In Frankreich zum Beispiel ist das statistisch schon sehr auffällig: Kirchen, die brennen oder randaliert werden, Übergriffe auf Synagogen und Moscheen. In Deutschland sind das noch Einzelfälle, aber wir sollten nicht meinen, dass hier die besseren Menschen leben, die so etwas nicht tun.

DOMRADIO.DE: Wo leiden besonders Christen unter Verfolgung?

Schirrmacher: Libyen, Sudan, Saudi Arabien, all jene Länder, in denen es eine Mehrheitsreligion gibt, die alle anderen Religion diskriminiert oder im schlimmsten Fall sogar aus dem Land vertreiben will. In der Türkei ist es so, je religiöser Erdoğan sich aufstellt, desto mehr kommt diese Gleichung ins Spiel: Ein Türke ist Muslim, allerdings natürlich nur im Sinne eines Islams, den Erdoğan zulässt. Den einzelnen christlichen Kirchen vor Ort geht es noch verhältnismäßig gut, auch wenn die fast alle nicht registriert werden können. Aber es werden im Moment praktisch alle ausländischen Christen, die in irgendeiner Art und Weise mit den Kirchen zusammenarbeiten, ausgewiesen oder noch häufiger nicht wieder ins Land gelassen. Und das lässt Böses ahnen.

DOMRADIO.DE: Wird sich politisch genug um dieses Thema gekümmert?

Schirrmacher: Meines Erachtens nicht. Es geht gar nicht darum, das zu dem Thema schlechthin zu machen. Unsere Forderung ist schlicht und einfach, dass dieses Menschenrecht, das ja mit der Gewissensfreiheit, der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit sehr, sehr eng verwoben ist, einfach auf gleiches Niveau gehoben wird wie andere Rechte auch. Es wird oft übersehen, dass die Meinungsfreiheit und Religionsfreiheit natürlich nicht nur für religiöse Menschen gilt. In Deutschland ist das die Bekenntnisfreiheit, die schließt auch die Atheisten mit ein, die in vielen dieser Länder natürlich auch schwer diskriminiert oder verfolgt werden. Und ich denke, dass uns die Gefahr erst so langsam bewusst wird, je mehr das auch in Deutschland auf uns zu rollt, das Menschen andere Menschen diskriminieren oder womöglich sogar umbringen wollen, schlicht und einfach, weil sie einen anderen Glauben oder eine andere Weltanschauung haben.

Das Interview führte Verena Tröster.